Frage an Ernst Dieter Rossmann von Henning G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Dr. Rossmann,
ich habe eine grundsätzliche Frage zur Bildungspolitik in Deutschland und möchte gern Ihre persönliche und politische Position erfragen.
Wieso ist es in Deutschland nicht möglich, in allen Bundesländern einen gleichen Bildungsstandard (KiTa, Schule, Uni usw.) zu gewährleisten? Kann die Bildung nicht in der Hand des Bundes liegen, um somit gleiche Voraussetzungen für alle zu bieten? Diese Kleinstaaterei und das Festhalten am Föderalismus in diesem Punkt machen meiner Meinung nach keinen Sinn und fördern eher noch das soziale Ungleichgewicht im Land. Eine 1 in Mathe im Norden ist eine 3 im Süden unseres Landes – hier kann doch augenscheinlich irgendetwas nicht stimmen. Sind wir nicht alle Bürger eines Staates, denen laut Grundgesetz gleiche Rechten und Pflichten auferlegt sind?
Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus!
Freundliche Grüße, Henning Giese
Sehr geehrter Herr Giese,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Da sprechen Sie wirklich einen wunden Punkt deutscher Bildungspolitik an.
Eine Bildungspolitik bzw. Schulpolitik, die 100%ig in der Zuständigkeit des Bundes liegt, wird es in absehbarer Zeit nicht geben, da unsere Bundesrepublik Deutschland föderalistisch strukturiert ist. Eine Bundesschulpolitik hätte im Vergleich zur heutigen Regelung zahlreiche Vor- und Nachteile vorzuweisen, über die man dicke Wälzer schreiben könnte. Da die Länder einer 100%igen Bundesschulpolitik in absehbarer Zeit nicht zustimmen würden, macht es keinen Sinn, darüber zu diskutieren.
Was man aber schon seit über 40 Jahren versucht, ist über die KMK einen gemeinsamen Rahmen für das allgemeinbildende Schulwesen abzustecken, damit die Unterschiede von Land zu Land nicht zu groß sind. Im Laufe der Jahre und vor allem nach dem ersten PISA-Test haben sich die Bundesländer sogar auf gemeinsame Bildungsstandards geeinigt.
Bundesweit geltende Bildungsstandards gibt es seit ca. 5 Jahren
- für den Primarbereich (Jahrgangsstufe 4) für die Fächer Deutsch und Mathematik,
- für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9) für die Fächer Deutsch, Mathematik und Erste Fremdsprache (Englisch/Französisch),
- für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) für die Fächer Deutsch, Mathematik, Erste Fremdsprache (Englisch/Französisch), Biologie, Chemie und Physik.
Im Oktober 2007 hat die Kultusministerkonferenz die Entwicklung von Bildungsstandards und Aufgabenpools für die gymnasiale Oberstufe in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch, Französisch, Biologie, Chemie und Physik beschlossen. Diese befinden sich derzeit in Erarbeitung.
Sie sehen also, dass man sich in Richtung Vergleichbarkeit des Abiturs – nicht zuletzt parallel zur weiteren Entwicklung eines europäischen Hochschulraums – bewegt. Allerdings sind das Prozesse, bei denen nicht von heute auf morgen, sondern stufenweise das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann. Nähere Informationen zu den gemeinsamen Bildungsstandards, die ich übrigens sehr begrüße, finden Sie im Internet unter http://www.kmk.org/bildung-schule.html .
Auch in der frühkindlichen Bildung gibt es seit 2004 einen von der KMK beschlossenen „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“. Je mehr die Bedeutung der frühkindlichen Bildung zunimmt, desto mehr wird es auch zu gemeinsamen Bildungsstandards im Elementarbereich kommen.
Soweit meine Ausführungen zur Schulpolitik.
Als Bundesbildungspolitiker wünsche ich mir mehr Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern. In diesem Zusammenhang bedauere ich sehr, dass auf Druck der Ministerpräsidenten aus den südlichen Bundesländern mit der Föderalismusreform I verboten wurde, dass der Bund den Ländern in Sachen Schulpolitik finanzielle Hilfen zukommen lassen kann. Dies halte ich für eine große Dummheit, die die SPD leider nicht verhindern konnte. Die Folge davon wird sein, dass das 4-Milliarden-Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen, welches unter „Rot-Grün“ aufgelegt wurde und mittlerweile von nahezu allen Bildungspolitikern gelobt wird, nach seinem Auslaufen Ende 2009 nicht mehr aufgelegt werden kann.
Dass das Kooperationsverbot im Hochschulbereich auch noch kommt, konnte die SPD-Bundestagsfraktion glücklicherweise verhindern. Darauf sind wir sehr stolz und nur dadurch konnte der Hochschulpakt 2010/2020 beschlossen werden, mit dem wir einmal 90.000 und ab 2011 nochmal 275.000 zusätzliche Studienanfängerplätze schaffen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB