Frage an Dietmar Bartsch von Roland S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bartsch,
der folgende Bericht thematisiert „China hat eine geniale Mischung aus Orwells 1984 und Huxleys Schöne Neue Welt geschaffen“.
Bei einem Telefonanruf kann statt eines Wähltons eine Ansage kommen, "in der die angerufene Person angeprangert werde. Da bekomme man zum Beispiel zu hören: „Die Person, die sie gerade anrufen, ist ein Vertrauensbrecher, er hat seine Schulden nicht bezahlt und steht auf der schwarzen Liste."
https://www.welt.de/vermischtes/article200552362/Maischberger-Peking-will-sich-den-Traum-aller-diktatorischen-Herrscher-erfuellen.html
„Dass es der Gemeinschaft gut geht, ist wichtiger, als dass es dem Individuum gut geht“, so die Meinung eines Diskutanten zu den Prioritäten der Chinesischen Gesellschaft.
Überspitzt formuliert heißt dies, dass es egal ist, wie es dem Einzelnen (Souverän) ergeht, Hauptsache das (politische) System, die Gesellschaftsstruktur, das (kommunistische) Staatswesen ist vital und überlebensfähig.
In Deutschland gibt es immer mehr gesetzliche Verpflichtungen (Vorgaben), zumindest Erwartungshaltungen, die den Bürgern durch das politische System auferlegt werden. Zu nennen sind Krankenversicherungspflicht (zukünftig auch Rentenversicherungspflicht), beispielhaft aber auch die lautstarken Aufrufe der Politik zur Körperzergliederung (Organspende) oder die geplante Impfpflicht, mit Strafandrohung, für aktuell z.B. Masern.
Halten Sie diese in Deutschland immer stärker um sich greifenden Verpflichtungen und Erwartungshaltungen durch das politische System (Politiker) im Prinzip vergleichbar mit den Erwartungshaltungen (Verpflichtungen) in China?
Wird die Politik ein vergleichbares Scoringsystem wie in China einführen, bei dem derjenige belohnt wird, der den Wünschen und Vorstellungen der Politiker entspricht und derjenige bestraft wird, der den Erwartungshaltungen nicht gerecht wird?
Wie stehen Sie als Bürger (nicht als Politiker!) zu dieser Entwicklung?
Sehr geehrter Herr S.,
dass auf einigen Rechtsgebieten, Sie haben die Gesundheitspolitik vor Augen, einige Verpflichtungen hinzukommen, ist nichts Ungewöhnliches. Deshalb macht man Gesetze, um Rechte und Pflichten zu erzeugen. Dies macht man eigentlich nur dann, wenn ein Regelungsbedarf erkannt wird.
Die Verpflichtungssysteme in China und Deutschland sind grundsätzlich schwer vergleichbar, was nicht zuletzt historisch-kulturelle Gründe hat. In China wird ein - oftmals willkürlich bestimmtes - Wohlverhalten als Maßstab für Belohnung bzw. Bestrafung genutzt. In Deutschland gibt es gesetzliche bzw. durch andere Rechtsakte erzeugte Rechtspflichten, es gibt bei uns ein Legalitätsprinzip. Zudem gibt es das Rechtsstaatsprinzip, das eine Prüfung auf Grundrechtskonformität und Verhältnismäßigkeit bereits im Rechtsetzungsprozess erforderlich macht. Und es gibt eine Verfassungsgerichtsbarkeit, die für den Fall genutzt werden kann, dass individuelle Grundrechte in unzumutbarer Weise verletzt werden. Das werden Sie in China beides nicht vorfinden.
Eines kann ich Ihnen versichern: Wenn sich das politische System vom Rechtsstaatsprinzip verabschieden sollte, werde ich einer der ersten sein, der zum Widerstand aufruft.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch