Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Eva Högl zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Heribert K. •

Frage an Eva Högl von Heribert K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Dr. Högl,

meine Frage betrifft den Bereich „Kapitalmarktsteuer – Transaktionssteuer“:

Problematisch scheint die Einführung einer europäischen Kapitalmarktsteuer ja aus dem Grund zu sein, dass sich das Kapital immer den günstigsten Handelsplatz sucht. Wie kann nun ein Handelsplatz dazu gebracht werden, eine derartige Steuer einzuführen?

1. Könnten nicht Steuereinnahmen aufgrund von Transaktionssteuern direkt dem ESFS oder IWF zufließen – kraft eigener Steuerhoheit, wobei – ähnlich wie bei der Umsatzsteuer – die einzelnen EU-Staaten für Rechnung des ESFS die Steuer eintreiben? Die Steuereinnahmen dienen dazu, systemische Banken und in Schieflage geratene Länder in der Krise zu stützen. Nur systemische Banken in Ländern und Länder als solche, in denen Transaktionssteuern erhoben werden, können von diesem Rettungsschirm Gebrauch machen.

2. Ratingagenturen werden im Rahmen ihrer Länder-Rating-Bewertung überprüfen, ob Transaktionssteuern in dem jeweiligen Staat erhoben werden. Staaten, die keine Transaktionssteuern erheben und aus diesem Grund keinen Leistungsanspruch aus dem Rettungstopf erhalten, werden in ihrer Kreditwürdigkeit aufgrund „gesetzlicher Vorgaben“ herabgestuft. Gleiches geschieht mit den dort geschäftsansässigen Banken. Dann stünde es jedem Land frei, ob es die Transaktionsteuer einführt oder nicht.

3. Die Frage ist, ob und wie man Ratingagenturen dazu bewegen kann, die Frage von Transaktionssteuern mit in deren Bewertung einfließen zu lassen. Zumindest bei der von der EU geplanten Ratingagentur sollte das möglich sein.

Gibt es die Möglichkeit, Ratingagenturen zumindest teilweise einen Rahmen für deren Bewertung vorzugeben? Wer wäre dazu in der Lage?

Mit freundlichen Grüßen

Heribert Karsch

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Karsch,

vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal abgeordnetenwatch.de zu Ratingagenturen und einer Finanztransaktionssteuer.

Sie haben viele gute Ideen zur Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer und der Kontrolle von Ratingagenturen. Einige davon sind bereits aufgegriffen worden bzw. werden aktuell diskutiert.

Viele Gegner einer Finanztransaktionssteuer führen das Argument, Kapital würde immer den günstigsten Handelsplatz suchen, immer wieder heran. Sie halten aus diesem Grund einzig und allein eine europaweite, wenn nicht gar weltweite, Finanztransaktionssteuer für sinnvoll, da sich Spekulationen sonst nur verschieben, nicht aber verringern würden. Weil es leider fragwürdig ist, dass es jemals soweit kommen wird, kann dies nur unser Fernziel sein. Bis dahin müssen wir die Bündnispartner suchen, die sich bereits jetzt bereit erklären, eine solche Steuer einzuführen. Es ist daher sehr erfreulich, dass bislang elf EU-Mitgliedstaaten die Einführung einer Finanztransaktionssteuer planen.
Eine einfache Umgehung dieser Steuer durch das Abwandern in andere Staaten kann durch die Ausgestaltung der Steuer erschwert werden, bspw. durch eine Besteuerung nach dem Sitzlandprinzip. Damit wird besteuert, wer seinen Sitz im Geltungsbereich einer etwaigen EU-Richtlinie hat. Finanzunternehmer müssten hierdurch zukünftig ganz auf ihre europäischen Kunden verzichten, wenn sie die Steuer umgehen wollen. Dass Finanzunternehmen dies tun würden, ist zu bezweifeln. Entsprechende Drohungen seitens der Finanzmarktunternehmen sollten uns also in keinem Fall von unserem Ziel abbringen lassen. Zudem ist die Ergänzung des Sitzlandprinzips durch das sogenannte Ausgabeprinzip sinnvoll. Damit könnte auch der Handel mit Wertpapieren besteuert werden, die bspw. zwischen Händlern in New York und Singapur gehandelt werden, aber im Geltungsbereich der entsprechenden EU-Richtlinie ausgegeben wurden.

Prinzipiell würde die Besteuerung von Finanzmärkten einen sehr wichtigen Beitrag leisten, um die Kosten der Finanzkrise zu bewältigen und den Finanzsektor an den Kosten der Krisenbewältigung zu beteiligen. Das hierdurch eingenommene Geld könnte zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden aber auch Wachstums- und Innovationsprogramme finanzieren. Denn Sparen allein wird Europa nicht aus der Krise bringen.

Die Finanzkrise hat auch die Schwächen der Ratingagenturen schonungslos offengelegt. Dieser "Markt" wird zurzeit lediglich von drei großen amerikanischen Agenturen kontrolliert. Da es sich um private, d.h. gewinnorientierte Unternehmen handelt, kann ihre Objektivität prinzipiell nicht immer vorausgesetzt werden. Zudem haben auch sie die Krise keineswegs kommen sehen.
Das zeigt, dass wir endlich eine unabhängige und öffentliche (europäische) Ratingagentur brauchen. Welche Kriterien für ihre Bewertungen sinnvoll und umsetzbar sind, muss im weiteren Verlauf erörtert werden. Wichtig ist vor allem, dass sie ein Konkurrent der amerikanischen Ratingagenturen sein muss, der in der Lage ist, deren Marktmacht der zu zerstreuen und so für mehr Wettbewerb und Objektivität zu sorgen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Eva Högl, MdB