Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Joachim M. •

Frage an Eva Högl von Joachim M. bezüglich Recht

1. Wie berücksichtigt die geplante Einführung des § 611 a BGB den Einsatz von Honorarärzten unter folgenden Aspekten?

- Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. 2/3 aller Krankenhäuser arbeiten mit freiberuflichen Ärzten, den sog. Honorarärzten eng zusammen , ohne die der tägliche Stationsbetrieb nicht aufrechterhalten werden könnte

- Abdeckung des Notdienstes ( ein Großteil des Notdienstes , insbesondere in strukturschwachen Regionen wird mit Honorarärzten abgedeckt.

- die Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 KHEntgG und die neuste Rechtssprechnung des BSG

2.Honorarärzte sind notwendigerweise in die Organisationsstruktur des Krankenhauses eingebunden. Wie können die Abgrenzungskriterien des BSG/BAG zur Scheinselbständigkeit auf Honorarärzte angewendet werden?

Beispiel:Ein Anästhesist ist Honorararzt in einem Klinikum. Der OP Plan wird erstellt. Die OP beginnt 8.00 Uhr. Notwendigerweise muss der Anästhesist pünktlich zur OP erscheinen, aus hygienischen Gründen die Geräte des Klinikums verwenden und auch mit dem restlichen OP Team zusammenarbeiten. Nach o. g. Abgrenzungskriterien würde jeder dieser Ärzte als Arbeitnehmer eingestuft werden.

3. Sollte hier nicht eine Differenzierung geschaffen werden oder können bestimmte Gruppen aus dem Gesetzentwurf genommen werden?

4. Welchen Stellenwert hat die AO? Darin heisst es ... Der Beruf des Arztes ist ein freiberuflicher..

5. Widerspricht § 611 a BGB nicht dem Wortlauf des § 2 Abs. 3 KhEntG? Führt dieser $ zu einem Leerlauf des § 2 Abs 3 KhEntG?

6. Droht bei Gesetzesbeschluss das Aus für Honorarärzte in deutschen Kliniken und im Notdienst?

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der Auswirkungen der Einführung des § 611a BGB auf die Situation der Honorarärzte.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit notwendig und richtig ist. Daher unterstütze ich die Bundesministerininisterin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles ausdrücklich bei diesem Vorhaben. Dort wo eine abhängige Beschäftigung vorliegt, darf sie nicht als selbstständige Arbeit deklariert werden.

Ob es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt, ist grundsätzlich nicht danach zu beurteilen, wie qualifiziert jemand ist oder wie viel jemand verdient. Vielmehr gelten auch bei den sog. freien Berufen, zu denen Ärzte zählen, die allgemeinen zu § 7 SGB IV von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Danach setzt ein Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der/die Arbeitnehmer/in vom Arbeitgeber/in persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der/die Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Entscheidend ist, welche Merkmale nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung überwiegen.

Obgleich jeder Fall anders gelagert ist und unter Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist, liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung der Sozialgerichte vor.
In einem Krankenhaus oder einer Klinik eingesetzte tätige Honorarärzte sind wegen der Eingliederung in die betriebliche Organisation regelmäßig abhängig Beschäftigte (BSG mit Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 6/69 - (SGb 1971, 479), LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteilen vom 16. Dezem-ber 2015 - L 2 R 515/14- und L 2 516/14; LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 29. November 2006, L 11 (8) R 50/06 - ; LSG Baden-Württemberg mit Urteilen vom 17. April 2013 - L R 3755/11 - sowie vom 20. August 2015 -L 4 R 1001/15.

Eine selbstständige Tätigkeit kommt nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Die Einführung des § 611a BGB hat demnach keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Situation der Honorarärzte in Krankenhäusern.

Mit Blick auf die von Ihnen ebenfalls angesprochene medizinische Versorgungssituation der Bevölkerung bzw. Anreize zur Niederlassung ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte in ländlichen Regionen haben wir in dieser Legislaturperiode ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Ein Bündel von Maßnahmen auf verschiedenen Planungs- und Verantwortungsebenen wird dafür sorgen, dass überall, in Stadt und Land, genügend Ärztinnen und Ärzte für eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Dazu zählen u.a. Möglichkeiten bzw. Anreize für eine verstärkte Niederlassung.

All jene Maßnahmen werden dazu beitragen, dass sich die Versorgungssituation mit ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten gerade in ländlichen Regionen weiter verbessert. Letztlich wird dies auch langfristige Effekte auf die Angebotssituation von Honorarärztinnen und –ärzten im Rahmen der Notfallversorgung haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Eva Högl