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Frage von Hans-Joachim E. •

Frage an Eckhard Pols von Hans-Joachim E. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Pols,

die Diskussion um die Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten dauert nun bereits viele Jahre an.
Dazu meine Fragen an Sie:
1. Wie ist der aktuelle Stand der Diskussion zu diesem Thema in den vorbereitenden oder entscheidenden Gremien der Politik?
2. Gleiche Frage wie 1, aber Stand der Gesetzeslage.

Unterscheiden Sie bitte zwischen Verkehrspolizei (interessiert hier weniger) und Einsatzkräften in geschlossenen Verbänden.

3. In wie weit ist der Bundesgrenzschutz von der Kennzeichnungspflicht tangiert?

Für eine Antwort, oder auch eine Zwischenfrage Ihrerseits, bedanke ich mich freundlich
Hans-Joachim Ebel

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ebel,

Zuletzt hat im Februar 2011 die Fraktion DIE LINKE (Drucksache 17/468) die Bundesregierung aufgefordert, eine rechtlich verbindliche Kennzeichnungspflicht für alle Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei in Form von Namensschildern oder „einprägsamen“ Nummerncodes auf der Dienstbekleidung einzuführen. Zweck sei eine effektive Strafverfolgung nicht rechtstreu handelnder Polizeibeamten, die ohne diese individuelle Identifizierbarkeit gerade bei einem Einsatz in geschlossenen Verbänden mit „anonymisierender“ Einsatzbekleidung nicht gewährleistet sei. Ein Generalverdacht gegen Polizeibeamte sei damit nicht verbunden. Vielmehr unterstreiche eine entsprechende Kennzeichnung die Transparenz staatlichen Handelns durch individuelle Zurechenbarkeit und stärke das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei.
Zur Begründung des Antrags wird – teils in der Beschlussvorlage selbst, teils in der sich anschließenden Begründung – u.a. auf den Rechtstaatsgedanken, entsprechende Forderungen von Bürger- und Menschenrechtsorganisationen (Amnesty International, DeutscherAnwaltVerein) und die vom Land Berlin eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte sowie Beispiele aus Spanien und den USA Bezug genommen. Die von der Bundesregierung in ihrer Antwort vom 12. November 2010 auf die Kleine Anfrage 17/3743 der Fraktion DIE LINKE vom 26. Oktober 2010 („Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei) vertretene Auffassung, eine individuelle Kennzeichnungspflicht laufe den schutzwürdigen Interessen der Polizeibeamtinnen und -beamten (u.a.) gegen unberechtigte Angriffe zuwider, sei nicht belegt.

Die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für PVB ist in der Vergangenheit wiederholt und von verschieden Seiten (u.a. BT-Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN i.J. 1995; Amnesty International, Deutscher¬Anwalt¬Verein) erhoben worden. Die „Dienstherrenseite“ ist dem mehrheitlich entgegengetreten, so hat etwa der AK II der IMK die Forderung, einzelne Polizeibeamte in geschlossenen Einheiten namentlich oder numerisch zu kennzeichnen, im Jahre 2009 abgelehnt. Etwas anderes gilt nur für die (von der Partei DIE LINKEN mitregierten) Länder Berlin und Brandenburg[1]. In Berlin ist die Kennzeichnungspflicht im November 2010 Abgeordnetenhaus beschlossen und mit Wirkung vom 1.1.2011 durch eine (verwaltungsinterne) Geschäftsanweisung umgesetzt worden. In Brandenburg ist die Einführung durch den Landtag beschlossen worden und eine entsprechende Verwaltungsvorschrift in Vorbereitung. Unbeschadet dessen haben die Polizeibeamten in den meisten Bundesländern die Möglichkeit, freiwillig ein Namensschild zu tragen. Dies gilt auch für die Bundespolizei, wo Namensschilder eingeführt sind und freiwillig getragen werden dürfen, wenn hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht (z.B. Tätigkeiten im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit, Besprechungen, repräsentative Veranstaltungen). Das Tragen der Namensschilder bei Einsätzen ist nicht zugelassen. Darüber hinaus ist die Identifizierbarkeit bei der Bundespolizei auch ohne Namensschild sichergestellt (s. dazu unten).

International ergibt sich kein einheitliches Bild: Während z.B. in Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Österreich und Portugal nur die Verpflichtung zum Mitführen eines Dienstausweises bzw. einer Identifikationskarte, die auf Verlangen vorzuzeigen ist, besteht z.B. in Belgien, Estland, Spanien, Frankreich oder Großbritannien eine Kennzeichnungspflicht. In der Regel sehen die dortigen Bestimmungen allerdings Ausnahmen z.B. bei besonderen Gefahrensituationen, zum Teil auch für geschlossene Einsatzeinheiten vor.

Auch mit Blick auf zunehmende Zahl von Angriffen auf Polizeibeamte hält die christlich-liberale Koalition an der Ablehnung einer individuellen Kennzeichnungspflicht fest. Maßgeblich für diese Haltung sind folgende Gründe:

- Bei der Abwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit, dem Schutzbedürfnis der Beamtinnen und Beamten und der Fürsorgepflicht des Dienstherren überwiegen das Schutzbedürfnis der Einsatzkräfte vor Falschanzeigen, die Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte und die Fürsorge für die Polizistinnen und Polizisten einschließlich ihres Privatbereichs und ihrer Familien.

- Dies gilt gerade auch für die Beamtinnen und Beamte in geschlossenen Verbänden, die häufig in emotionalisierten Lagen wie Fußballfanbegleitung, Schutz von Versammlungen „rivalisierender“ politischer Gruppen oder Demonstrationen zu politisch umstrittenen Themen (z.B. Castor-Transport, Stuttgart 21) eingesetzt werden.

Die berechtigten öffentlichen Interessen an einer bürgernahen und transparenten Polizei sind gewahrt:
- Die Beamten sind angehalten, dem polizeilichen Gegenüber Name, Amtsbezeichnung und Dienststelle zu nennen, sofern der Zweck der polizeilichen Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird. Soweit es aus Gründen der Eigensicherung erforderlich ist, können sich die Beamten auf die Mitteilung der Dienstausweisnummer beschränken, die eine nachträgliche Identifizierung ermöglicht.

- Polizeibeamte handeln in konfliktträchtigen Einsatzlagen deeskalierend, um drohende oder bestehende Konfrontationen so zu verhindern oder zu reduzieren, dass eine nachhaltige Befriedung der Situation möglich ist.

- Im geschlossenen Einsatz kann weiterhin eine Legitimation und individuelle Identifizierung über die taktische Kennzeichnung der Einheit und die Einsatzdokumentation erreicht werden. Schließlich sind Bundespolizei-interne Zeugenbefragungen möglich.
- Insgesamt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass eine fehlende individuelle Kennzeichnung die Aufklärung von Rechtsverstößen einzelner Beamter der Bundespolizei erschwert hätte.

- Die Einsatzbekleidung wird nach dienstlichen Erfordernissen (insb. Funktionalität und Sicherheit) ausgewählt, eine Anonymisierung der Polizeibeamten ist nicht Zweck der Ausstattung.

- Polizeibeamte stehen darüber hinaus bei Großeinsätzen aufgrund der bestehenden technischen Möglichkeiten unter medialer Dauerbeobachtung durch das polizeiliche Gegenüber. Schon heute finden sich Aufnahmen von PVB im Einsatz in großer Zahl im Internet, wo sie zeitlich unbegrenzt abrufbar bleiben. Kommt zum Bild noch der Name, wird eine Verfolgbarkeit bis ins Private hinein immer leichter möglich. In einzelnen Fällen sind Polizeibeamte nach Einsätzen von der linken Szene im Internet quasi „ausgeschrieben“ worden. Solchen Entwicklungen sollte nicht weiter Vorschub geleistet werden.

- Würde eine Kennzeichnungspflicht eingeführt und damit personenbezogene Daten veröffentlicht, wäre dies auch ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beamtinnen und Beamten. Die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage müsste für den Bereich der Bundespolizei erst noch geschaffen werden.

- Soweit damit argumentiert wird, im Ausland habe die Einführung der Kennzeichnungspflicht nicht zu einem nennenswerten Anstieg unberechtigter Anschuldigungen gegen PVB geführt, ist dem entgegenzuhalten, dass dem nach hiesiger Kenntnis keine einschlägigen Studien zugrunde liegen. Zudem räumt dies nicht die Problematik der Identifizierbarkeit der Beamten aus.

- Eine Kennzeichnungspflicht verhindert kein Fehlverhalten von Polizeibeamten. Jedem Beamten ist bewusst, dass mögliches Fehlverhalten nicht ohne Folgen bleibt. Unabhängig von der Kennzeichnungsdiskussion ist die Bundespolizei bemüht, durch z.B. die Verbesserung der Stress- und Provokationsresistenz der Beamtinnen und Beamten oder durch eine verbesserte Ursachenerforschung Fehlverhalten im Einzelfall vorzubeugen.

Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Pols