Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Felix M. •

Frage an Eva Högl von Felix M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Högl!

Ich finde es schwer erträglich, in welchem Umfang fundamentale Bürgerrechte in den letzten Jahren unter Druck gerieten. Nur einige Beispiele:

- Justizwillkür (Fall Mollath)
- Polizeiwillkür und -gewalt
- Überwachung im Netz, Überwachung von Mobilfunk ("Funkzellenabfrage"), Ansätze einer autoritären Verhaltenskontrolle unter der Maßgabe der "Prävention"
- Netzregulierungen, die die kommerziellen Interessen weniger bedienen und die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Netzes als Korrektiv und Innovationsmotor gefährden (Ende der Netzneutralität, exzessive Priorisierung "geistiger Eigentumsrechte" zum Vorteil von Konzernen und Verwertungsorganisationen)
- Abbau des Rechts auf Asyl, systematischer unmenschlicher und menschenrechtswidriger Umgang mit Flüchtlingen durch deutsche und europäische Behörden
- systematisch entrechtender Umgang mit ALG2-Empfängern

Viele dieser Aspekte sind rechtlich schlecht (zu wenig, zu ineffizient, zu intransparent, zu einseitig) geregelt. Die Praxis der Behörden ist intransparent und bürgerfeindlich. Die Kombination aus politischem Handlungsunwillen (Desinteresse) im Allgemeinen und selektiver, sehr einseitiger Gesetzgebung erweckt den Eindruck, dass es auf sehr breiter Front einen von organisierten Interessen getragenen Rückbau von Bürgerrechten gibt.

Ich fühle mich persönlich bedroht. Ich fühle mich von der derzeitigen Regierung (natürlich), aber auch vom Bundestag insgesamt verraten.

Eine Antwort auf breiter Front wäre dringend geboten: Eine integrierte Bürgerrechts-Agenda, die verschiedene Gesetzgebungsbereiche vereint.

Entwickelt die SPD im Bundestag eine solche Agenda? Kooperiert sie mit den anderen Oppositionsparteien? Mit gesellschaftlichen Organisationen? Hat sie die zentrale Bedeutung des Internets für die Bürgerrechte erkannt? Wie stehen Sie selbst dazu?

Vielen Dank!

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Bürgerrechte.

Für die SPD ist Demokratie mehr als Wahlen und Abstimmungen. Zu einer demokratischen Gesellschaft gehören demokratische Kultur und Öffentlichkeit ebenso wie Transparenz und Partizipation. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns für die Stärkung der Demokratie und der Bürgerrechte hier in Deutschland ein. Nur so kann das Vertrauen der Menschen in die Politik und in staatliche Institutionen wachsen. Aus diesem Grund bin ich Mitglied im Verein Mehr Demokratie e.V., der sich für mehr direkte Demokratie stark macht.

Wir setzen auf mehr Offenheit gegenüber politische Entscheidungen und wollen die Mitwirkungsrechte der Menschen bei der politischen Willensbildung stärken und sie an der politischen Willensbildung teilhaben lassen. Entscheidend für uns dafür ist aus unserer Sicht die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode dazu mehrere Gesetzesinitiativen erarbeitet. Mir ist es ein besonderes Anliegen, Bürgerinnen und Bürgern an politischen Prozessen zu beteiligen, so dass ihre Stimme gehört wird und ihre Meinung zählt.

Sicherheit und Freiheit schließen sich für die SPD nicht aus. Im Gegenteil: Sicherheit und Bürgerrechte gehören für uns zusammen. In einem umfassenden und sozialen Verständnis von Sicherheit sehen wir die Grundlage für die demokratische Freiheit. Unsere Sicherheitspolitik basiert auf Augenmaß.

Eine Datenabschöpfung von Millionen deutscher Bürgerinnen und Bürger durch ausländische Geheimdienste beispielsweise lehne ich kategorisch ab. Selbst fast drei Monate nach den Enthüllungen von Edward Snowden haben wir von der Bundesregierung immer noch keine Klarheit, ob und in welchem Ausmaß deutsche Bürgerinnen und Bürger ausgespäht werden. Sie hat in den vergangenen Wochen nichts unternommen, um zu entkräften, dass die Überwachungsprogramme die Grundrechte in Deutschland massiv verletzt haben und es versäumte, die Vorwürfe gegen die US-Behörden endlich aufzuklären.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, das der Staat schützen muss. Unsere Ziele sind ein hohes Datenschutzniveau und ein wirksamer Rechtsschutz sowie starke und unabhängige Datenschutzbeauftragte. Die SPD will, dass digitale Chancen für die Gestaltung des täglichen Lebens so genutzt werden, dass die Menschen in Deutschland souverän über ihre persönlichen Daten bestimmen können.

In der Tat hat die schwarz-gelbe Koalition in den letzten vier Jahren nichts für den Schutz und die Stärkung der Bürgerrechte getan. Doch dringender Handlungsbedarf besteht. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind im kontinuierlichen Austausch mit Bürgerrechtsinitiativen, Gewerkschaften und Verbänden. Es bleibt zu hoffen, dass es uns die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag nach dem 22. September erlauben, den Themen Bürgerrechte und Demokratie wieder mehr Beachtung schenken und gesetzgeberisch tätig zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Eva Högl