Frage an Elvira Drobinski-Weiß von hans j. s. bezüglich Kultur
1. Gleichstellung von Schulen in freier Trägerschaft (hier insbesondere Waldorfschulen) mit öffentlichen Schulen:
Ungeachtet der weltweiten fachlichen Anerkennung der Waldorfschulen und der verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Schulen in freier Trägerschaft mit den staatlichen Schulen bedarf es dauernder Bemühungen auf politischem und administrativem Felde, dass diesem Umstand bei der Schulaufsicht und insbesondere bei der Finanzierung der Schulen entsprochen wird. Die Waldorfschulen in Deutschland erhalten staatliche Zuschüsse, die aber die Betriebskosten nur zum Teil decken. Demnach ist die verfassugsgemässe Gleichstellung nicht vollzogen.
Was beabsichtigen Sie, in diesem Zusammenhang zu tun?
2. Direkte Demokratie
§ 20 Absatz 2 des Grundgesetzes lautet: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide sind ein Teil des demokratischen Lebens.
An keiner Stelle ist erkennbar, dass das Grundgesetz zur Anwendung kommt. Noch vor ein paar Monaten habe ich selber mit eigenen Augen in der Badischen Zeitung gelesen, der Bundeskanzler habe sich geäussert, Volksabstimmungen seien in Deutschland ungesetzlich (!).
Was beabsichtigen Sie, in diesem Zusammenhang zu tun?
3. Atomwaffen
Heute befinden sich noch etwa 480 US-Atombomben der B-61 Familie (6-fache Sprengkraft der gestern vor 50 Jahren abgeworfenen Bombe) in Europa, eine grosse Anzahl davon in Deutschland. Laut Forsa-Umfragen erwarten 89 Prozent der Deutschen eine dringende Beseitigung dieser Waffen, die unsere Regierung aufgrund des Atomwaffen-Sperrvertrages von 1968 Artikel II ohnehin nicht auf deutschem Boden hätte akzeptieren dürfen. Weitere Information: http://www.ippnw.de/index.php?/s,1,52,62/o,article,1094/
Was beabsichtigen Sie, in diesem Zusammenhang zu tun?
Sehr geehrter Herr Struck,
Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten:
1. Gleichstellung von Schulen in freier Trägerschaft (hier insbesondere Waldorfschulen) mit öffentlichen Schulen:
Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind für alle Fragen des Schulwesens die Länder zuständig. Dies gilt selbstverständlich auch für die Frage der Anerkennung von privaten Schulen, der Qualitätssicherung oder auch ihrer finanziellen Unterstützung mit öffentlichen Mitteln. An diesen Fragen ist der Bund über Konsultationen in der Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hinaus nicht beteiligt.
Der Bund hat auf Initiative der SPD als Reaktion auf die Ergebnisse der PISA-Studien ebenfalls die Schaffung nationaler Bildungsstandards und die kontinuierliche Überprüfung dieser Standards durch eine unabhängige Evaluation vorgeschlagen. Leider ist dieser Vorschlag von den unionsgeführten Ländern bisher abgelehnt worden.
Dennoch konnte der Bund in den vergangenen Jahren wichtige Impulse zur Reform des deutschen Schulsystems geben.
Die SPD ist der Überzeugung, dass wir erstens die frühkindliche Erziehung weiter ausbauen müssen, weil hier die Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungsbiographie mit gelegt werden. Dafür müssen wir die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern weiterentwickeln und das Angebot zur Tagesbetreuung weiter ausbauen.
Wir haben den umfassenden Ausbau der Tagesbetreuung in Angriff genommen und werden bis 2010 über 230.000 neue Plätze geschaffen haben. Wir wollen so ab 2010 einen Rechtsanspruch ab dem 2. Lebensjahr ermöglichen.
Zweitens müssen Pädagoginnen und Pädagogen mehr Zeit für den Unterricht, mehr Zeit für die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung haben. Das bedeutet auch mehr Zeit für eine Pädagogik der Vielfalt und für Projekte, wobei wir uns hier noch stärker um Kinder mit Migrationshintergrund bemühen müssen.
Mit unserem Ganztagsschulprogramm gibt der Bund 4 Mrd. Euro zum Auf- und Ausbau von bis zu 10.000 Ganztagsschulen an die Länder. Damit haben wir einen wichtigen Schritt getan, um die individuelle Förderung zu verbessern und den Eltern einen verlässlichen Zeitrahmen zu geben.
Drittens ist es von besonderer Bedeutung, dass wir die gleichen Bildungschancen für alle sicherstellen. Gerade in Deutschland hängt der Bildungserfolg noch zu sehr von der sozialen und ökonomischen Situation der Eltern ab. Dafür brauchen wir neben der individuellen Förderung auch eine bessere Durchlässigkeit der Schulformen wie zwischen beruflicher Bildung und Hochschule. Für die SPD darf der Bildungserfolg nicht primär vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein, weil nur so etwa Nachhilfestunden oder später ein Studium finanzierbar werden. Wir stehen hingegen für die Chancengleichheit für alle in jeder Phase der Bildungsbiographie. Dafür kämpfen wir.
2. Direkte Demokratie
Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid. So steht es auf Seite zehn in unserem Wahlmanifest. Die SPD will mehr demokratische Beteiligungsrechte für alle Bürgerinnen und Bürger und mehr und effektivere direkte Mitbestimmung.
Die SPD ist die einzige Partei, die sich seit den 70er Jahren konsequent für mehr Demokratie eingesetzt hat. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv mitentscheiden, mitgestalten und mitverantworten.
Deshalb haben wir mit unserem Koalitionspartner einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Die hierfür erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für die erforderliche Änderung unseres Grundgesetzes scheiterte vor allem an der ablehnenden Haltung der Union.
Aber wir werden weiter dafür einstehen, dass mit Volksinitiativen, Volksbegehren, Volkentscheiden und Referenden den Bürgerinnen und Bürgern endlich mehr direkter Einfluss in unserer Demokratie gegeben wird.
3. Atomwaffen
Die USA haben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts bereits 95 Prozent ihrer substrategischen Nuklearwaffen in Europa abgebaut. Trotzdem muss aus unserer Sicht die nukleare Abrüstung fortgesetzt werden, so wie es die Bundesregierung auch auf der Nichtverbreitungsvertrags (NVV)-Überprüfungskonferenz im Mai dieses Jahres in New York gefordert hat.
Unser erklärtes Ziel bleibt die weitere Reduzierung dieser Waffen bis hin zur vollständigen Abschaffung!
Die SPD-Bundestagsfraktion hat im April 2005 im Vorfeld der NVV-Überprüfungskonferenz gemeinsam mit dem Koalitionspartner einen Antrag im Bundestag verabschiedet (Bundestags-Drucksache 15/5254), in dem die Einhaltung der russisch-amerikanischen „Presidential Nuclear Initiative“ aus dem Jahr 1991/92 gefordert wird, die die transparente Reduzierung und Demontierung der taktischen Kernwaffen in Europa vorsieht.
Darüber hinaus halten wir an unserem langfristigen Ziel eines völkerrechtlichen Verbots des Einsatzes und der Herstellung von Massenvernichtungswaffen weltweit fest.
Mit freundlichen Grüßen
Elvira Drobinski-Weiß