Frage an Eva Högl von JUERGEN K. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Dr. Högl
Die sozial umstrittenden Hartz-IV Gesetze haben Urheberschaft in der SPD. Ist Ihre Partei willens bzw.in der Lage diese Gesetze grundlegend zu reformieren? Es wäre sicherlich eine Maßnahme die man gut in den Bundestagswahlkampf einbauen könnte, und sogar Wahlentscheidend sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Krüper
Sehr geehrter Herr Krüper,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal abgeordnetenwatch.de zur sogenannten Hartz-IV Gesetzgebung.
Mit den Reformen am Arbeitsmarkt ist die SPD einen ungemein schwierigen Weg gegangen, der bei Einigen auf Akzeptanzprobleme stieß. Obwohl ich diese Auffassung durchaus nachvollziehen kann, finde ich dennoch, dass dieser Weg notwendig und richtig war. Dies zeigt unter anderem die momentane Arbeitsmarktsituation: mit knapp 3 Millionen Arbeitslosen stehen wir so gut dar wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern steuern wir zudem robust und gut durch die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise. Auch das ist ein Ergebnis dieser arbeitsmarktpolitischen Reformen. Denn sie haben den deutschen Arbeitsmarkt effektiver und effizienter gestaltet und damit auf eben solche Herausforderungen vorbereitet.
Mir ist jedoch die ungemein schwierige Situation völlig bewusst, in die Menschen geraten, wenn sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Das erfahre ich tagtäglich durch die vielen Begegnungen und Gespräche mit Menschen im meinem Wahlkreis Berlin-Mitte. Deswegen bin ich der Auffassung, dass die Arbeitsmarktpolitik auf zwei Ebenen dringend verbessert werden muss.
Zum Einen sind Reformen beim SGB II notwendig. So sehen wir als SPD unter anderem Änderungsbedarf bei den Sanktionsregelungen. Im Gegensatz zur schwarz-gelben Bundesregierung lehnen wir jedoch schärfere Sanktionen ab. Wir sind der Meinung, dass bereits genug Möglichkeiten bestehen, den Arbeitswillen von Menschen zu testen. Stattdessen wollen wir, dass Sanktionen individueller auf den Einzelfall abgestimmt werden. Dies schließt die Möglichkeit ein, Art und Umfang einer Sanktion abstufen und leichter zurücknehmen zu können. Zudem muss wissenschaftlich geprüft werden, inwieweit die Sanktionsregelungen mit der Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums in Konflikt geraten. Ebenso bedarf die Berechnung der Regelsätze einer Verbesserung. Wichtig ist hierbei die verfassungsgemäße Berechnung, die nicht künstlich niedrige Ergebnisse, sondern den echten Bedarf abbilden muss.
Den Weg, den die schwarz-gelbe Bundesregierung mit Bildungsgutscheinen für Kinder eingeschlagen hat, halten wir für falsch. Wir sind der Auffassung, dass eine moderne Kinder- und Bildungspolitik allen Kindern gleiche Rechte und Leistungen bieten muss anstatt Sonderregelungen zu schaffen. Wir wollen daher vor allem die Infrastruktur vor Ort an Schulen und Kindertagesstätten ausbauen. Nur so können wir allen Kindern und Jugendlichen einen angemessenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung, Betreuung und soziokultureller Teilhabe ermöglichen.
Zum anderen müssen wir bereits alles daran setzen, dass Menschen erst gar nicht in die Situation geraten, staatliche Hilfe beantragen zu müssen. Wir als SPD wollen, dass gute Arbeit und ein menschenwürdiges Dasein ohne Armut für Jede/n möglich ist. Deswegen verfolgen wir eine Arbeitsmarktpolitik, die Chancen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eröffnet. Dies bedeutet unter anderem einen allgemein gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn anstatt Niedriglöhne, normale sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze anstatt prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Leih-/Zeitarbeit). Zudem muss insbesondere denjenigen geholfen werden, die sich auf dem Arbeitsmarkt schwer tun. Langzeitarbeitslose brauchen daher mehr Förderung, mehr Jobvermittler und bessere Weiterbildungen.
Wenn wir auf diesen beiden Ebenen die richtigen Schritte unternehmen, bin ich mir sicher, dass wir mehr soziale Gerechtigkeit schaffen und mehr Menschen ein menschenwürdiges Leben mit guter Arbeit ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eva Högl, MdB