Frage an Dietmar Bartsch von Gabriele K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Bartsch,
am 17.5.19 soll über die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung im Bundesrat abgestimmt werden. Gemeint sind Elektro-Kleinst-Kraft-Fahrzeuge. Wie groß dürfen sie sein? Wird der § 2 StVO(1) damit außer Kraft gesetzt? Müssen alle Radwege oder nur die benutzungspflichtigen benutzt werden? Wo sollen sie auf den Radwegen für Radfahrer Platz machen? Müssen sie sich an den § 3 StVO(2) halten, sich also nicht ohne triftigen Grund langsam bewegen? Gilt der § 5 StVO (6) auch für sie? Welchen Überholabstand zu Fußgängern, Radfahrern, Autofahrern müssen sie einhalten? Wo dürfen sie parken? Werden bis 12 km/h-schnelle wie Fußgänger, auch außerhalb von Ortschaften behandelt? Das Zusatzzeichen soll mit 31 Silben sehr lang ausfallen. Mit einem flüchtigen Blick ist es nicht zu erfassen. Die 12 km/h sollen alternativ zu den Füßen gebraucht werden. Damit verbrauchen sie wesentlich mehr Energie. Klimaschutz-Ziel wird konterkariert. Werden Fußgänger beschleunigt, sind auch auf Gehwegen Staus vorprogrammiert. Soziale Infrastruktur wird noch mehr auseinandergerissen, Gehen damit unattraktiver. Weniger Gehen erzeugt Bewegungsmangel und damit mehr Gesundheitsprobleme. Die Geräte sollen Ersatz zum Auto sein. Dann müssten sie auch die Flächen des Autos und nicht der Menschen einnehmen. Warum wird das nicht priorisiert? Gehwege sind mehr als Strecken um von A nach B zu kommen. Durch die 12 km/h auf Gehwegen leidet die Aufenthaltsqualität. Die Geräte stellen eine weitere Gefahr für geistig und körperlich beeinträchtige Fußgänger dar. Immerhin sind einige nur mit 3 km/h unterwegs. Die 12 km/h-Geräte sind 4 mal so schnell! Im Geschwindigkeitskorridor (12 bis 20 km/h) sollen die Geräte als Fahrräder eingestuft werden. Als was werden die Geräte bis 12 km/h eingestuft? Wenn die Fahrzeuge als Fahrräder eingestuft werden, ist man von der Kfz-Steuer befreit, da nur Kraftfahrzeuge dem Steuerrecht unterliegen? Bitte klären Sie die Diskrepanzen bevor der Bundesrat abstimmt.
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre tatsächlich sehr umfangreiche Frageliste. Ich will versuchen, entsprechend zu antworten:
Wie groß dürfen Elektrokleinstfahrzeuge sein?
- Die Gesamtbreite der Elektrokleinstfahrzeuge ist auf 70 cm, die Gesamthöhe auf 1,4 Meter und die Gesamtlänge auf 2 Meter beschränkt.
Wird der § 2 StVO (1) damit außer Kraft gesetzt?
- Nein. Lediglich in § 3 der Verordnung wird bestimmt, dass zur Führung eines Elektrokleinstfahrzeuges kein Führerschein erforderlich ist.
Müssen alle Radwege oder nur die benutzungspflichtigen benutzt werden?
- In § 10 der VO werden die zulässigen Verkehrsflächen wie folgt bestimmt:
„(1) Innerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Elektrokleinstfahrzeuge mit einer bauart-bedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 12 km/h nur auf baulich angelegten Radwegen, Radfahrstreifen (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) und Fahrradstraßen (Zeichen 244.1 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) gefahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen oder in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325.1 der Anlage 3 zur Straßenverkehrs-Ordnung) gefahren werden.
(2) Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Elektrokleinstfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 12 km/h nur auf baulich angelegten Radwegen und Seitenstreifen gefahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen gefahren werden.“
Wo sollen die Elektrokleinstfahrzeuge auf den Radwegen für Radfahrer Platz machen?
- Auch für Elektrokleinstfahrzeuge gilt das Rechtsfahrgebot (§ 11 (2) der VO).
Müssen sie sich an den § 3 StVO (2) halten, sich also nicht ohne triftigen Grund langsam bewegen?
- Ja. Im Regelfall werden diese E-Roller ja zwischen 10 und 20 km/h fahren und dies sind auch die Geschwindigkeiten, mit denen Radfahrer/innen in der Regel unterwegs sind.
Gilt der § 5 StVO (6) auch für sie?
- Ja.
Welchen Überholabstand zu Fußgängern, Radfahrern, Autofahrern müssen sie einhalten?
- Der Abstand ist nicht bestimmt, aber in § 11 steht, auf Gehwegen und in Fußgängerzonen „haben Fußgänger Vorrang und dürfen weder behindert noch gefährdet werden, wenn nötig muss gewartet werden.“
Wo dürfen sie parken?
- Sie werden laut VO nicht geparkt, sondern wie Fahrräder abgestellt.
Werden bis 12 km/h-schnelle wie Fußgänger, auch außerhalb von Ortschaften behandelt?
- In § 10 (4) heißt es „Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Elektrokleinstfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von weniger als 12 km/h nur auf Gehwegen (Zeichen 239 Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) und gemeinsamen Geh- und Radwegen (Zeichen 240 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) gefahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf baulich angelegten Radwegen und Seitenstreifen gefahren werden.“
Das Zusatzzeichen soll mit 31 Silben sehr lang ausfallen. Mit einem flüchtigen Blick ist es nicht zu erfassen. Die 12 km/h sollen alternativ zu den Füßen gebraucht werden. Damit verbrauchen sie wesentlich mehr Energie. Klimaschutz-Ziel wird konterkariert. Werden Fußgänger beschleunigt, sind auch auf Gehwegen Staus vorprogrammiert. Soziale Infrastruktur wird noch mehr auseinandergerissen, Gehen damit unattraktiver. Weniger Gehen erzeugt Bewegungsmangel und damit mehr Gesundheitsprobleme. Die Geräte sollen Ersatz zum Auto sein. Dann müssten sie auch die Flächen des Autos und nicht der Menschen einnehmen. Warum wird das nicht priorisiert?
- Diese Fragen stellen wir uns auch. DIE LINKE hat gefordert, dass Elektrokleinstfahrzeuge nicht auf Gehwegen fahren dürfen und dass die Zulassung dieser Fahrzeuge daran gekoppelt wird, zusätzlichen Raum für den Radverkehr zu schaffen. Auch haben wir uns dafür eingesetzt, dass es Abstellflächen für diese Fahrzeuge gibt.
Gehwege sind mehr als Strecken um von A nach B zu kommen. Durch die 12 km/h auf Gehwegen leidet die Aufenthaltsqualität. Die Geräte stellen eine weitere Gefahr für geistig und körperlich beeinträchtige Fußgänger dar. Immerhin sind einige nur mit 3 km/h unterwegs. Die 12 km/h-Geräte sind 4 mal so schnell! Im Geschwindigkeitskorridor (12 bis 20 km/h) sollen die Geräte als Fahrräder eingestuft werden. Als was werden die Geräte bis 12 km/h eingestuft?
- Wir teilen Ihre Kritik und Ihre Gefahreneinschätzung ganz ausdrücklich. Es wird nur eine Differenzierung von zwei Geschwindigkeitsklassen vorgenommen. Beide werden als Elektrokleinstfahrzeuge bezeichnet.
Wenn die Fahrzeuge als Fahrräder eingestuft werden, ist man von der Kfz-Steuer befreit, da nur Kraftfahrzeuge dem Steuerrecht unterliegen?
- Elektrokleinstfahrzeuge werden nicht als Fahrräder eingestuft, sondern als Kraftfahrzeuge. Sie unterliegen nur einer Versicherungs-, nicht aber einer Kfz-Steuerpflicht.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch