Frage an Eva Högl von Gustav W. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Högl,
Angesichts des Verhaltens der Bundesregierung nach den Spiegel-Enthüllungen verlässt die Große Koalition in meinen Augen gerade das Terrain des einfachen Stillhaltens, Aussitzens und begibt sich in Moralnormen, Verhaltensweisen, die auch das Handeln eines Politikers vom Schlag Wladimir Putin bestimmen: “Die Öffentliche Meinung, Reschsstaatlichkeit sind mir egal, solange ich genügend Einfluss und Stärke habe, um an der Macht zu bleiben und eigene Ziele durchzusetzen”.
Allein das Bekanntwerden eines Anfangsverdachts in einem Ermittlungsverfahren reichte der SPD, um sich von Sebastian Edathy zu distanzieren, sogar ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten. Im Fall Ziercke, der auch SPD-Mitglied ist und als Leiter des Bundeskriminalamtes bei Anhörungen im Innenausschuss im Fall Edathy laut Spiegel http://bit.ly/fall-ziercke den Abgeordneten wichtige Sachverhalte verschwiegen hat, nämlich „dass ein Spitzenbeamter des BKA auf derselben kanadischen Kundenliste stand wie der frühere SPD-Abgeordnete Edathy„, in diesem Fall hält sich die SPD-Führung erstaunlich zurück, der Innenminister Maaß (SPD) verteidigt das Verhalten der BKA-Führung. Obwohl “das Material an sogenannten Posing-Bildern, das die Staatsanwaltschaft Mainz bei dem Spitzenbeamten sicherstellte, soll – anders als bei Edathy – unzweifelhaft illegal und strafrechtlich relevant sein.”, berichtet Focus http://bit.ly/bka-affaere .
Die Doppelmoral und Unglaubwürdigkeit der Politiker wird immer offensichtlicher. Sich von Sebastian Edathy zu distanzieren, obwohl für ihn eine Unschuldsvermutung gilt und offensichtliche Unstimmigkeiten zu ignorieren, wobei die Erklärung von Jörg Ziercke, dass die Verschleppung von Ermittlungen im Fall Edathy mit Personalmangel begründet ist, im Licht von Spiegel-Enthüllungen immer weniger glaubwürdig erscheint.
Was werden Sie tun, um unter diesen Umständen eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Reschsstaatlichkeit wiederherzustellen?
Sehr geehrter Herr Wall,
vielen Dank für Ihr Schreiben über das Internetportal abgeordnetenwatch.de, in dem Sie eine angebliche Ungleichbehandlung im Verhalten der SPD gegenüber Herrn Edathy und Herrn Ziercke kritisieren. Bitte entschuldigen Sie meine verspätete Antwort.
Im Organisationsstatut der SPD ist klar geregelt, wann ein Parteiordnungsverfahren gegen ein Mitglied der SPD eingeleitet werden kann. Dort heißt es, dass gegen ein Mitglied, das gegen die Statuten oder die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstößt, ein Parteiordnungsverfahren durchgeführt werden kann.
Mitte Februar dieses Jahres haben sich die Beteiligten des Parteiordnungsverfahrens gegen Sebastian Edathy vor der Bundesschiedskommission geeinigt. Im Rahmen der Einigung stellen die Antragsteller klar, dass sie gegen Sebastian Edathy keinen strafrechtlichen Unrechts- oder Schuldvorwurf erheben. Gleichzeitig räume Herr Edathy ein, dass sein Verhalten den sozialdemokratischen Grundwert des Schutzes von Minderjährigen berührt hat und bedauert dies. Beide Parteien einigten sich darauf, dass Herr Edathy seine Mitgliedschaftsrechte für die Dauer von 5 Jahren ab heute ruhen lässt.
Diese Einigung unterstreicht zwei Aspekte, die eindeutig gegen eine Ungleichbehandlung sprechen. Das Parteiordnungsverfahren gegen Herrn Edathy wurde nicht aufgrund eines strafrechtlichen Schuldvorwurfs eingeleitet, sondern weil der Verdacht auf Verstoß gegen sozialdemokratische Grundwerte vorlag. Dieser Verdacht bestätigte sich, wie Herr Edathy ja selbst in der oben erwähnten Einigung einräumt. Demnach galt für Herrn Edathy - wie für jede und jeden Anderen - von Beginn selbstverständlich die strafrechtliche Unschuldsvermutung.
Gegen Herrn Ziercke wurde hingegen kein Parteiordnungsverfahren eingeleitet, da kein Verdacht eines Verhaltens erkennbar war, das ein solches Verfahren gemäß des oben dargelegten Organisationsstatuts rechtfertigt.
Vor diesem Hintergrund kann ich keine Ungleichbehandlung im Verhalten der SPD gegenüber Herrn Edathy und Herrn Ziercke erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Högl