Frage an Edith Sitzmann von Sara M. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Sitzmann,
da sich vor einiger Zeit wieder ein Unfall in einem Atomkraftwerk, diesesmal in Japan, ereignet hat, würde ich es für notwendig halten die Atomkraftwerke schneller abzuschalten.
Dazu habe ich einige Fragen an Sie.
Ist es überhaupt möglich Atomkraftwerke schneller und komplett abzuschalten?
Was passiert dann mit den Rückständen der Atomkraftwerke?
Wo werden diese entsorgt?
Können regnerative Energien ganz Deutschland mit Strom versorgen und haben diese eventuell auch negative Auswirkungen auf die Umwelt?
Wie stellen Sie sich die Abschaltungen der Atomkraftwerke vor?
Wie wollen Sie den daraus resultierenden Energiebedarf decken?
Mit freundlichen Grüßen
Sara Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
haben Sie besten Dank für Ihre Anfrage vom 22. Dezember, in der Sie auf das Problem der Atomkraft und deren Folgen in Deutschland eingehen.
Atomkraft ist eine unberechenbare Risikotechnologie. Anders als in Tschernobyl handelte es sich in Fukushima um die Atomtechnologie eines modernen Industriestaates, deren Sicherheitsmängel durch eine furchtbare Naturkatastrophe offenbart wurden. Die schrecklichen Ereignisse in Japan zeigten, dass der Mensch bei dieser Risikotechnologie im wirklichen Ernstfall an seine Grenzen stößt und weder durch Sicherheitstechnik noch durch Menschenhand letztlich beherrschbar ist.
Aus dieser Erkenntnis kann es nur die eine einzige logische Folgerung geben: Wir müssen raus aus dieser Risikotechnologie und das so schnell wie möglich.
Daher beantworte ich Ihnen gerne Ihre Fragen:
Ist es überhaupt möglich Atomkraftwerke schneller und komplett abzuschalten?
Im Allgemeinen wird ein Reaktor durch das Einfallen oder vollständige Einfahren der Steuerstäbe zwischen oder direkt in die Brennelemente schnell abgeschaltet. Durch diese Maßnahme wird die nukleare Kettenreaktion unterbunden und die Leistung des Reaktors reduziert sich auf die Nachzerfallswärme. Während dieser Zeit muss diese Leistung durch Kühlung aus dem Reaktor abgeführt werden, um eine Kernschmelze und eine Beschädigung der Abschirmung zu verhindern. Fukushima hat gezeigt, dass nach dem Ausfall der Notstromversorgung eine Kernschmelze ausgelöst werden konnte und dies dann zu einer katastrophalen Unfallserie führte. Das kann auch hierzulande bei uns passieren. Das zunehmende Alter macht die AKWs störanfälliger. So gab es allein in den 17 deutschen Atomkraftwerken über 4.000 meldepflichtige Zwischenfälle.
Im Lichte der Ereignisse von Fukushima hat sich die Bundesregierung dafür entschieden die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in Deutschland zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Hierzu wurden mit dem im August 2011 in Kraft getretenen 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes die sieben ältesten Kernkraftwerke und das Kernkraftwerk Krümmel komplett abgeschalten. Für die drei jüngsten Anlagen erlischt die Genehmigung zum Leistungsbetrieb spätestens im Jahr 2022; für die übrigen Anlagen gestaffelt bis spätestens 2015/2017/2019/2021.
Diese Schritte sind notwendig, aber nicht hinreichend. Sie sind nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zum Ende der Atomkraft und für einen grundlegenden Umbau der Energieversorgung.
Was passiert dann mit den Rückständen der Atomkraftwerke? Wo werden diese entsorgt?
Die Endlagersuche, die Sie mit dieser Frage ansprechen, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die Wissenschaft und Politik zu bewältigen haben. Die Endlagerung von hochradioaktivem Müll ist unter den folgenden Prämissen anzugehen:
- Es sollten nur Ton- und Salzgesteine als Endlagermedium in die Suche einbezogen werden.
- Und aus Sicherheitsgründen müsse man ein fest verschlossenes Endlager in tieferen geologischen Formationen planen.
Wir Grünen sprechen uns ausdrücklich gegen die sogenannten Rückholbarkeit der Abfälle aus. Außerdem müsste der Bau eines solchen Endlagers und die Kontrolle voneinander getrennt werden.
Das Verfahren nach der Endlagersuche sollte stufenweise geschehen. So schlagen wir vor, dass in einer ersten Phase der Bundestag und Bundesrat ein Gesetz verabschiedet, das den Zeitplan und den Ablauf der Standortsuche für ein Endlager festlegt, die Finanzierung und die Zuständigkeiten im Auswahlverfahren regelt und Instrumente zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren vorschreibt. In der zweiten Phase soll auf der Basis vorhandener geologischer Daten vier mögliche Standortgebiete ausgewählt werden. Daraufhin soll in der dritten Phase die Standorte mit Hilfe etablierter Verfahren (geophysikalische Methoden, Bohrungen) näher untersucht werden. Abschließen soll in der vierten Phase die untertägige Erkundung der Standorte mit dem Ziel der Auswahl eines Endlagerstandorts in Deutschlands.
Das Verfahren nach der Endlagersuche muss in jedem Fall aber auch transparent geschehen. Die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands haben ein Recht darauf einen konstruktiven Beitrag leisten zu dürfen. Denn beides, die Beteiligung der Öffentlichkeit in einer Art nationalem Endlagerdialog und die fortlaufende Legitimierung der Verfahrensschritte durch den Bundestag, sind unverzichtbar, um die Endlagersuche gesellschaftlich, politisch und nicht zuletzt sicherheitstechnisch erfolgreich zu gestalten.
Können regenerative Energien ganz Deutschland mit Strom versorgen und haben diese eventuell auch negative Auswirkungen auf die Umwelt?
Eine vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energie ist innerhalb der nächsten Jahrzehnte machbar, sichtbar und bezahlbar. Allerdings müssen dafür schnell die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Mit den grünen Maßnahmen könnte der Stromverbrauch in Deutschland bis 2020 zu deutlich über 40 Prozent aus erneuerbaren Energien und zu 30 Prozent aus hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gewonnen werden. Die Zukunft der Energieversorgung liegt in einer vielfältigen Stromerzeugung, vor allem aus erneuerbaren Energien und effizienter Kraft-Wärme-Kopplung, in unabhängigen Stromnetzen und fairen Wettbewerbsbedingungen.
Wie stellen Sie sich die Abschaltungen der Atomkraftwerke vor?
Gut 20 Prozent des Stromverbrauchs wurden in den letzten Jahren durch Atomstrom abgedeckt. Der Wegfall der AKWs innerhalb von 11 Jahren kann durch einen forcierten Ausbau erneuerbarer Energien und den Zubau flexibler und effizienter Gas-Kraftwerke kompensiert werden. Das Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass zusätzlich zu den Erneuerbaren 5.000 Megawatt neue Kraftwerksleistung auf Gasbasis ausreichen um die wegfallende Atomkraft zu ersetzen.
Zudem empfiehlt sich das grüne Energiekonzept. Es zeigt, wie es geht - mit den „drei großen E“: Effizienz, Einsparung und Erneuerbare.
Wie wollen Sie den daraus resultierenden Energiebedarf decken?
Obwohl die acht gefährlichsten AKWs stillgelegt wurden, erzielte Deutschland im ersten Halbjahr 2011 einen Exportüberschuss beim Strom. Das heißt, dass die Einbrüche bei der konventionellen Stromerzeugung durch erneuerbare Energien bereits ausgeglichen werden. Gut 20 Prozent des Stroms stammen schon heute aus Wind- und Wasserkraft, Solarenergie und Biomasse. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) kommt zu dem Ergebnis, dass auch bei 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien die Stromversorgung jederzeit sichergestellt ist. Dieser Weg ist nicht nur klimaverträglicher, sondern auch kostengünstiger als das Festhalten an Atom und Kohle.
Liebe Frau Müller,
eine klimafreundliche Energieversorgung ohne Atom ist möglich. Deutschland ist voller Energie und kann sowohl auf Atomkraftwerke als auch auf zusätzliche Kohlekraftwerke verzichten. Dafür müssen wir jetzt umsteuern und die Energiewende vorantreiben. Dabei können auch Sie persönlich aktiv zu beitragen, indem Sie zu einem Stromanbieter wechseln, der Ökostrom anbietet. Oder in dem Sie die Energiewende mitgestalten und Ökostrom selber machen.
Für uns GRÜNE ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, lassen Sie sie uns gemeinsam angehen!
Mit freundlichen Grüßen
Edith Sitzmann