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Dorothee Bär
CSU
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Frage von Gerold M. •

Frage an Dorothee Bär von Gerold M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Bär,

zur Problematik „Mindestlohn“ gibt es in der großen Koalition zwei unterschiedliche Meinungen bzw. Auffassungen. Die SPD möchte einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 €, die CDU/CSU eine tarifliche Lösung über Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen bzw. über eine vom Staat (Steuerzahler) finanzierten Kombilohn.
Meiner Meinung nach kann nur ein für jede Branche spezifischer gesetzlicher Mindestlohn, der von staatlicher Seite kontrolliert werden muss, die Lohnspirale nach unten aufhalten. Der Kombilohn würde die Löhne weiter nach unten rutschen und die Ausgaben für den Ausgleich ins Unermessliche steigen lassen. Leider hat auch die tarifliche Lösung über Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen nicht viel Wert bzw. läuft ins Leere, da die Arbeitgeber nicht von Amtswegen auf Einhaltung kontrolliert werden und auch nicht bei Verstößen belangt werden können (so die Antwort diesbezüglich vom Bundeswirtschaftsministerium).
Ein Beispiel dazu:
So wurde z. B. der Lohntarifvertrag des privaten Omnibusgewerbes in Bayern (LBO-Tarif) seit Mai 2005 vom bayerischen Wirtschaftministerium für Allgemeinverbindlich erklärt. Da ich in dieser Branche beschäftigt bin ist mir sehr wohl bekannt, dass kaum ein Unternehmer diesen einhält. Der Arbeitnehmer hat zwar einen Rechtsanspruch darauf, den er sich aber leider nur vor dem Arbeitsgericht einfordern kann, wobei er dann seinen Arbeitsplatz riskiert. Mir persönlich ist es so ergangen. Zum Glück habe ich wieder einen Job gefunden. Der Rechtsstreit mit meinem damaligen Chef dauerte über ein Jahr und endete mit einem Vergleich. Da es auch in ihrem Wahlkreis Allgemeinverbindlichkeitserklärungen gibt, die kaum eingehalten werden, möchte ich gern ihre Meinung zu diesem Thema wissen. Vielleicht sollten sie bei Gesprächen mit Arbeitgebern auch einmal die Einhaltung von Tarifverträgen hinterfragen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerold Mühle

97514 Oberaurach

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Mühle,

vielen Dank für Ihre Frage vom 08. Juni 2007.

Ich freue mich sehr zu hören, dass Sie nach einer Phase der Erwerbslosigkeit einen Wiedereinstieg in das Berufsleben gefunden haben.

Sie stellen in Ihrem Schreiben fest, dass es in der großen Koalition aus SPD und CDU/CSU zwei unterschiedliche Meinungen zum Mindestlohn gibt. Die SPD ist für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die CDU/CSU-Fraktion dagegen.

Ziel der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ist es, dass spätestens 2010 kein Jugendlicher mehr von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen ist und die Beschäftigungsquote der über 50-jährigen Arbeitnehmer deutlich steigt.

Die CDU/CSU-Fraktion will durch ein Kombilohn-Modell gezielt Arbeitssuchende und Unternehmer, die langzeitarbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren und älteren Arbeitslosen über 50 Jahren neue Chancen bieten, unterstützen. Eine flächendeckende Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes lehnen wir dagegen ab. Mit unserem Kombilohn-Modell senken wir die Arbeitskosten für die Arbeitgeber und verbessern die Einkommen für die Arbeitnehmer. Das ist der richtige Weg, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Langzeitarbeitslosen spürbar zu verbessern.

Der Koalitionsausschuss hat sich am 18. Juni gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns entschieden. Die Vertreter der CDU/CSU-Fraktion haben sich damit gegen den Widerstand der SPD durchgesetzt. In den entscheidenden Fragen hat man jedoch Kompromisse finden können:

I. Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
1. Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % erhalten das Angebot, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden und tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag von Tarifvertragsparteien der betreffenden Branche bis zum Stichtag 31. März 2008. Das Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme dieser Branchen wird nach Ablauf des Stichtages unverzüglich eingeleitet. Eine spätere Aufnahme von Branchen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

2. Wird im Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes von einer Branche erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages gestellt, so ist mit diesem Antrag zunächst der Tarifausschuss zu befassen. Innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Antrages im Bundesanzeiger gibt der Tarifausschuss zu dem Antrag sein Votum ab. Stimmt der Tarifausschuss der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu, gilt der Mindestlohn für alle In- oder Ausländer. Gibt der Tarifausschuss innerhalb der Frist kein Votum über den Antrag ab, kann das Mindestlohn-Verordnungsverfahren durchgeführt werden.
Ein Mindestlohn-Verordnungsverfahren kann auch durchgeführt werden, wenn der Tarifausschuss mit drei zu drei abstimmt oder die Allgemeinverbindlicherklärung mit zwei zu vier abgelehnt hat. Die entsprechenden Verordnungen werden auf Vorschlag des BMAS vom Bundeskabinett erlassen.

3. Für den Fall konkurrierender Tarifverträge in einer Branche werden dem Verordnungsgeber durch Gesetz Kriterien vorgegeben, die eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstellen. Ferner wird entsprechend den Vorgaben des europäischen Rechts im Gesetzestext klargestellt, dass die Mindestlohntarifverträge ausnahmslos für alle in- und ausländischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich sind.

4. Die Kontrolle erfolgt wie bisher durch die Behörden der Zollverwaltung.

II. Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von 1952 zu einem Gesetz für Mindestlöhne für bestimmte Bereiche

1. Es gibt zunehmend Wirtschaftszweige oder einzelne Regionen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder eine Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber besteht ("weiße Flecken"). Um in diesen Bereichen Mindestlöhne zu setzen, wird das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahr 1952 gangbar gemacht und auf aktuellen Stand gebracht.

2. Das Vorhandensein eines derartig tariflosen Zustandes reicht als Anwendungsvoraussetzung.

3. Ein Hauptausschuss wird dauerhaft eingerichtet. Es ist seine Aufgabe festzustellen, ob Mindestlöhne als Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden müssen. Ein Fachausschuss wird jeweils für die betroffene Branche gebildet. Er legt fest, wie hoch der Mindestlohn im konkreten Fall sein soll.

4. Zusammensetzung und Verfahren von Haupt- und Fachausschuss werden modernisiert und entbürokratisiert, um schnelle und sachgerechte Lösungen zu ermöglichen. Der Hauptausschuss setzt sich aus sechs unabhängigen Experten zusammen, die in der Lage sind, umfassend die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Mindestarbeitsbedingungen einzuschätzen. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimmrecht, der von den Mitgliedern des Hauptausschusses bestimmt wird. Erfolgt keine Einigung auf einen Vorsitzenden, erfolgt die Benennung durch das Bundeskabinett auf Vorschlag des BMAS. Die Fachausschüsse als Gremien der betroffenen Branchen werden so zusammengesetzt, dass sich divergierende Einzelinteressen nicht blockieren und zu einem guten Ergebnis führen. Jeder Fachausschuss besteht aus sechs Beisitzern, die je zur Hälfte den Kreisen der beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber angehören. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimmrecht, der von beiden Seiten bestimmt wird. Bei Nichteinigung bestimmt den Vorsitzenden das Bundeskabinett auf Vorschlag des BMAS.

5. Der von einem Fachausschuss vorgeschlagene Mindestlohn kann auf Vorschlag das BMAS durch eine entsprechende Verordnung des Bundeskabinetts festgesetzt werden.

6. Außerhalb von Tarifverträgen sind die Vorgaben der Verordnung für alle In- und ausländischen Arbeitnehmer zwingend und unabdingbar. Für die Konkurrenz zu bestehenden Tarifverträgen werden durch Gesetz Kriterien für eine Vorrangentscheidung vorgegeben, die eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstellen. Eine Diskriminierung von In- und Ausländern findet nicht statt.

Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag lehnt die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns wie bereits erwähnt ab. Ich bitte Sie folgende Argumentation zu beachten: Ein flächendeckender Mindestlohn kann Arbeitsplätze kosten! Je höher der staatliche Mindestlohn angesetzt wird, desto stärker wird der Arbeitgeber gezwungen sein Stellen abzubauen.

Der Mindestlohn garantiert die Höhe des Lohns, aber nicht den Arbeitsplatz. Statt mehr Lohn wird es Kündigungen geben Ein flächendeckender Mindestlohn gefährdet besonders Jobs im Niedriglohnsektor. Er bringt gering qualifizierte oder langzeitarbeitslose Menschen keinen einzigen neuen Arbeitsplatz Ein gesetzlicher Mindestlohn fördert die Schwarzarbeit und schadet damit dem Gemeinwesen, da Arbeitgeber sich der Verpflichtung einer Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns entziehen werden.

Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ist überzeugt, dass die Tariflandschaft in Deutschland generell funktionsfähig ist. Natürlich zeigt Ihre persönliche Geschichte, dass die Arbeitgeber teilweise noch stärker zur Einhaltung der Tarife verpflichtet werden müssen. Trotzdem benötigt Deutschland anstatt eines Mindestlohns flexiblere Regelungen, die einen fairen Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ermöglichen.

Ich hoffe, meine Ausführungen helfen Ihnen weiter. Sollten Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich jederzeit an mich. Gerne werde ich Ihre Anregung annehmen und das von Ihnen geschilderte Problem im Dialog mit Arbeitgebern zur Sprache bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Dorothee Bär

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