Frage an Emmi Zeulner von Michael H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Zeulner,
sehr interessiert habe ich Ihren Kommentar zum Thema Gen-Mais gelesen. Ich verstehe jedoch nicht, wie Ihr Votum im Bundestag die von Ihnen angesprochenen regionale Selbstbestimmung sicherstellt. Schließlich halten sich Pollen und Insekten weder an regionale noch nationale Grenzen. Ist somit eine regionale Selbstbestimmung überhaupt möglich?
Weiterhin Interessiert mich in diesem Zusammenhang, wie Sie Konzerne wie z.B. Monsanto nach Unterzeichnung der TTIP-Abkommen daran hintern wollen, genmanipulierte Pflanzen in der EU, Deutschland und insbesondere Bayern, durchzusetzen.
Schließlich stellt dieses Vebot eine Wettbewerbsbenachteiligung dieses Konzerns dar, wogegen dieser ein Schiedsgericht anrufen kann und vermutlich auch "Recht" bekommt. Wie deckt sich eine derart absehbares Szenario mit Ihrem Abstimmungsverhalten bzgl. den Schiedgerichten und Ihrer Aussage zur regionalen Selbstbestimmung?
Ich erbitte eine stichhaltige Antwort die auf Fakten basiert.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hellmuth
Sehr geehrter Herr Hellmuth,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerade hinsichtlich Ihrer Befürchtung bezüglich Gentechnik haben Sie meine Zusicherung, dass ich darauf achten werde, dass unsere hohen Standards nicht unterlaufen werden. Die CSU steht auch weiterhin für ein gentechnikanbaufreies Bayern. Wir wollen keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf unseren Feldern, denn wir erkennen die Vorbehalte der Bürgerinnen und Bürger sowie der Landwirte gegenüber der grünen Gentechnik an. Das konnten wir auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition so durchsetzen und verankern. Wie von der CSU vorgeschlagen, können die Mitgliedstaaten künftig selbst entscheiden, ob sie den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen erlauben oder nicht. Das ist ein großer Erfolg für die CSU und freut mich persönlich besonders. Dadurch kann Bayern künftig gentechnikanbaufrei bleiben. Grundsätzlich muss man die Frage der Zulassung von GVO von der Frage des Anbaus trennen. Aktuell wird in Bayern und ganz Deutschland kein gentechnikverändertes Produkt angebaut. Das liegt unter anderem daran, dass wir in Deutschland - auch aufgrund der Vorbehalte der Bevölkerung - das strengste Gentechnikgesetz weltweit haben, mit sehr rigiden Abstands- und Haftungsregeln. Deutschland hat sich in Brüssel bei der Abstimmung über die Zulassung der Genmaislinie 1507 enthalten. Die CSU hätte sich hier ein klares Nein gewünscht.
Der Kompromiss mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten sieht nun zwei Lösungen vor, mit dem Mitgliedstaaten für gentechnisch veränderte Pflanzen eine Ausnahmeregelung, ein sogenanntes „opt out“, erwirken können. So können Unternehmen eine Region bereits im Zulassungsverfahren aus einer Beantragung herausnehmen. Tun sie dies nicht, haben die Mitgliedstaaten die Gelegenheit, den Anbau etwa aus sozioökonomischen Gründen oder aufgrund von agrarpolitischen Zielen zu untersagen. Zusätzlich müssen Länder, die den Anbau von Gentechnikpflanzen zulassen, deren Übergreifen auf angrenzende Gebiete verhindern. Hier setzt auch Ihre Frage an. Eine hundertprozentige Sicherheitsgarantie werden wir nie haben. Jedoch ist durch die Einrichtung von Pufferzonen und der Androhung von hohen Strafzahlungen der indirekte Druck auf die Anbauer deutlich erhöht. Gerade in Grenzgebieten wird dieser Druck deutlich zu spüren sein und wir hoffen einer ungewollten Verbreitung so entgegenzuwirken. Selbstverständlich nehme ich Ihre Bedenken sehr ernst. Auch im Text der neuen Regelungen ist festgehalten, dass die EU-Länder in jedem Fall sicherstellen müssen, dass der GVO-Anbau keine anderen Erzeugnisse verunreinigt und besonders darauf achten müssen, grenzüberschreitende Kontaminierungen durch GVO zu verhindern.
Entscheidender Erfolg ist, dass künftig die Mitgliedstaaten - trotz einer europäischen Zulassung - nationale Anbauverbote auf ihrem Hoheitsgebiet erlassen können.
Im Zusammenhang mit der TTIP möchte ich betonen, dass weder europäische noch amerikanische Schutzstandards im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich verhandelbar sind. Dies hat zur Folge, dass es in Deutschland auch weiterhin kein Gen-Essen und Hormonfleisch geben wird. Denn es wird nur solche Importe geben, welche den Regelungen und Vorschriften der EU entsprechen. Importe sind somit nur zulässig, wenn diese den europäischen Vorschriften entsprechen.
Auch die von Ihnen angesprochenen Schiedsgerichte betrachte ich mit großer Skepsis. Jedoch möchte ich betonen, dass diese noch nicht rechtlich fixiert sind und ein Szenario wie von Ihnen beschrieben kann es nur dann geben, wenn die Vertragspartner sich auf die Schiedsverfahren einigen. Ich bin der Ansicht, dass Investoren grundsätzlich auf den Rechtsweg vor nationalen ordentlichen Gerichten verwiesen werden sollen. Ich halte spezielle Investitionsschutzvorschriften und Streitbeilegungsmechanismen im Verhältnis Investor - Staat zwischen der EU und den USA für verzichtbar und mit hohen Risiken verbunden. Sehr problematisch ist für mich hierbei die Tatsache, dass derzeit noch eine große Rechtsunsicherheit diesbezüglich herrscht. Denn bislang ist nicht geklärt, wer als Richter fungieren soll und wie die gesetzliche Ausgestaltung aussehen soll. Ich sehe somit zum jetzigen Zeitpunkt ein rechtmäßiges Verfahren nicht als gewährleistet an. Internationale Schiedsverfahrensregelungen dürfen in keinem Fall dazu führen, dass das Recht angemessene und demokratische Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu treffen, ausgehebelt oder beeinträchtigt werden. Die von Ihnen angesprochenen Schiedsgerichtsverfahren sind eigentlich für Staaten gedacht, die ein instabiles politisches System haben und somit den Schutz der Investoren vor willkürlichen Maßnahmen seitens der Regierungen zu gewährleisten. Man mag über die TTIP denken wie man will, aber dass wir, als Bundesrepublik Deutschland, kein solch instabiles System haben, sollte außer Frage stehen. Deshalb bin ich der Ansicht, dass ein spezieller Schutz- und damit spezielle Investitionsschutzvorschriften- in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht erforderlich sind. Beide Partner haben einen angemessenen Rechtsschutz und können diesen vor nationalen Gerichten gewähren.
Bei aller Skepsis finde ich es wichtig, das Handelsabkommen nicht ausschließlich von der Gefahrenseite her zu diskutieren. Die Verträge können auch einen erheblichen Beitrag dazu leisten, unsere Standards zu sichern. Je größer der Wirtschaftsraum ist, in dem ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau gilt, und je einheitlicher die Standards sind, desto weniger geraten wir durch unserer Standards unter Wettbewerbsdruck. Gerade auch die Beseitigung von Zöllen und Mehrfachprüfungen verbessern die Chancen unserer bayerischen kleinen und mittelständischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Ein Verzicht auf doppelte Tests und Zertifizierungen brächte Kosteneinsparungen und eine deutliche Entlastung des Mittelstandes. Gerade eine ausgewogene TTIP könnte Maßstäbe setzen, an denen sich die Verhandlungen über den Freihandel weltweit orientieren könnten. Die Verhandlungen müssen die europäischen Werte und Normen sichern. Ansonsten wird das Abkommen keine breite politische Unterstützung finden können.
Abstriche bei den Schutzniveaus der öffentlichen Daseinsvorsoge und unseren hohen europäischen Standards werde ich hierbei jedoch zu keiner Zeit unterstützen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Emmi Zeulner, MdB