Frage an Eva Högl von Tim W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Högl,
ich wohne in Mitte und würde gerne von Ihnen wissen wie sie zum einen grundsätzlich zur neu geplanten Vorratsdatenspeichung stehen und zum andern wie sie folgende Fragen beantworten würden:
Halten Sie es für unbedenklich, wenn Daten von allen Bürgern erhoben werden, welche die genaue Bewegung sowie das Kommunikations- und Leseverhalten abbilden?
Glauben Sie es ist vermeidbar, dass Vodafone die Daten, die von mir mitgeschnitten werden, in England an den GCHQ weitergibt?
Mit freundlichen Grüßen
Tim Wehrmeyer
Sehr geehrter Herr Wehrmeyer,
vielen Dank für Ihre E-Mail, mit der Sie mir Ihre Bedenken gegen die geplante Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten mitteilen.
Mittlerweile hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, der in den anstehenden Wochen im Deutschen Bundestag beraten wird. Ich werde diesem Gesetzentwurf, den wir am Freitag, 12.6.2015 in erster Lesung beraten, zustimmen und teile Ihnen gerne die für mich maßgeblichen Gründe für diese Entscheidung mit:
1. Der Gesetzentwurf orientiert sich streng an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesverfassungsgerichts. Beide Gerichte hatten über gesetzliche Regelungen zu entscheiden, die die Anforderungen an die Wahrung der Grundrechte nicht erfüllten. Zu Recht wurden sie daher beanstandet. Die Richterinnen und Richter führten in ihren Entscheidungen zugleich aus, welche rechtlichen Grenzen der Gesetzgeber beachten muss, wenn er eine Speicherpflicht einführen möchte. Keineswegs erklärten sie die anlasslose Speicherung von Daten grundsätzlich für unzulässig.
2. Die Möglichkeit der Verfolgung schwerster Verbrechen durch die Strafverfolgungsbehörden wird verbessert. Aus vielen Gesprächen mit Staatsanwältinnen und Staatsanwälten weiß ich, dass die Auswertung der Daten hilft, besonders schwere Straftaten aufzuklären und die Täterinnen und Tätern einer Verurteilung zuzuführen. Hier geht es um terroristische Verbrechen oder Mord, Totschlag und schweren sexuellen Missbrauch von Kindern. Ich finde, diese Möglichkeit müssen Strafverfolgungsbehörden in einer Gesellschaft haben, in der Straftäterinnen und Straftäter sich digitaler Kommunikationsmethoden zur Verbrechensbegehung bedienen.
3. Die gespeicherten Daten werden bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert und von ihnen besonders gesichert. Nur wenn ein Richter oder eine Richterin dies für den konkreten Einzelfall nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt, dürfen die Strafverfolgungsbehörden auf sie zugreifen.
4. Die einheitliche Speicherpraxis, die mit dem Gesetz einhergehen wird, ist ein Fortschritt für die Rechtssicherheit in Deutschland. Derzeit ist die Speicher- und Herausgabepraxis der Telekommunikationsunternehmen nämlich höchst unterschiedlich, so dass es von Zufällen abhängt, welche Daten der Bürgerinnen und Bürger den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Dies hilft weder der Strafverfolgung noch stellt dies einen effektiven Grundrechteschutz sicher.
5. Der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas ist deutlich restriktiver als das, was bisher als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet wurde oder in europäischen Nachbarländern als solche bezeichnet wird. Die Speicherfristen sind kurz, die zu speichernden Daten sind minimiert und der Zugriff auf die Daten wird an strengere Voraussetzungen geknüpft.
Die Debatten um die Vorratsdatenspeicherung werden seit mehr als 10 Jahren geführt – viele waren geprägt von einer „schwarz-weiß-Argumentation“. Ich denke, es ist Zeit für eine differenzierte Diskussion, die den geänderten Gegebenheiten Rechnung trägt. Die technischen Anforderungen, die Möglichkeiten für Straftäter und schließlich auch die Speicherpraxis privater Anbieter haben sich geändert, so dass auch die Notwendigkeit für die Einführung einer Speicherpraxis heute anders zu beurteilen ist als zu Beginn dieser Diskussion. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich offen für meine Argumentation zeigen.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Högl