Frage an Eckhard Pols von Holger G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Pols,
ich würde gerne wissen, wie Sie dem zur Abstimmung anstehenden Antrag "Weidetierprämie für Schafe und Ziegen jetzt auf den Weg bringen" gegengüber stehen. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie durch Ihre Stimme die Halterinnen und Halter von sogen. "kleinen Wiederkäuern" unterstützen, die ja mit ihrer Arbeit zum Natur-, Arten-, Hochwasser- und Klimaschutz sowie zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen, aber leider in der Regel unter einer prekären Einkommenssituation leiden. Insbesondere Wanderschäferinnen und -schäfer sind besonders stark betroffen, da sie meist keine eigenen Flächen besitzen und damit keinen Anspruch auf eine Flächenprämie haben. Da Sie sich ja sehr stark für das Handwerk einsetzen, gehe ich davon aus, dass auch Schäferinnen und Schäfer in Ihrem Wahlkreis auf Ihr Wohlwollen rechnen dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Gulyas
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Weidetierprämie.
Entschuldigen Sie bitte die verzögerte Antwort, aber im Zuge einer Massenmailaktion haben mich viele Zuschriften erreicht und neben der Standardbotschaft waren auch individuelle Anmerkungen und Gedanken enthalten, die ich alle beantworten wollte.
Vorweg möchte ich betonen, dass ich den wichtigen Beitrag, den die Schafhalter zum Natur- und Landschaftsschutz sowie zum Erhalt unserer Kulturlandschaft leisten, anerkenne. Ich trete auch dafür ein, dass diese Leistung finanziell abgesichert ist. Gerne möchte ich Ihnen darlegen, warum ich am 28. Juni 2018 gegen den Antrag von Links- und Grünenfraktion gestimmt habe:
Wir fördern als Bund die Schafhalter in der ersten Säule über entkoppelte, regional einheitliche Direktzahlungen. Die deutschen Schafhalter erhalten – anders als ihre Kollegen in anderen EU-Mitgliedstaaten - für jeden Hektar Dauergrünland denselben Betrag wie ein Ackerbauer für einen Hektar Ackerland.
Die besondere Förderung der ersten 46 Hektar (50 Euro/Hektar Zuschlag für die ersten 30 Hektar und 30 Euro/Hektar für weitere 16 Hektar) unterstützt darüber hinaus kleinere und mittlere Betriebe bis insgesamt 95 Hektar spürbar. Hinzu kommt die Förderung von Junglandwirten, Ausnahmeregelungen für Kleinlandwirte oder auch, dass die Beweidung von bestimmten ökologischen Vorrangflächen möglich ist.
In Deutschland haben wir mit dem vollständigen Verzicht auf gekoppelte Direktzahlungen gute Erfahrungen gesammelt, denn die Betriebe können ihre Produktionsentscheidung ausschließlich an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. Davon haben auch die Schafhalter profitiert. Die Direktzahlungen, die sie heute für ihre beihilfefähigen Flächen erhalten, bei denen es sich hauptsächlich um Dauergrünland handelt, betragen in etwa das Dreifache dessen, was der Sektor vor der Entkoppelung an Mutterschafprämien erhalten hat.
Neben den Direktzahlungen in der ersten Säule stehen in der zweiten Säule mit der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm sowie mit den Maßnahmen der markt- und standortangepassten sowie umweltgerechten Landbewirtschaftung einschließlich des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege ein breites Maßnahmenspektrum zur Verfügung, das auch den Schafhaltern zugutekommt.
CDU und CSU waren sich bei der Umsetzung bewusst, dass es bei flächenlosen und flächenarmen schafhaltenden Betrieben zu Problemen kommen kann. Vor der Einführung entkoppelter Direktzahlungen hat daher die Bundesregierung gemeinsam mit dem Berufsstand und den Fachverbänden diesen Schäfern empfohlen, Dauergrünlandflächen zu pachten, damit sie auch unter den entkoppelten Direktzahlungen eine solide Einkommensbasis haben. Aufgrund der Einführung entkoppelter Direktzahlungen ist es für die Schäfer sehr attraktiv, nicht nur das klassische Dauergrünland, sondern auch Dauergrünlandflächen auf wenig produktiven Grünlandstandorten, auf Deichen, nicht militärisch genutzten Teilen von Truppenübungsplätzen sowie auf Heideflächen zu bewirtschaften.
Dass all diese Förderung auch bei den Schäferinnen und Schäfern ankommt, zeigen Auswertungen des Testbetriebsnetzes: Danach erhielten spezialisierte Schafbetriebe im Haupterwerb im Wirtschaftsjahr 2016/2017 rund 86.000 Euro an staatlichen Direktzahlungen und Zuschüssen!
Zum Vergleich: Der Durchschnitt dieser Zahlungen belief sich bei allen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben auf 33.800 Euro.
Es ist richtig, dass in 22 anderen EU-Mitgliedstaaten gekoppelte Mutterschaf- bzw. Weidetierprämien gewährt werden. Allerdings erhalten in diesen Mitgliedstaaten die Schäfer für ihr Dauergrünland bei Weitem nicht so hohe Prämien wie in Deutschland, wo extensiv genutztes Dauergrünland die gleiche Prämie erhält wie hochproduktives Ackerland. Die Forderung einiger Berufsschäfer, eine Weidetierprämie als Direktzahlung in Form der freiwillig gekoppelten Stützung auch in Deutschland einzuführen, hätte aber zur Folge, dass diese zusätzliche Finanzleistung zu Lasten der Flächenprämien aller landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich der Schafe haltenden Betriebe selbst gehen würde.
Die Meinung ist auch nicht einhellig. Bei den zahlreichen Zuschriften, die wir als Union erhalten haben, waren neben der Vielzahl von Forderungen für eine Weidetierprämie auch viele, die sich gegen eine Reduzierung der Flächenprämie ausgesprochen haben.
Wir werden die Bundesländer weiter ermutigen, Lösungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege für die flächenarmen Betriebe zu finden. Hierzu stehen wir im Austausch mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium.
Bei der für 2020 anstehenden Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik werden wir agrarstrukturelle Ziele beachten und insbesondere kleinere und mittlere Betriebe fördern. Wir wollen die Direktzahlungen stärker und zielgenauer auf bäuerliche Betriebe ausrichten. In der zweiten Säule sollen noch stärker als bisher besonders tier- und umweltgerechte Haltungsverfahren und Agrarumweltmaßnahmen gefördert werden. Insgesamt dürften davon die Ziegen- und Schafhalter deutlich profitieren.
Außerdem werden wir uns dafür einsetzen, dass die gekoppelten Zahlungen in der Europäischen Union zurückgefahren werden. So können in Zukunft Wettbewerbsverzerrungen in den einzelnen Ländern innerhalb der EU vermieden werden.
Wir schätzen die Leistungen der Schafhalter beim Natur- und Landschaftsschutz und für die Biodiversität als sehr hoch ein, aber die Lösung für die ökonomische Perspektive der Schafhalter in Deutschland kann nicht in der Umschichtung der ersten Säule liegen, sondern in den speziellen Programmen, die im Rahmen der zweiten Säule zu Verfügung stehen. Diese Mittel sind für eine nachhaltige Landwirtschaft, insbesondere auf Grünlandstandorten, für Raufutterfresser, für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, für die Stärkung tiergerechter Haltung sowie des ökologischen Landbaus und für die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten zu verwenden. Darunter sind viele Maßnahmen, die besonders gut von Schafhaltern – auch flächenarmen Betrieben – genutzt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Pols, MdB