Dirk Schattschneider
FDP
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Frage von Frederic M. •

Frage an Dirk Schattschneider von Frederic M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schattschneider,
welche wirtschafts-, arbeitsmarkt- und steuerpolitschenpolitischen Schritte werden die Liberalen im Falle eines Wahlsieges einführen?
Insbesondere interessieren mich hierbei die Art und Weise der Unterstützung des Mittelstandes, der Umgang mit innovativen / neuen Technologien, das Subventionshandling, die Debürokratisierung und die anzustrebende Rolle Deutschlands in der Weltwirtschaft.
Für eine detaillierte Antwort danke ich Ihnen schon jetzt im voraus.

Mit freundlichen Grüßen
F. Meiser

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Meiser,

vielen Dank für Ihre interessante, aber auch sehr komplexe Frage. Diese darf ich Ihnen zusammenhängend wie untenstehend beantworten:

Zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik:
Derzeit erschöpft sich die Politik in Deutschland in einem interventio-nistischen Flickenteppich. Die drängenden Probleme erfordern dagegen eine klare Ordnungspolitik. Der Staat bildet in unserer freiheitlichen Ordnung nur den Rahmen um den Bürgern durch eigene Initiativen und Ideen ein Höchstmaß an Erfolg zu ermöglichen. Wo der Staat selbst zum Hindernis für Fortschritt und Wohlstand für alle wird, gehört er reformiert.

Deutschland verliert jeden Tag Arbeitsplätze an die Schwarzarbeit oder an das Ausland. Wir wollen das ändern. Wir wollen einen stärkeren Platz Deutschlands in der weltweiten Wertschöpfungskette zurückgewinnen. Exportweltmeister zu sein, mit Produkten, die überhaupt nicht mehr in Deutschland hergestellt werden, das reicht nicht aus. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht nur für Millionen Menschen und ihre Angehörigen ein sehr persönliches Schicksal. Ihre Überwindung ist zugleich die zentrale Frage für die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft. Arbeitslosigkeit destabilisiert die Gesellschaft, gefährdet die finanziellen Grundlagen der öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssysteme. Weiter wachsende Staatsverschuldung und weitere soziale Einschnitte sind zwangsläufige Folgen. Politische Randerscheinungen suchen in solchen Lagen ihre Chancen, gerade in Deutschland darf aber die politische Mitte nicht verloren gehen.

Soziale Sicherheit ist nur auf der Basis einer auf internationale Wett-bewerbsfähigkeit, unternehmerische Initiativen, Beschäftigung und Wachstum ausgerichteten Wirtschaftspolitik möglich. Dies war die Kernbotschaft der Sozialen Marktwirtschaft in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Auf diese Botschaft müssen wir uns wieder besinnen. Wir müssen die Marktwirtschaft erneuern.

Erneuern, das heißt, den Staat auf seine Kernaufgaben zurückzuführen, die hohe Staatsquote abzubauen, durchgreifende Reformen der Sozial- und Subventionssysteme anzugehen. Krankenversicherung, Rentenversicherung müssen bezahlbar, zukunftssicher und generationengerecht zugleich gemacht werden. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, eine Steuerreform für niedrige Steuersätze und Reformen am Arbeitsmarkt, die besonders dringlich sind, um Flexibilität und mehr Leistungsanreize zu schaffen, gehören dazu. Die Öffnung der Gütermärkte, die Öffnung des Dienstleistungsmarktes, Deregulierung und Wettbewerb bei den Netzindustrien sind im europäischen Verbund überfällig. Die Privatisierung von Bundesbeteiligungen muß konsequent fortgesetzt werden. Es geht um Innovation statt Strukturerhaltung. Elastizität und Reaktionsvermögen müssen wieder hergestellt werden.

Hartz IV ging in die richtige Richtung. Aber es muß mehr getan werden. Vorfahrt für Arbeitsplätze gilt nicht nur bis zu nächsten Kreuzung. Das Tarifkartell muß aufgebrochen, der Kündigungsschutz neu justiert, das Betriebsverfassungsgesetz mittelstandsfreundlich geändert, der Tarifvorbehalt beseitigt, das Günstigkeitsprinzip beachtet, die Nachwirkungsklausel und die Allgemeinverbindlichkeit beseitigt werden, Betriebsvereinbarungen, Öffnungsklauseln müssen ermöglicht und der Flächen-tarif geöffnet werden.

Jedes neue Gesetz und jede neue Verordnung gehören in ihren Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Deutschland überprüft. Arbeitsplatzvernichtende Regulierungen, wie die weit über die Anforderungen der Europäischen Union hinausgehende Antidiskriminierungsgesetzgebung, werden wir ändern. Einen "Arbeitsplätze-TÜV" für neue Gesetzgebungen richten wir ein. So wie bisher die Kosten für den Bundeshaushalt ausgewiesen werden müssen, sollten in Zukunft auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Deutschland ausge-wiesen werden.

Entscheidend sind betriebliche Bündnisse für Arbeit, die vor Ort regeln, was zu regeln ist. Wenn 75 % der Belegschaft vom Flächentarif abweichenden Regelungen zustimmen, dann muß das ohne Einspruch von Gewerkschaftszentralen und Arbeitgeberverbänden möglich sein. Wir werden das Günstigkeitsprinzip des Tarifvertragsgesetzes mit dieser Zielsetzung ändern. Ohne wirkliche Veränderungen im Tarifrecht verdient der deutsche Arbeitsmarkt die Be-zeichnung Markt nicht.

Das Kündigungsschutzrecht werden wir reformieren. Es schützt diejenigen, die Arbeit haben und macht es denjenigen, die Arbeit suchen, schwerer. Für jede Arbeitnehmerin, für jeden Arbeitnehmer bleibt es auch beim Willkürschutz aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Viele, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sind gering qualifiziert. Die Produktivität ihrer Arbeit liegt oft unterhalb den tariflich vereinbar-ten Sockellöhnen. Die starren Strukturen haben zu einer über Jahre gewachsenen hohen Sockelarbeitslosigkeit geführt. Ohne Flexibilität bei den Tarifen ist der strukturellen Arbeitslosigkeit im Niedriglohnbereich nicht wirksam entgegen zu treten. Nur über Flexibilität in diesem Bereich und größere Freibeträge für Hinzuverdienstmöglichkeiten ergeben sich neue Beschäftigungschancen. Die wollen wir erreichen. Wir werden dabei zugleich die 400-Euro-Jobs, die sich am ehesten aus den ganzen Vorschlägen der Hartz-Kommission bisher bewährt haben, auf 600-Euro-Jobs erhöhen und Freibeträge für Hinzuverdienst bei ALG II erhöhen. Sie sind für Menschen, die zusätzliche Anstrengungen unternehmen wollen, wichtig. Sie reduzieren die Schwarzarbeit und belohnen Leistung.

Wir werden das Betriebsverfassungsrecht mittelstandsfreundlich reformieren. Klare, flexible Entscheidungswege sind die Stärken der Mittelständler. Sie stehen im direkten Kontakt mit ihrer Belegschaft. Die Schwellenwerte für die Einrichtung von Betriebsräten und für die Freistellung wollen wir deshalb ändern. Ein Betriebsrat soll in Betrieben ab 20 Beschäftigten eingerichtet werden, die Freistellung eines Betriebsrats in Betrieben ab 500 Beschäftigten stattfinden.

Neben der betrieblichen Mitbestimmung in kleinen und mittleren Betrieben ist auch die Konzernmitbestimmung reformbedürftig. Es ist Zeit für eine Runderneuerung der deutschen Unternehmensverfassung. Die alte Deutschland AG stößt international an ihre Grenzen. Wir wollen die Aufsichtsräte verkleinern, maximal 12 Persönlichkeiten sind genug, die Eigentümer stärken, der Hauptversammlung mehr Rechte geben und die paritätische Mitbestimmung durch Drittelbeteiligung ersetzen. Dabei sollen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Vertreter in die Aufsichtsgremien selbst wählen. Sie entscheiden, wer sie vertritt, und niemand anders.

Zur Steuerpolitik:
Das deutsche Steuerrecht muß aus Sicht der FDP radikal vereinfacht werden. Wir wollen die Tarifbelastung der Einkommen weiter verringern, Subventionstatbestände weiter abbauen und zugleich das Steuerrecht erheblich vereinfachen. Eine grundlegende Steuerreform muß verbunden werden mit einer deutlichen Tarifsenkung und einem zeitgleichen konsequenten Subventionsabbau. Sie muß die Rahmenbedingungen für Innovationen durch international wettbewerbsfähige Steuertarife verbessern und zugleich den Finanzstandort Deutschland durch wettbewerbsfähige Kapitalertragsbesteuerung sichern.

Wir wollen Schritt für Schritt auf eine Flat-tax hinaus, die einen Steuersatz für alle Einkünfte vorsieht, die das Nebeneinander verschiedener Steuern und Anreize zur Einkommensverlagerung aus Steuerersparnisgründen beendet. Bei der Politik für eine Flat-tax werden wir stufenweise vorgehen. Auf mittlere Sicht kann die Selbstfinanzierung, von der wir bei unserem steuerpolitischen Vorschlag von 15 %, 25 % und 35 % ausgehen, einen ent-scheidenden Beitrag zur Realisierung leisten. Auf dem Weg zu einem Steuersystem aus einem Guß werden wir unternehmerische Einkünfte von Anfang an mit höchstens 25 % besteuern.

Damit werden auch die 80 Prozent der deutschen Unternehmen, die Personengesellschaften sind, gerecht und gleich behandelt. Dort haften die Unternehmerinnen und Unternehmer persönlich. Auch bei den Kapitalgesellschaften überwiegt der Mittelstand. Diese besondere Wirtschaftsstruktur mit Menschen, die persönlich für ihr Unternehmen einstehen, hat Deutschland stark gemacht. Wir wollen die Steuerpolitik dieser dynamischen Wirtschaftsstruktur anpassen und nicht umgekehrt.

Ein zentraler Punkt unserer Politik ist deshalb die Gleichbehandlung aller Einkunftsarten. Voraussetzung dafür ist die Abschaffung der Gewerbesteuer als Sonderbelastung für Unternehmen und eine Neuregelung der Gemeindefinanzierung. Wir wollen eine Abschaffung der Gewerbesteuer. Sie belastet den Mittelstand und verhindert Arbeits- und Ausbildungsplätze. Den Kommunen werden wir einen prozentualen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ermöglichen. Das stärkt die Finanzautonomie. Zugleich werden wir einen deutlich erhöhten Anteil von 12 Prozent für die Kommunen an der Umsatzsteuer festlegen.

Zur Forschungspolitik:
Die FDP will Forschung und neue Technologien unterstützen.
Jeden Tag entwickeln sich neue Möglichkeiten. Die Nanotechnik wird als Schlüsseltechnologie ihre Spur quer durch alle bisherigen Möglichkeiten und Verfahren ziehen. Robotik, Neurowissenschaften und Mikrosystemtechnik und andere Technologien werden einen großen Beitrag zur Innovationskraft Deutschlands leisten. Gentechnisch veränderte Organismen werden bei der Entgiftung von Böden eine Rolle spielen und können die Umwelt schützen. Gentechnik wird durch schadstoffresistentere Pflanzen den Hunger in der Welt bekämpfen können. Die Medizin entwickelt sich zu einer genbasierten Wissen-schaft. Moderne Gesundheitsvorsorge wird ohne sie nicht mehr vorstellbar sein. Biotechnologien werden auf den Märkten der Welt immer bedeutsamer und bieten Chancen für hochqualifizierte Arbeitsplätze. Deutschland ist dabei, einen guten Teil seiner Innovationskraft zu verspielen. Wissenschaft, Forschung und Innovation sind weltweite, ununterbrochene Kommunikationsprozesse vieler hochqualifizierter Menschen. Deren Neugier läßt sich nicht verbieten. Wer den Verzicht auf Forschung empfiehlt, muß immer auch die Konsequenzen des Verzichts darlegen.

Forschungsklonen muß auch in Deutschland möglich sein. Ob sich die mit dem Forschungsklonen verknüpften Hoffnungen auf das Heilen schwerer Krankheiten erfüllen werden, kann nicht vorab, sondern nur durch verantwortliche Forschung selbst beantwortet werden. Gerade deshalb muß man es ermöglichen. Freiheit und individuelle Selbstbestimmung und menschenwürdiges Leben werden auch durch Krankheiten beeinträchtigt, die man wirkungsvoll bekämpfen kann, wenn man sich rechtzeitig der Möglichkeiten der Heilung vergewissert. Menschliches Leid zu mindern und zu heilen, ist das Ziel verantwortungsbewußter Medizin. Dieser wollen wir auch in Deutschland weitere Möglichkeiten und Chancen eröffnen. Nach unserer Überzeugung hat der Staat auch grundrechtliche Schutzpflichten für neue Heilmethoden und Therapien.

Bei Forschungs- und Entwicklungsausgaben liegt Deutschland als führende europäische Volkswirtschaft deutlich hinter vielen Nachbarländern zurück. Das wollen wir ändern. Allein die großen Wissenschaftsorganisationen und großen Forschungsvorhaben brauchen eine bessere Finanzausstattung. Bund-Länderfinanzierungen sind dafür weiterhin notwendig. Entscheidend ist aber nicht allein die bessere finanzielle Ausstattung von Forschungsmöglichkeiten. Es geht zuallererst um ein forschungsfreundlicheres Klima in Deutschland. Mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung und die Einführung neuer Technologien werden maßgeblich zu einem höheren Produktivitätswachstum beitragen.

Wir wollen eine langfristige nationale Innovationsstrategie, die sich der Zukunftsfähigkeit unseres Landes verpflichtet fühlt. Dazu gehört, daß innovative Investitionen wieder möglich werden. Forschung zahlt sich wirtschaftlich dann aus, wenn sie auch zur Anwendung kommt. Zukunftstechnologien verkaufen sich nur dann überzeugend, wenn sie nicht nur im Land entwickelt, sondern auch erprobt und angewendet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Schattschneider