Frage an Eva Högl von Ernest G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Högl,
ich habe an Sie einige Fragen bezüglich der Migrations- und Flüchtlingspolitik:
1.) Was halten Sie allgemein von Carola Rackete, von ihren Aktionen, und, von ihren Forderungen?
2.) In wie weit können Sie den italienischen Innenminister Salvini verstehen, mit seinem strengen Vorgehen gegen Seenotrettungen?
3.) In wie weit halten Sie die privaten Seenotrettungen für angebracht? Und, "Sichere Häfen" an europäischen Mittelmeerküsten?
4.) Warum könnte man die Migranten und Flüchtlinge, die man im Mittelmeer aufsammelt, nicht einfach wieder nach Afrika zurückbringen?
5.) Wieso wird weiterhin dafür gesorgt, dass den Migranten in Afrika weiterhin Anreize dafür geschaffen werden, den gefährlichen Weg übers Mittelmeer nach Europa auf sich zu nehmen?
Nun noch Fragen bezüglich Abschiebungen und Rückführungen:
Wie kann es sein, dass immer noch zu oft gut integrierte Ausländer, die hier fleissig arbeiten und sich anständig verhalten, beliebt sind, trotzdem abgeschoben werden?
Haben Sie da eine Erklärung dafür?
Ich bedanke mich schonmal im Voraus für ihre Antworten auf meine Fragen!
Mit freundlichen Grüßen
E. G.
Sehr geehrter Herr Goetz,
vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zur Migrations- und Flüchtlingspolitik. Sehr gerne beantworte ich Ihre zahlreichen Fragen.
Zu Ihren ersten Fragen bezüglich der Rettung von in Seenot geratenen Menschen auf dem Mittelmeer habe ich eine klare Position: Das Sterben auf dem Mittelmeer muss endlich ein Ende haben.
Es ist eine Schande für Europa, dass nahezu täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken und Schiffe, die in Seenot geratene Menschen retten, tage- oder gar wochenlang auf See herumirren, da kein Land bereit ist, sie anlegen zu lassen und die geretteten Menschen aufzunehmen. Wenn wir zulassen, dass vor den Toren Europas, Menschen ertrinken, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen oder auf der Suche nach einem besseren Leben sind, dann untergräbt das die Errungenschaften Europas und all das, worauf wir Europäer*innen zurecht stolz sein können: Frieden, Freiheit und Sicherheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.
Die immer wieder akuten Fälle – von Frau Rackete, der „Ocean Viking“ oder anderen privaten Seenotrettungsmissionen – zeigen, dass wir endlich zu einer europaweiten, tragfähigen und langfristigen Regelung kommen müssen. Es darf nicht länger Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben, ob in Seenot gerettete Menschen von wem und wie viele aufgenommen werden. Solange diese Entscheidungen von Fall zu Fall entschieden werden, solange sind die Betroffenen auf See in einer Situation der Ungewissheit, die schlichtweg menschenunwürdig ist. Wir brauchen hier europaweit klare Regel und Grundsätze sowie eine solidarische Verteilung.
Ich bin sehr froh, dass unser Bundesaußenminister Heiko Maas in den vergangenen Wochen mit vielen seiner europäischen Kolleg*innen hierüber gesprochen hat. Er hat das Ziel, mit denjenigen Staaten, die bereit sind mitzumachen, einen tragfähigen Mechanismus zu finden, um aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge aufzunehmen und zu verteilen. Hierbei will und wird Deutschland Vorreiterrolle einnehmen und immer ein festes Kontingent an Geretteten übernehmen. Eine weitere wichtige Frage wird auch sein, ob wir auf europäischer Ebene (wieder) eine koordinierte Seenotrettungsmission brauchen und auf den Weg bringen müssen.
Die Gespräche von Bundesaußenminister Heiko Maas verliefen bisher sehr positiv, was mich vorsichtig optimistisch, dass seine Initiative schon sehr bald Realität wird und wir eine Koalition der willigen Staaten haben, die sich klar und deutlich zur Seenotrettung bekennen.
Solange diese politische Lösung noch nicht Realität ist, unterstütze ich private Initiativen wie die von Frau Rackete und fordere von allen EU-Staaten mehr Solidarität und größere Bereitschaft, Schiffe, die Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben, an Land gehen zu lassen und gerettete Menschen aufzunehmen.
Selbstverständlich ist es bei diesem Thema auch sehr wichtig, zu verhindern, dass sich Menschen überhaupt erst auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer machen. Hierfür müssen wir die Bekämpfung von Fluchtursachen weiter intensivieren, mit den betroffenen Staaten in Afrika kooperieren und vor allem deutlich konsequenter gegen das Schlepperwesen vorgehen.
Auch zu Ihrer Frage, warum immer wieder gut integrierte Ausländer*innen abgeschoben werden, habe ich eine klare Position: Geflüchtete und Geduldete, die gut integriert sind, die Deutsch sprechen, zur Schule gehen, eine Ausbildung machen oder arbeiten, müssen eine verlässliche Bleibeperspektive haben und dürfen nicht abgeschoben werden.
Genau aus dem Grund haben wir vor kurzem im Deutschen Bundestag ein umfassendes Migrationspaket verabschiedet. Mit diesem Migrationspaket haben wir unter anderem eine Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung eingeführt. Die soll genau das sicherstellen, was auch Sie fordern, nämlich dass Geflüchtete, die sich gut integrieren, eine Ausbildung machen oder einer Beschäftigung nachgehen, nicht abgeschoben werden, sondern bleiben dürfen.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass durch die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Zukunft deutlich weniger gut integrierte Ausländer*innen abgeschoben werden. Die Einführung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung war eine Kernforderung der SPD. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, diese gegen erhebliche Vorbehalte unseres Koalitionspartners durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eva Högl