Frage an Enno Hagenah von Henryk W. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Hagenah,
die meiner Meinung nach unlogische und durch die wissenschaftliche Faktenlage unbegründete Überreaktion vieler Grünen-Politiker auf die aktuelle "Kinderleukämie-KKW"-Studie zeigt zwar, dass noch immer viel Ideologie im Spiel zu sein scheint - oder aber ein wirklich gravierender Mangel an Verständnis von Statistik -, aber dennoch wage ich es mal eine Frage an Sie zu stellen, die mich schon seit längerem in Bezug auf die Grünen umtreibt.
Wäre es nicht gerade im Hinblick auf die scheinbar dramatische CO2-Problematik gerade seitens der Grünen wünschenswert, sich für die Kernenergie einzusetzen? Natürlich ist das Endlagerungsproblem gravierend und man könnte sich daher zu Recht fragen, ob Kernenergienutzung sinnvoll wäre, hätte man noch keine Kernkraftwerke. Nun muss aber so oder so eine Endlagerungslösung gefunden werden, daher sollte man doch die Vorteile, die die Kernenergie in Bezug auf CO2-Emissionen gegenüber fossilen Brennstoffen bietet, auch nutzen oder etwa nicht? Man kann zwar argumentieren, dass man so nur relativ wenig Emissionen einsparen kann, aber ist nicht jeder Beitrag wichtig? Außerdem wären zusätzliche Kernkraftwerke in der Hinsicht eine Abhilfe.
Für eine Antwort wäre ich Ihnen dankbar, denn eigentlich stehe ich den Grünen in vielen Themenbereichen sehr nahe, aber ausgerechnet die Haltung Ihrer Partei zur Kernenergie ist meiner Meinung nach unökologisch. Dass eine "Grüne" Partei ihre Kernkompetenz einer Ideologie opfert, finde ich paradox.
Mit freundlichen Grüßen,
Henryk Wicke
Lieber Herr Wicke,
Gern will ich Ihre Frage beantworten:
Das scheinbare Paradoxon lässt sich leicht auflösen. Der Weg hin zu mehr und länger laufenden Kernkraftwerken zur Minderung der CO2 Problematik ist kein Ausweg sondern eine gefährliche Sackgasse. Jede Tonne abgebrannter Plutoniumstäbe, jeder Weiterbetrieb eines Kernkraftwerkes, insbesondere vom älteren Typus ohne jedwede haltbare Sicherung gegenüber terroristischen Anschlägen heutiger Prägung sind eine kurz-, mittel- und vor allem langfristige Gefährdung der umgebenden Regionen. Deshalb muss es unser gemeinsames Ziel sein, so schnell wie nur irgend möglich auf die Kernenergie mit ihren nicht dauerhaft beherrschbaren Risiken (allein schon wegen des menschlichen Faktors, der in jeder Form von Betrieb aber auch bei der notwendigen sicheren Langzeitlagerung zwangsläufig irgendwann durchschlägt)nicht nur bei uns in Deutschland, sondern weltweit zu verzichten.
Dies wird um so besser und schneller gelingen, wenn wir mit unserer weltweit am weitesten fortgeschrittenen Umstellung auf regenerative Energien und Effizienzwirtschaft noch konsequenter als bisher fortfahren, und auf diese Art und Weise im doppelten Sinne zu Gewinnern werden. Zum einen haben wir den Nutzen einer möglichst schnellen Abkehr von den atomaren Risiken in unserer unmittelbaren Nähe und haben auch "nur" eine absehbare Menge von atomaren Altlasten zu bewältigen. Zum anderen zeigt die rasante technologische und wirtschaftliche Entwicklung der regenerativen Energiewirtschaft in Deutschland, dass wir mit diesem Weg zu technologischer Weiterentwicklung und wirtschaftlich nachhaltigen Erfolgen auf dem Weltmarkt kommen. Die Wirtschafträume, die mit derart nachhaltig und überall einsetzbaren Technologien konsequent an die Lösung der Energieprobleme heran gehen und nicht an alten Irrwegen kleben, werden zu Gewinnern im alternativlosen weltweiten Kampf gegen den Klimawandel.
(P.S. Im globalen Rahmen sind die geringen weltweiten Ressourcen an Plutonium auch für Menschen mit einem weniger starken Problembewußtsein gegenüber der Kernenergie ein zusätzliches Argument in meinem dargestellten Sinne, weil schlicht der Beitrag der Kernenergie an der CO2 Minderung im selbst bei einem weiteren Ausbau bei uns mittelfristig marginal bleiben würde.)
Mit freundlichen Grüßen
Enno Hagenah MdL