Frage an Doris Barnett von Frank J. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Barnett,
warum sollte man eine Hartz 4 - Partei wählen. Eine Partei die zudem die Bürgerrechte abschafft und mit all den anderen Parteien den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet?
Frage zu schwer? Dann anders:
Wieso sollten die in Deutschland lebenden Menschen Politikern überhaupt noch vertrauen, wenn für Rentner und Kinder KEIN Geld da ist (aber für Krieg am Hindukusch).
Für Banker, für Industrie - wer zahlt wohl die Zeche!?
Wieso sollte man 2009 wählen gehen; Demokratie?
Ich sehe keine.
Oder noch einfacher: Besteht die Gefahr das sich eine große Koalition wiederholen könnte???
Ich bin an- und gespannt, so sehr würde ich mich auf Antworten von Ihnen freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Jung
(auch im Namen vieler ehemaliger SPD-Wähler)
Sehr geehrter Herr Jung,
Ihre Fragen beantworte ich Ihnen gerne:
Sozialer Friede und Demokratie in Deutschland in Gefahr? Sicherlich wissen Sie, dass mit "Hartz-IV" Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, beides aus Steuermitteln finanzierte Leistungen (die eine wurde von der Kommune bezahlt, die andere vom Bund) zusammengelegt wurden. Sozialhilfeempfänger erhielten etwas höhere Leistungen und kamen endlich auch in den Genuss von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die die Bundesagentur für Arbeit Arbeitsuchenden anbietet. Bisher waren gerade Sozialhilfeempfänger darauf angewiesen, ob Kommunen Beschäftigungs-, Fort- und Weiterbildungsprogramme anbieten. Mit "Hartz-IV" wurde auch sichergestellt, dass alle, die unter dieses Gesetz fallen, kranken- und rentenversichert sind, was viele vorher gerade nicht waren.
Über die Zahlhöhe von "Hartz-IV" kann man immer unterschiedlichster Meinung sein -- die Argumente aus allen Lagern sind mir bestens bekannt. Heute, also im Jahr 2009, wissen wir, dass über eine halbe Million Menschen mehr in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind als noch vor geraumer Zeit! Und dass die Zahl der Geringfügig-Beschäftigten stagniert, ist auch ein gutes Zeichen.
Hätten wir 1999 nicht begonnen, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und Arbeitswelt neu zu justieren, hätten wir heute ganz andere Probleme in ganz anderen Dimensionen. Dann wäre in der Tat der Soziale Friede massiv gefährdet.
Wenn wir angesichts der weltweiten Finanzkrise in Deutschland und Europa (eigentlich weltweit) wirklich große, teure und nicht ganz risikolose Anstrengungen unternehmen, um Banken und Unternehmen nicht an die Wand fahren zu lassen, dann geschieht dies sicherlich nicht deshalb, um den dort Verantwortlichen "einfach so" Steuergeld zuzuschieben. Denn erstens haben wir nur EINEN "Versuch", das Problem zu lösen, und zweitens müssen wir unsere Volkswirtschaft am Laufen halten im Interesse der Arbeitsplätze, und somit des ganzen sozialen Gefüges -- bis hin zu den sonst zusamenbrechenden Sozialversicherungen. Diesen Domino-Effekt, der durch Nichthandeln ausgelöst würde, kann niemand "wegdiskutieren" oder gar "kleinreden" -- er wäre gigantisch.
Keine Bank, kein Unternehmen, das staatliche Mittel anfordert (Bürgschaften), bekommt die Hilfe "umsonst". Nicht nur wird Aufsicht durch den Staat ausgeübt, Gehälter gedeckelt, Geschäfte überwacht, es werden auch Gebühren fällig -- umsonst gibt es auch vom Staat nix!
Im Konjukturpaket-II hätten wir Sozialdemokraten gerne den 0,9%-igen Sonderbeitrag der Versicherten (Arbeitnehmer und Rentner) weggehabt, weil das viel mehr ins Gewicht für den "normalen" Menschen gefallen wäre. Aber der Koalitionspartner, ohne den wir nun mal gar nichts durchsetzen können, wollte unbedingt auch die Arbeitgeber entlasten, weshalb es zu einer Beitragskürzung von 0,6 % zur gesetzlichen Krankenversicherung kommt, die je zur Hälfte (also 0,3 %) den Versicherten und den Arbeitgebern zu Gute kommt. Mit anderen Worten: es kommt nur ein Drittel der Entlastung bei den Versicherten (also auch den Rentnern) an, weil unser Koalitionspartner nicht will. Dafür wird es aber von oben her auch keine Steuererleichterungen geben. Leider glauben viele, wenn sie "Steuersenkung" hören, sie bekämen Geld vom Staat. Das ist deshalb nicht der Fall, weil ca. 50 % der Arbeitnehmer gar keine Lohnsteuer zahlen müssen (bei einer 4-köpfigen Familie wird Lohnsteuer erst ab einem Gesamteinkommen von ca. 37.000/38.000 Euro fällig). Die meisten Rentner zahlen ebenfalls keine Steuern auf ihre Rente. Deshalb war unsere Forderung: Runter mit der Abgabenlast, weil das auch der spürt, der nur ein kleines Einkommen hat, auf das er keine Steuern zahlen muss (Einkommen muss aber mehr als 400 Euro im Monat betragen). Damit sind nämlich auch die Rentner "mit im Boot".
Bürgerrechte werden nicht abgeschafft -- im Gegenteil. Sie sind doch sicherlich der Auffassung, dass der Staat seine Bürger schützen muss. Wenn dieser Schutz jetzt aber vor den Verbreitungs- und Informationskanälen halt machen muss, die über das Internet laufen, kämen wir dann doch diesem Schutzanspruch nicht mehr nach. Dabei sind die Anforderungen z.B. an eine "Online-Durchsuchung" sehr hoch gesetzt. Entgegen der "gefühlten" Wahrnehmung fanden in der BRD wegen der bereits vorhandenen entsprechenden Länderpolizeigesetze gerade 7 (in Worten: sieben) solcher Durchsuchungen statt, also nicht "hunderte" oder "tausende", wie man aufgrund von Berichten vermuten könnte. Wenn es Sie interessiert, sende ich Ihnen gerne ausführliche Informationen zu.
Ich ärgere mich sehr, wenn mit dem Wort "Demokratie" so umgegangen wird als handele es sich um Abfall. Durch die Geschichte unseres Landes und Europas sollte wir eigentlich eines Besseren belehrt sein: unsere Demokratie ist ein kostbares Gut, das mit viel Blut und Tränen erkämpft wurde. Erkämpft von Männern und Frauen, für die "Mitgestalten des Gemeinwesens" ein unerfüllbarer Wunsch war, für die ein freies und offenes Wort Gefahr für Leib und Leben bedeutete, für die "freie Wahlen" ein unerreichbares Ziel war.
Aber Demokratie kommt bzw. bleibt nicht von selbst. Sie lebt vom Mitmachen, vom Einmischen, vom Mitreden, vom Mitgestalten. Und Akteur ist jeder/jede -- schließlich sind WIR das Volk und somit auch WIR der Staat.
Und wer nicht mitmacht --z.B. bei Wahlen-, obwohl er das RECHT dazu hat (nicht die PFLICHT, wie in den ehemaligen sozialistischen Staaten), der hat meiner Meinung nach auch kein Recht, sich hinterher über politische Realitäten (Koalition) zu beschweren, die er/sie durch seine/ihre Verweigerung mit geschaffen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Doris Barnett