Frage an Dorothee Bär von Andreas S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Frau Bär,
sie schreiben heute in einer Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass Gegner der Zensurpläne von Frau von der Leyen Gefahr laufen, "Straftaten im Internet Vorschub zu leisten". Könnten Sie bitte erklären, inwieweit das "Aufstellen" virtueller Stoppschilder hilft, Kindesmissbrauch zu verhindern?
Des weiteren schreiben Sie im zweiten Absatz, dass wer gegen die Zensurpläne der Bundesregierung ist, auch "Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen" Vorschub leistet. Direkt im Anschluss steht "Zugangssperren im Internet müssen und werden einzig und allein auf kinderpornographische Seiten beschränkt bleiben."
Können Sie diese offensichtliche Diskrepanz in Ihren Aussagen bitte aufklären?
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Spengler
Sehr geehrter Herr Spengler,
für Ihre Zuschrift zu unserer Pressemitteilung "Klare Kante gegen Kinderpornographie" danke ich Ihnen.
Artikel 1 des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, ist die Leitlinie für die Union und ihr politisches Handeln. Dieser auch von den Vereinten Nationen verfolgte Grundgedanke gilt für uns uneingeschränkt und für jedes Medium, auch für das Internet.
Daher haben wir uns für die nun beschlossene Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten eingesetzt. Wir halten dieses Anliegen für richtig und wichtig. Dass es nicht das allein seligmachende Instrument ist und dass dadurch das Problem der Kinderpornographie nicht vollständig aus der Welt geschafft ist, ist uns bewusst. Aber Sperrlisten leisten einen wichtigen Beitrag zur Prävention. Schon die intensive Debatte über das abscheuliche Verbrechen der Kinderpornographie, die in den letzten Wochen und Monaten in der Gesellschaft stattgefunden hat, ist ein Erfolg für diese Gesetzesinitiative. Dass die Verfechter dieses allseits anerkannten Ziels aufgrund der gewählten Mittel zu dessen Erreichung nun im Internet die Zielscheibe infamer und ehrverletzender Angriffe und Kommentare geworden sind, stimmt uns traurig und nachdenklich.
Wir beobachten in zunehmendem Maße, dass eine nennenswerte Zahl von Internetnutzern der Meinung zu sein scheint, im Internet würden die Gesetze der realen Welt nicht gelten, die schrankenlose Freiheit des weltweiten Netzes sei ein höheres Gut als das geltende Recht. Diese bestenfalls romantische, in jedem Fall aber naive Weltsicht ist dazu geeignet, den Aktivitäten von Cyberkriminellen und Gesetzesbrechern auf den verschiedensten Feldern – sicherlich ungewollt – Vorschub zu leisten. Diese Sorge treibt uns zunehmend um.
Ausdruck dieser Sorge war auch der Bezug in der Pressemitteilung auf die im Internet stattfindenden Urheberrechtsverletzungen, unter denen zuallererst Künstler und Kreative zu leiden haben. Das Thema der Urheberrechtsverletzungen in einem Satz mit dem Verbrechen der Kinderpornographie zu nennen, war unglücklich und möglicherweise missverständlich. Das bedauern wir. Urheberrechtsverletzungen sind nicht im Strafgesetzbuch geregelt, sondern im Urheberrechtsgesetz (§§106 ff.). Sie stellen gleichwohl einen Straftatbestand dar; der Schutz der Urheberrechte und die Ahndung von Verstößen gegen das Urheberrecht gerade auch im Internet sind ein zentraler Bestandteil unserer Kultur- und Medienpolitik. Die im Internet teilweise entstandene Selbstbedienungsmentalität können wir nicht hinnehmen.
Als Medienpolitiker ist uns die weltweite Presse-, Medien- und Meinungsfreiheit ein elementares Anliegen, das wir stets verteidigen werden. Daher machen wir ganz klar: Zugangssperren im Internet müssen und werden einzig und allein auf kinderpornographische Seiten beschränkt bleiben. Auch für Killerspiele kommen sie für uns nicht in Betracht, sofern die geltenden Regeln des Jugendschutzes beachtet werden.
Wir fühlen uns in unseren Positionen auch durch den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) Rohleder bestätigt: Dieser sieht die Informationsfreiheit durch das neue Gesetz nicht gefährdet, die Begriffe Freiheit des Internets und Zensur seien in der Debatte „überstrapaziert“ worden (Leipziger Volkszeitung vom 19.6.09).
In der Hoffnung, Ihnen unsere Position verdeutlicht zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihre Dorothee Bär