Frage an Eva Högl von Marco S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Högl,
ich nehme Bezug auf die veröffentlichte Antwort vom 02.08.12, in der Sie leider nicht auf die dazugehörigen Fragen eingehen, sondern nur Grundsätze der Parteipolitik äußern. Davon abweichend bitte ich Sie meine 5 Fragen tatsächlich zu beantworten.
Den Zahlungsaufforderungen des ESM muss innerhalb von 7 Tagen Folge geleistet werden.
1. Wie sehen die demokratischen Strukturen aus, die ein so kurzfristig zu organisierenden Vorgang gewährleisten?
2. Woher stammt das Eigenkapital des ESM?
Eine „Schuldenbremse“ mag auf betriebswirtschaftlicher Ebene ein probates Werkzeug sein, auf volkswirtschaftlicher Ebene jedoch führt ein Sparvorhaben (Lohn-, Rentenkürzung) nicht zum Sparerfolg (Steuerausfall). Das ist doch keine Theorie. Südeuropa liegt doch bereits am Boden.
3. Wie können Ihrer Ansicht nach Sparprogramme die Binnennachfrage stärken?
Die Zinslasten wachsen exponenziell (Zinseszinseffekt). Die reale! Wirtschaft ist von natürlichem Wachstum abhängig. In Deutschland reichte (trotz real sinkenden Löhnen und Lohnstückkosten) das Wirtschaftswachstum der letzten ca. 20 Jahre nicht einmal aus, um die im gleichen Zeitraum abfallenden Zinslasten auszugleichen. Von Schuldentilgung ganz zu schweigen. Die „Krisenländer“ sollen es nun genau so machen wie Deutschland.
4. Kennen Sie ein Rechenmodell, nachdem ein Schuldenabbau durch Wirtschaftwachstum möglich wäre? Wie hoch müsste die Wachstumsrate sein?
Sie schreiben, die Bundestagsabgeordneten dürfen über die Aufnahme eines Mitgliedstaates in den ESM (besonders wichtig) abstimmen. Über konkrete Entscheidungen des ESM werden sie jedoch nur informiert. Nicht so wichtig?
5. Wodurch sind die Entscheidungen des ESM demokratisch legetimiert?
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich die Mühe machen würden, Ihre persönliche Sichtweise dazu darzulegen.
Gruß
Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal abgeordnetenwatch.de zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Ich bin gerne bereit konkret auf Ihre Fragen im Folgenden einzugehen.
Zu den Fragen 1, 2 und 5:
Der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) legt fest, dass der ESM eine Kapitalausstattung von 700 Mrd. Euro hat, welche anteilig von den 17 Eurostaaten zur Verfügung gestellt wird. Im Vertrag ist ebenso festgelegt, dass die Eurostaaten das entsprechende Kapital bei Bedarf binnen sieben Tagen einzahlen müssen.
Der ESM-Vertrag wurde von allen 17 Eurostaaten ratifiziert. So hat in Deutschland der Deutsche Bundestag seine Zustimmung zum ESM am 29. Juni 2012 gegeben. Hierdurch ist der ESM, seine Arbeits- und Funktionsweise, die in den Regelungen des ESM-Vertrags festgelegt sind, durchaus demokratisch legitimiert. Der Deutsche Bundestag hat daher auch der Regelung demokratisch zugestimmt, dass Deutschland Teile seines Anteils am ESM binnen sieben Tagen zu Verfügung stellt, sofern bspw. notleidenden Staaten Darlehen gewährt werden müssen. Die Entscheidungen des ESM sind daher durchaus demokratisch legitimiert.
Dass diese demokratische Legitimation für mich jedoch keineswegs zufriedenstellend ist, habe ich bereits in meiner veröffentlichten Antwort vom 02. August 2012 zum Ausdruck gebracht. Daher engagiere ich mich weiterhin dafür, dass die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament und auch die nationalen Parlamente, mehr Mitspracherechte erlangen.
Zu Frage 3:
Sparprogramme können die Binnennachfrage keineswegs stärken. Im Gegenteil: sie drosseln diese vielmehr und würden daher lediglich die wirtschaftlich schlechte Situation noch weiter verschärfen. Deswegen hat sich die SPD vehement und erfolgreich für Wirtschafts- und Wachstumsprogramme eingesetzt z.B. ein Europäisches Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit oder Europäische Aufbau- und Investitionsfonds zur Stärkung der Binnennachfrage, welche ergänzend zu Sparprogrammen und Schuldenbremsen die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln sollen. Ich hatte bereits in meiner Antwort vom 02. August 2012 dargelegt, dass dies die grundsätzliche Position der SPD ist. Sparen allein wird die Situation nur verschlechtern. Wir müssen in dieses schwierigen Zeiten auch investieren, um die Krise zu überwinden.
Zu Frage 4:
Wirtschaftswachstum hat viele positive Effekte. Die Produktion von Gütern steigt, mehr Menschen werden beschäftigt, die Arbeitslosenquote sinkt, Löhne und Gehälter steigen. Dies wirkt sich positiv auf den Staatshaushalt aus, da sowohl staatliche Einnahmen steigen (bspw. steigen durch höhere Löhne die Steuereinnahmen) als auch staatliche Ausgaben sinken (bspw. sinken Ausgaben in Form von Sozialleistungen). Durch eine wirtschaftlich gute Konjunktur ist es somit durchaus möglich, Schulden abzubauen. Wie hoch das wirtschaftliche Wachstum nun sein muss, damit dies möglich ist, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, u.a.. dem Wachstum, Schulden und Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Staates. Mir persönlich ist kein Rechenmodell bekannt, das all diese Faktoren einschließt.
Ich hoffe, Ihre Fragen nun zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eva Högl, MdB