Frage an Eva Högl von Axel M.
Sehr geehrte Frau Högel,
mich würde interessieren, wieso Sie nicht gegen die Einführung von Schiedsgerichten im Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA gestimmt haben.
Aus meiner Sicht sind die geplanten (und im Geheimen verhandelten!) Abkommen ohnehin schlecht für Umwelt, Verbraucher und Demokratie und nützen nur den großen Konzernen. Aber falls sie kommen, sollte man doch wenigstens verhindern, dass die Staaten der EU und somit wir Bürger und Steuerzahler von Großkonzernen verklagt werden können, nur weil wir im Zuge demokratischer Prozessen Gesetze verabschiedet haben, die denen nicht passen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Martens
Sehr geehrter Herr Martens,
vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema der geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Die von Ihnen geäußerten Vorbehalte kann ich teilweise durchaus verstehen. Dennoch sprechen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion und spreche ich mich ganz persönlich als Abgeordnete dafür aus, die Verhandlungen über TTIP und CETA fortzuführen. Anhand der folgenden Erwägungen möchte ich Ihnen darlegen, warum ich diese Entscheidung für richtig halte.
Wie Sie bin auch ich grundsätzlich gegen Investitionsschutzklauseln und die Einführung von Investor-Staat-Schiedsverfahren. Ich stimme mit Ihrer Einschätzung überein, dass durch entsprechende Regelungen die gesetzgeberische Freiheit in demokratietheoretisch bedenklicher Weise beschränkt wird. Mit Blick auf den Entwurf zu CETA liegt jedoch ein aktuelles Gutachten vor, das zu dem Ergebnis kommt, dass Investoren aus Kanada im Vergleich zu deutschen Investoren durch CETA materiell-rechtlich nicht besser gestellt werden. Der durch CETA gewährte völkerrechtliche Schutz bleibt in einigen Punkten sogar signifikant hinter dem deutschen Verfassungs- und dem Unionsrecht zurück. Das heißt, dass Investoren in Deutschland nicht erfolgreich gegen dem Allgemeinwohl dienende Gesetze klagen können. Im Hinblick auf den Marktzugang scheidet sogar die Anrufung eines Schiedsgerichtes aus. Dadurch ist aus meiner Sicht der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum Schutz öffentlicher Interessen wie nationale Sicherheit, Umwelt oder öffentliche Gesundheit gewahrt. Unabhängig davon halte ich aber völkerrechtliche Investitionsschutzregelungen zwischen Staaten, die ausreichend Rechtsschutz vor unabhängigen nationalen Gerichten gewährleisten, grundsätzlich für entbehrlich.
Bei den weiteren Verhandlungen über TTIP ist es mir wichtig, die Sorgen, die in großen Teilen der Bevölkerung vorhanden sind und offenbar auch von Ihnen geteilt werden, ernst zu nehmen. Klar ist für mich wie auch für meine Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion, dass es zu einem Abbau von wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Standards durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen nicht kommen darf.
Andererseits bietet das Abkommen angesichts der gerade erst überstandenen Wirtschafts- und Finanzkrise und der hohen Arbeitslosigkeit in einigen EU-Mitgliedsstaaten Chancen für die europäische und US-amerikanische Wirtschaft. Ein einfacher Marktzugang, der Abbau von Zöllen und die Harmonisierung industrieller Normen würden nicht nur den Unternehmen helfen, Kosten einzusparen, sondern sie könnten auch zu Preisvorteilen für Verbraucher führen. Viele deutsche Unternehmen erhoffen sich zudem ganz konkrete Verbesserungen und Vereinfachungen zum Absatz ihrer Produkte im weltgrößten Absatzmarkt, den USA. Qualitativ hochwertige Arbeitsplätze können so gesichert und auf beiden Seiten des Atlantiks neu geschaffen werden.
Gleichzeitig muss das hohe Schutzniveau für Verbraucher, Umwelt und Arbeit erhalten bleiben. Dasselbe gilt für das europäische Niveau von Verbraucherrechten und Datenschutzstandards. In dem „acquis communautaire“ der EU sind alle Rechte und Pflichten, die für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind, geregelt. Darin enthalten sind ebenso hohe Bestimmungen zur Produktsicherheit wie auch die des Arbeitsschutzes und die Standards der „International Labor Organisation“ (ILO). Gerade auch die Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen bei europäischen Handelsabkommen haben wir im Koalitionsvertrag verankert, denn Freihandel darf nicht zum Einfallstor für Lohn- und Sozialdumping werden. Die ILO stellt soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte sicher. Die Beibehaltung dieser Standards ist im Verhandlungsmandat ausdrücklich vorgesehen. Mir ist wichtig, dass das auch während der ganzen Verhandlungen – und im Ergebnis – so bleibt. Darüber hinaus ist meiner Meinung nach die Einbeziehung der Anliegen von Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbänden und Forschungseinrichtungen für einen erfolgreichen Abschluss der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft außerordentlich wichtig. Denn TTIP ist ein Projekt, welches der breiten Bevölkerung und den Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks zugutekommen soll. Sowohl die EU-Kommission als auch die EU-Mitgliedstaaten stehen daher in engem Kontakt mit den unterschiedlichen Interessenvertretern und informieren regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion versuchen zu erreichen, dass auch die amerikanische Seite der Veröffentlichung ihrer Dokumente für die EU-Mitgliedsstaaten zustimmt. Die Sozialdemokratie setzt sich hierbei aus meiner Sicht vollkommen zurecht für größtmögliche Transparenz auch über sensible Verhandlungspunkte wie Investorenschutz ein. Klar ist, dass noch offener auf die insbesondere von den Gewerkschaften geäußerten Anliegen eingegangen werden muss. Denn gerade Arbeitnehmerrechte müssen gesichert bleiben. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen neue Diskussionsforen mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft schaffen, die unvoreingenommen jeden Kritikpunkt prüfen, falsche Behauptungen über TTIP aufklären, tatsächlich strittige Fragen identifizieren und die Verhandlungen konstruktiv begleiten.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass die EU-Kommission zum Bereich des Investitionsschutzes eine dreimonatige öffentliche Konsultation zur Klärung des Vorgehens zum Thema Investitionsschutz in den Verhandlungen mit den USA über ein transatlantisches Freihandelsabkommens (TTIP) abgehalten hat. Diese Konsultation ist inzwischen beendet. Derzeit werten die EU-Kommission die eingegangenen Stellungnahmen aus. Es ist damit zu rechnen, dass sie im November auf die EU-Mitgliedstaaten zugeht, um gemeinsam mit ihnen die EU-Verhandlungsposition zu diesem Thema festzulegen. Dieser Prozess sollte genutzt werden, um ein Modell zu entwickeln, damit künftige EU-Abkommen zum Investitionsschutz transparenter sind und klarer definieren, wie weit der Investitionsschutz reichen darf, ohne die politische Gestaltung demokratisch gewählter Regierungen einzuschränken.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion begleiten daher die weiteren Verhandlungen zu CETA und TTIP aktiv, um Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, ökologische Nachhaltigkeit und öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern und zugleich unnötige Handelsbarrieren sowie kostspielige bürokratische Verfahren abzubauen. Nach diesen Grundsätzen ausgehandelte Abkommen würden aus meiner Sicht vielen der offenbar auch von Ihnen geteilten Bedenken ausreichend Rechnung tragen. Von daher warte ich wie Sie mit großem Interesse den weiteren Fortgang der Verhandlungen ab und würde mich freuen, wenn Sie sich auch weiterhin konstruktiv an der Diskussion zu CETA und TTIP beteiligen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Högl