Frage an Eckhard Pols von Kerstin M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Pols,
ich werde zukünftig in einem Beruf arbeiten, in dem ich viele andere Menschen treffe und für sie da sein kann. Es kann nicht sein, dass das Gesetz mir jetzt vorschreibt, wie ich mich impfen lassen muss, weil ich sonst in meinem Beruf nicht mehr arbeiten darf. Die Impfentscheidung für mich selber muss meine Entscheidung bleiben – ich habe sie nach langer Überlegung verantwortungsvoll getroffen. Zwang ist beim Impfen der falsche Weg – Deutschland braucht keine Impfpflicht! Welche Meinung vertreten Sie dazu? Nehmen Sie das Thema als wichtiges Belange auf der Tagesordnung ihrer Arbeit mit auf?
Mit freundlichen Grüßen
K. M.
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse.
Natürlich kann ich die Emotionalität bei diesem Thema sehr gut nachvollziehen. Die Angelegenheit bewegt. Als Bundestagsabgeordneter erreichen mich fast täglich Nachrichten sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern der Impfpflicht. Viele der Argumente beider Seiten kenne ich und ich möchte Ihnen auf diesem Weg zusichern, dass ich nicht zu denen gehöre, die Impfpflichtgegner reflexartig vorverurteilen. Jedoch beobachte ich die sich aktuell häufenden Meldungen über Masernfälle in Deutschland mit Sorge. Bei Zahlen des Robert-Koch-Instituts, nach denen die Masernfälle im letzten Jahr rückläufig waren, handelte es sich leider um eine nur vorübergehende Entwicklung, denn in diesem Jahr haben einige Bundesländer bereits jetzt mehr Masernfälle gemeldet als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In der Folge mussten Schulen geschlossen werden und der Unterricht fiel aus. Kindertagesstätten konnten tagelang keine Kinder aufnehmen und mussten aufgrund der Ansteckungsgefahr Eltern und Kinder nach Hause schicken.
Daher bin ich der Auffassung, dass die Politik in diesem Fall eine Antwort haben muss. Die Einführung der Masern-Impfpflicht halte ich, solange keine medizinischen Anhaltspunkte dagegen sprechen, für die richtige Antwort. Gern begründe ich Ihnen, warum ich mich – obwohl ich das Gut der Selbstbestimmtheit des Einzelnen in anderen Bereichen für unverrückbar erachte – für die Masern-Impfpflicht ausspreche.
Bei Masern handelt es sich um eine Virusinfektion mit teilweise schwerwiegenden, oft erst Jahre nach der Erkrankung auftretenden, Folgen. Eine wirksame Behandlung von Erkrankten ist nicht möglich. Impfungen gehören nun mal zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Gleichzeitig schützt die Impfung nicht nur die geimpften Personen selbst, sondern insbesondere indirekt auch die Menschen, die sich nicht selbst impfen lassen können, so z. B. Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat oder anderweitig erkrankte Menschen. Angesichts dessen halte ich es für richtig, dass wir nun einen Schritt weitergehen und derzeit prüfen, wie wir eine Impfpflicht gegen Masern einführen können. Außerdem ist eine Impfpflicht in Deutschland nicht unbekannt. Bis 1976 gab es in Deutschland die Pockenimpfpflicht. Inzwischen sind die Pocken dank der Impfung weltweit ausgerottet.
Auch wenn wir in den letzten Jahren einiges für die Prävention in Deutschland getan haben, besteht bei manchen Schutzimpfungen noch Verbesserungsbedarf, um die sogenannte Herdenimmunität zu gewährleisten. Diese, vor allem für Menschen, die sich nicht impfen lassen können, wichtige Immunität tritt ein, wenn 95 Prozent der Bevölkerung über einen entsprechenden Impfschutz verfügen. Insbesondere die Quoten der Erwachsenen bei der Masernimpfung liegen aber noch unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So veröffentlichte die WHO erst kürzlich aktuelle Daten zur Ausbreitung von Masern und damit zusammenhängenden Todesfällen: 2018 wurden weltweit insgesamt gut 350.000 Masern-Erkrankungen gemeldet, mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher liegen. Auch steigt die Infektionsrate rasant an - weltweit kam es zu einer Verdopplung der Infektionen, in Europa sogar zu einer Verdreifachung. Insgesamt versterben in Industrieländern etwa 1 bis 3 Personen pro 1 000 Maserninfektionen an den Masern.
Der Lebendimpfstoff gegen Masern wird seit über 40 Jahren weltweit verabreicht. Die seitdem erhobenen Daten haben gezeigt, dass er sehr wirksam und sicher ist. Die heutigen Impfstoffe sind sicherer als je zuvor. Pharmahersteller haben auch auf eine heftige Debatte reagiert, wonach durch in Impfstoffen enthaltenes Quecksilber für Autismus verantwortlich sei. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, das US-amerikanische "Institute of Medicine" sowie die europäische Arzneimittelbehörde EMA sind inzwischen allerdings unabhängig voneinander zu dem Schluss gelangt, dass die verfügbaren Studien gegen einen solchen Zusammenhang sprechen. Obwohl durch Nahrung und die Umwelt Quecksilber in deutlich höheren Mengen aufgenommen wird, hat die Industrie reagiert. Für alle generell empfohlenen Schutzimpfungen sind inzwischen quecksilberfreie Impfstoffe verfügbar.
Nach geltendem Arzneimittelrecht erhält ein Impfstoff nur dann eine Zulassung, wenn nachgewiesen ist, dass er auch wirksam und verträglich ist. Den Nachweis muss der Hersteller in vorklinischen Untersuchungen und klinischen Prüfungen erbringen. Geprüft werden die wissenschaftlichen Belege auf EU-Ebene unter der Regie der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency). Hierzulande liegt die Verantwortung beim Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Generell gilt übrigens, dass es sowohl nach ärztlichem Standesrecht wie auch nach Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben ist, Verdachtsfälle auf Impfkomplikationen an das Paul-Ehrlich-Institut zu melden. Das Institut bewertet diese Meldungen im Hinblick auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung mit dem Ziel, mögliche Risikosignale sehr seltener Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Somit ist sichergestellt, dass auch nach der Zulassung die Impfstoffe einer kontinuierlichen Sicherheitskontrolle unterliegen.
Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang noch darauf, dass Ausnahmefälle im derzeitigen Referentenentwurf des Gesetzes vorgesehen sind. Kinder können zum Beispiel in einigen Ausnahmen trotzdem in die Kita aufgenommen werden, wenn „der erforderliche Impfschutz wegen Impfstoffmangel oder wegen einer vorübergehenden Kontraindikation gegen die Impfung nicht erlangt werden konnte.“ Diese Ausnahmen müssten vom Gesundheitsamt schriftlich eingeholt werden.
Wenngleich Sie meine Meinung mit Sicherheit nicht teilen werden, wünsche ich Ihnen persönlich alles Gute. Bei Rückfragen oder Anmerkungen können Sie sich gern an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Pols, MdB