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Dennis Paustian-Döscher
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Anja T. •

Frage an Dennis Paustian-Döscher von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Paustian-Döscher,

auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im Wahlprogramm der Grünen heißt es:
Hamburg ist, was wir draus machen.
Ökologisch. Gerecht. Weltoffen.
Aus Grüne Stadtentwicklung:
„…Gemeinwohlorientiert, sozial ausgewogen und nachhaltig: Wir wollen für Hamburg eine Grüne Stadtentwicklung voranbringen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert…“
Aus dem Grundsatzprogramm:
„…Wir akzeptieren es nicht, wenn Frauen nachts oder an bestimmten Orten Angst haben, auf die Straße zu gehen. Der öffentliche Raum gehört allen, alle müssen sich dort aufhalten können, selbstverständlich und ohne Angst. Mehr Polizei vor Ort kann die Sicherheit erhöhen…“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?

Vielen Dank für Ihre Antworten
Anja Twest

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau T.,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich hiermit versuche zu beantworten.

Die Wortwahl von Hamburg-Tourismus (eine eigenständige GmbH) finde ich nicht gelungen und hätte diese so nicht gebraucht. Dafür muss sich am Ende die Geschäftsführung verantworten, nicht die Politik.

Zur konkreten Frage: ich halte den Ausschluss von Jugendlichen, Frauen (und Männern, die dort einfach nur zum Anschauen der Frauen gekommen sind) für gerechtfertigt. Die Sexarbeiterinnen gehen an diesem Ort ihrer Arbeit nach. Sie haben es verdient, nicht wie Ausstellungsstücke betrachtet zu werden. Aus diesem Grund halte ich aus diesem speziellen Sachverhalt die Einschränkung für berechtigt. Auch und gerade aus feministischen Gründen. Denn gerade die Sexarbeiterinnen wünschen sich genau diese Würde in ihrer täglichen (und wichtigen) Arbeit.

Sie haben aus unserem Wahl- und Grundsatzprogramm zitiert. Meine Position ist komplett durch beides abgedeckt. Kein Mensch sollte Angst haben, nachts auf der Straße zu sein. Und der öffentliche Raum gehört uns allen. An diesen Punkten findet jeder seine Zustimmung. Aber Initimität und Würde am Arbeitsplatz (und die Herbertstraße ist einer) gehören für mich ebenso dazu. Politik ist die Abwägung unterschiedlicher Interessen. Und der Schutz dieser Frauen wiegt in diesem Fall für mich höher.

Zudem sind mir Proteste von Anwohner*innen, gerade in größerer Anzahl, nicht bekannt.

Beste Grüße

Dennis Paustian-Döscher

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