Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Andreas M. •

Frage an Eva Högl von Andreas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Högl,

Organisationen wie Change.org, Compact und die Deutsche Umwelthilfe, die sich nicht nur für unsere Zivilgesellschaft sondern für unsere gesamte Lebenswelt (Umwelt) engagieren, werden derzeit massiv unter Druck gesetzt. Unter anderem, indem man ihnen die Gemeinnützigkeit absprîcht, was sie fiannziell bedroht (zB steuerliche Vorteile fallen weg, Spendenbescheinigungen). Ich finde diese Organisationen sehr wichtig und die das Vorgehen gegen sie ein bedenkliches Zeichen. Bekommen Sie das mit? Was ist Ihre Haltung dsazu? Und: was unternehmen Sie dagegen?

Viele Grüße aus dem Wedding,
Andreas Monning,
freier Journalist

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zur Gemeinnützigkeit von Vereinen.

Das Thema der Gemeinnützigkeit ist sehr komplex. Daher erlauben Sie mir, dass ich etwas weiter ausführe.

Nach der Abgabenordnung sind Organisationen und Vereine dann als gemeinnützig anzusehen und anzuerkennen, wenn sie durch ihre Tätigkeit und Aktivität die Allgemeinheit selbstlos fördern. So ist es in § 52 der Abgabenordnung festgeschrieben. Darin enthalten ist auch eine umfassende und detaillierte Aufzählung, was genau unter Förderung der Allgemeinheit zu verstehen ist, so zum Beispiel die Förderung von Kultur, Naturschutz, Tierschutz oder bürgerschaftlichen Engagements.

Im Anwendungserlass zur Abgabenordnung ist festgehalten, dass politische Zwecke, das heißt unter anderem die Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, grundsätzlich nicht als Förderung der Allgemeinheit zählen. Somit sind Vereine, die vornehmlich oder hauptsächlich politische Zwecke verfolgen, nicht als gemeinnützig anzuerkennen.

Allerdings: Die Verfolgung politischer Zwecke, etwa die Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, ist unter gewissen Voraussetzungen durchaus auch gemeinnützigen Vereinen gestattet und möglich, nämlich dann, wenn dies mit der gemeinnützigen Tätigkeit und den verfolgten gemeinnützigen Zwecken eng verbunden ist. Entscheidend ist, dass der gemeinnützige Zweck weiterhin im Vordergrund steht und die politischen Zwecke diesem als Mittel dienen und nicht ihrerseits Haupt- bzw. Selbstzweck sind.

Im Anwendungserlass heißt es hierzu: „Dagegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.“

Ein Beispiel: Ein Verein verfolgt die Förderung des Naturschutzes. Das ist ein gemeinnütziger Zweck, da die Förderung des Naturschutzes nach § 52 der Abgabenordnung als Förderung der Allgemeinheit anzusehen ist. Zu diesem Zweck – also der Förderung des Naturschutzes – und nur zu diesem Zweck kann er sich auch politisch betätigen, indem er politische Kampagnen startet und damit Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung nimmt. Unter dieser Voraussetzung kann er politisch aktiv sein und weiterhin als gemeinnützig gelten.

Wichtig ist die Zweck-Mittel-Relation von politischer Betätigung und Förderung des Naturschutzes: Die Politische Betätigung ist in dem Fall nämlich lediglich ein Mittel zur Verfolgung des eigentlichen und vornehmlichen Zweckes, nämlich der Förderung des Naturschutzes. Die politische Betätigung steht nicht im Mittelpunkt bzw. Vordergrund und ist in diesem Sinne kein Haupt-/Selbstzweck.

Das hat der Bundesfinanzhof in seiner bisherigen Rechtsprechung mehrfach bestätigt.

Die entscheidenden Fragen sind also: Verfolgt ein Verein die Förderung der Allgemeinheit und eines der in § 52 der Abgabenordnung aufgeführten Ziele? Ist er hierfür auch politisch aktiv, indem er etwa auf die politische Meinungsbildung Einfluss nimmt? In welchem Ausmaß ist er politisch aktiv? Ist diese politische Aktivität zur Verfolgung des eigentlichen Zweckes (Förderung der Allgemeinheit) notwendig und angebracht? Ab wann wird politische Aktivität vom bloßen Mittel zum eigentlichen Hauptzweck und ab wann tritt somit der eigentliche Zweck in den Hintergrund?

Die jüngsten Entscheidungen zu Attac, Campact und Co. verdeutlichen, dass die Beantwortung dieser Fragen und die damit einhergehende Grenzziehung und Unterscheidung bisweilen schwierig ist.

Wir als SPD haben ein klares Ziel: Gemeinnützige Organisationen sollen auch politisch aktiv sein können. Denn mitunter ist ihnen nur so die Verfolgung ihrer gemeinnützigen Ziele möglich.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird deshalb prüfen, ob eine Anpassung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass auch künftig eine Verfolgung gemeinnütziger Zwecke mit politischen Aktionen möglich ist. Das zuständige Bundesfinanzministerium prüft dies zurzeit ebenfalls sehr intensiv.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eva Högl