Frage an Dorothee Bär von Markus H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bär,
ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr! Ich wende mich wegen einer Äußerung des CSU-Vorsitzenden Seehofer an Sie, die für mich noch zu unscharf ist. Ich fand das Zitat im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" vom 3./4.1.09 auf Seite 6. Leider kann ich Herrn Seehofer über abgeordnetenwatch nicht mehr selbst um eine Erläuterung bitten und hoffe, dass Sie mir freundlicherweise eine kurze Auskunft geben.
Herr Seehofer sprach über die inhaltliche Ausrichtung der CDU/CSU im anstehenden Bundestagswahlkampf. Es gehe darum, "inhaltlich die ganze Breite einer modernen Volkspartei [abzubilden]... Dazu kommen soziale Verantwortung, aber auch das Nationalkonservative. Das alles müssen wir mit authentischen Personen besetzen."
Meine Vorstellung von "nationalkonservativer" Politik sind zwar diffus, aber halte dies nicht gerade für positiv und zukunftsorientiert. Was unterscheidet nationalkonservative von konservativer Politik? Warum soll eher dieses als jenes stattfinden? Wie sehen die konkreten politischen Ziele dieser Politik aus? Wie ist das mit der Europäischen Integration vereinbar? Soll mit dieser Formulierung am rechten Rand gefischt werden?
Leider haben es die Journalisten der SZ versäumt, hier nachzufragen. Gibt es innerhalb Ihrer Partei eine gemeinsame Definition nationalkonservativer Werte und Ziele? Und wer wären denn "authentische Personen", die diese Werte in der Öffentlichkeit besetzen können?
Fragen über Fragen: Ich danke Ihnen schon herzlich im Voraus für eine kompakte und konkrete Antwort oder für einen Hinweis, wo ich die gewünschten Erläuterungen finden kann bzw. für die Weiterleitung an Herrn Seehofer selbst.
Herzliche Grüße,
Markus Hollmann
Sehr geehrter Herr Hollmann,
herzlichen Dank für Ihre Frage an mich. Gerne möchte ich helfen, etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Hierbei steht es mir allerdings nicht zu, Herrn Ministerpräsidenten Seehofer inhaltlich zu interpretieren.
Drei Traditionslinien spielen in der CSU zusammen: eine christlich-soziale, eine liberale und eine konservative. Das konservative Element, auf das Sie in Ihrem Schreiben eingehen und das bei bürgerlicher Politik immer eine ganz wichtige Rolle spielt, besagt, dass Veränderung um der Veränderung willen keinen Mehrwert haben wird, ja sogar schädlich sein kann. Daher verstehen wir es als unsere Aufgabe, allen Neuerungen mit grundlegender Skepsis zu begegnen und sie auf ihren Nutzen zu prüfen, um Fortschritt zu sichern und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Wir Konservative geben zudem der kleineren Einheit vor der größeren Einheit den Vorrang. Deswegen wenden wir uns gegen jede Art von Brüssel-Zentralismus und sprechen uns für eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips in der Europäischen Union aus, wobei der Prozess der Europäischen Integration für die CSU ohne Alternative ist. Allerdings muss diese Integration ihre Grenzen haben: Die EU braucht ein klar umrissenes Gebiet, auf das sie sich konzentriert, um effizient handeln zu können.
Zuletzt möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass der Begriff des „Nationalkonservatismus“ innerhalb meiner Partei dafür genutzt wird, eine scharfe Trennlinie zum rechtsextremistischen Milieu zu ziehen. Ihre Befürchtung, dass hiermit „am rechten Rand gefischt werden solle“ trifft also nicht zu.
Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben,
Dorothee Bär