Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Felix M. •

Frage an Eva Högl von Felix M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Högl,

Sind Ihnen die Inhalte des derzeit verhandelten TiSA Abkommens zur Dienstleistungsliberalisierung bekannt?

So wie es sich mir darstellt, handelt es sich um einen umfassenden Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der EU. Datenschutz, Netzneutralität, Rekommunalisierung von Wasser- und Energienetzen - all diese Dinge sollen wie es scheint unmöglich gemacht werden.

Wie stehen Sie zu den Inhalten dieses Abkommens? Wie stehen Sie zu dem neuerlichen Versuch, ein Abkommen, das uns als Bürger auf das Intimste betrifft, ohne die Öffentlichkeit geheim durchzupeitschen?

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal abgewordnetenwatch.de zu dem geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA (= Trade in Services Agreement). Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst heute antworte.

Ausgangspunkt von TISA sind die Vereinbarungen, die in der Welthandelsorganisation WTO bereits 1995 getroffen worden sind. In diesem Jahr einigten sich die WTO-Mitgliedstaaten – das sind inzwischen mehr als 160 Staaten – auf ein Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen, das Ihnen womöglich unter dem Namen dem Namen GATS (= General Agreement on Trade in Services) bekannt ist.

Im GATS-Abkommen haben sich die WTO-Mitgliedstaaten zu bestimmten Marktöffnungen in einzelnen Dienstleistungssektoren verpflichtet. Sensible Bereiche wurden jedoch keiner Verpflichtung unterworfen und sind durch spezielle Klauseln besonders geschützt. Das GATS-Abkommen ist inzwischen fast 20 Jahre in Kraft. Negative Folgen für die deutschen Dienstleistungsmärkte sind nicht erkennbar geworden.

Im Gegenteil: Marktöffnungen in bestimmten Dienstleistungssektoren sind von großem Nutzen für die deutsche Wirtschaft. Deutsche Dienstleistungsanbieter profitieren hierdurch und haben sich neue Märkte im Ausland erschlossen. Mittlerweile ist Deutschland weltweit der drittgrößte Exporteur von Dienstleistungen.

Seit dem Jahr 2001 wird im Rahmen der Doha-Welthandelsrunde auch über eine weitere Marktöffnung im Dienstleistungssektor verhandelt. Die Doha-Verhandlungen sind allerdings aus vielerlei Gründen ins Stocken geraten. Als Reaktion auf diese Entwicklung hat sich eine Gruppe von WTO-Mitgliedern, darunter auch die EU und ihre Mitgliedstaaten, im Jahr 2012 zusammengeschlossen, um bei den Verhandlungen zum Handel mit Dienstleistungen eine „Vorreiterrolle“ einzunehmen. Vorrangiges Ziel der Verhandlungen zu TiSA ist es, bestimmte ausgewählte Öffnungen beim Marktzugang im Dienstleistungsbereich vorzunehmen und damit neue Impulse für die stockende Doha-Welthandelsrunde zu setzen.

Mit den Verhandlungen zum TiSA-Abkommen wird nicht das Ziel einer Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen in Deutschland verfolgt. Für den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge wurde von Seiten der EU - wie auch in allen anderen EU-Handelsabkommen - die gleiche Sonderregelung eingebracht, die auch schon im GATS verankert wurde. Zudem gibt es weitere Sonderbestimmungen z. B. für die Bereiche Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung, die ebenfalls den Politikspielraum umfassend erhalten und neue Marktöffnungsverpflichtungen eindeutig ausschließen.

TiSA verfolgt auch nicht das Ziel, Regulierungsmöglichkeiten des Staates, wie z.B. bei der Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen oder der Akkreditierung von Schulen und Universitäten, einzuschränken. Diese wichtigen Regulierungsmöglichkeiten bleiben unverändert weiter bestehen.

TiSA wird auch den europäischen Datenschutzstandard beachten. Es wird keine Absenkung oder Aushebelung von Datenschutzregelungen geben. Dies gilt auch für die Novellierung des bestehenden Rechtsrahmens.

Die im Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen häufig kritisierten Regelungen zum Investitionsschutz einschließlich Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS) werden nicht im TiSA-Abkommen enthalten sein. Es wird also mit TiSA keine privaten Investoren-Klagemöglichkeiten geben. Vorgesehen ist lediglich die Möglichkeit von Streitschlichtungsverfahren zwischen den beteiligten Staaten hinsichtlich der TiSA-Verpflichtungen. Dies ist jedoch ein herkömmliches Streitschlichtungsverfahren zwischen Staaten, wie es bereits im WTO-Rahmen angelegt und in bewährter Form praktiziert wird.

Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass die SPD bei den TiSA-Verhandlungen sehr darauf achten wird, dass ein mögliches Abkommen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft unseres Landes ist. Daher wird es eine Verpflichtung zur Marktöffnung öffentlicher Daseinsvorsorge in Deutschland im TiSA-Abkommen nicht geben.

Mit freundlichen Grüßen
Eva Högl