Portrait von Delara Burkhardt
Delara Burkhardt
SPD
0 %
/ 0 Fragen beantwortet
Frage von Reinhard G. •

Wie werden verunreinigte Impfstoffe nicht nur vom Impfstoffhersteller, sondern auch davon unabhängig, genau untersucht und auch die Ursachen der Verunreinigungen ermittelt?

Sehr geehrte Frau Burkhardt,
bereits bei mehreren Impfstoffen wurden Verunreinigungen festgestellt, wie jetzt auch in Japan.

Quellen (unter anderen):
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/verunre…
https://www.hna.de/gesundheit/astrazeneca-corona-impfstoff-verunreinigu…
https://www.bundestag.de/presse/hib/691616-691616
https://www.infranken.de/ratgeber/gesundheit/coronavirus/nach-panne-60-…

Unabhängig davon, ob Impfstoffe nun mit Proteinen, DNA, Schwermetallen oder etwas anderem (vielleicht Graphenoxid) verunreinigt sind: Welche Kontrollen finden statt? Wie und durch wen werden die Impfstoffe untersucht? Wie könnte noch zusätzlich untersucht werden? Vielleicht bei den Herstellern? Kann wirksam verhindert werden, dass Impfstoffe mit Verunreinigungen verwendet werden können? Sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Portrait von Delara Burkhardt
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Tatsächlich ist das Feld der Pharmakovigilanz, also der Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln sowie der Handlung zur Risikominderung sowie Wirkungssteigerung ein sehr komplexer, der stets internationale Dimensionen hat. Deswegen passt es gut, dass Sie viele internationale Beispiele gewählt haben.

Das Beispiel aus Japan zeigt, wie schnell wirksam Impfdosen, die in verschmutzte Ampullen eingefüllt wurden, aus der Verwendung gezogen wurden. Die Verunreinigung der Ampullen ist durch Edelstahl begründet. Edelstahl ist im Bereich künstlicher Gelenke ein schon jetzt in der Behandlung etablierter Stoff, der an sich nicht gesundheitlich bedenklich ist.

Ulmer Forscher*innen wiesen dieses Jahr außerdem, Ihr Beispiel 2, eine Verunreinigung von AstraZeneca-Impfdosen durch Proteine nach. Proteine sind im Körper natürlich vorkommende Eiweiß-Moleküle, die für alle menschlichen Körperfunktionen zwingend gebraucht werden. Viele Zellen Ihres Körpers sind mit der Herstellung von Proteinen beauftragt und sichern so, dass Sie nicht darüber nachdenken müssen, was Ihr Körper als nächstes tut. AstraZeneca ist ein Vektorimpfstoff. Vektorimpfstoffe sind eine schon länger etablierte Technologie, die dafür sorgt, dass der Körper ein Protein selbst herstellt, welches dem Protein des zu bekämpfenden Virus möglichst ähnlich ist. Sobald dieses Protein gebildet ist, kann der Körper einen Immunantwort dagegen einleiten. Das Protein schadet ihm im Gegensatz zu einer tatsächlichen Infektion mit dem entsprechenden Krankheitserreger nicht. Der Körper merkt sich die auf das Erreger-ähnliche Protein abgefahrene Immunantwort und kann diese dann im Falle einer Infektion mit dem tatsächlichen Virus sofort abfahren, sodass der Körper nicht krank wird.
Um die Produktion eines Proteins im Körper anzuregen, wird ein Vektor erzeugt, also eine für den Körper nicht gefährliches Virus als Vektor (also als Transportmittel) genutzt. Dort befindet sich die DNA zur Herstellung des gewünschten Proteins. Dieser Vektor wird in menschlichen Zelllinien (also Zellen, die immerfort vermehrt werden, die mehrheitlich schon seit Jahrzehnten in Laboren gezüchtet werden) hergestellt. Und aus genau diesem Herstellungsschritt fanden Forscher*innen noch Rückstände in Form menschlicher Proteine (sprich: in menschlichen Zellen der Zelllinien hergestellten Proteine). Diese könnten, wenn es der entsprechende Proteintyp (Hitzeschockprotein) in einer entsprechend hohen Anzahl pro Volumen ist, die Wirksamkeit des Impfstoffes herabsetzen. Die Forscher*innen empfehlen daher ausführlichere Qualitätskontrollen bei AstraZeneca und Reduktion der Proteinanteile im Impfstoff. Mitunter könnte das den Wirkstoff effektiver machen. Sie sehen hier ein gutes Beispiel von unabhängiger Überwachung der Impfstoffe nach der Zulassung. Es wird aber auch deutlich: Diese Verunreinigungen schaden nicht direkt, der Nutzen der Impfstoffe ist deutlich höher als sein Risiko – das ist eine der wichtigsten Abwägungen in der Pharmakovigilanz.

Die Verunreinigung der Impfdosen von Johnson & Johnson in der Herstellung in Baltimore – es ist übrigens nicht öffentlich bekannt, wie viele Impfdosen tatsächlich so verunreinigt waren, dass sie nicht eingesetzt werden konnten – ist darauf zurückzuführen, dass hier Fehler im Umstieg der Herstellung zweiter Impfstoffe geschehen sind. Es wurden schlicht Inhaltsstoffe verwechselt. Die Anlage hatte zuvor AstraZeneca-Impfstoff produziert und war im Zuge dessen bei der Federal Drug Agency (FDA) schon negativ aufgefallen.

Die kleine Anfrage der Linken aus dem vergangenen Jahr im Bundestag haben Sie ohne die entsprechende Antwort hier verlinkt (diese findet sich hier: https://dserver.bundestag.de/btd/19/188/1918812.pdf). Aus dieser Antwort geht hervor, dass aufgrund der in der Kleinen Anfrage hervorgehobenen angeblichen Schwermetall-Verunreinigungen von Impfstoffen für Kinder innerhalb der Jahre 2010-2019 keine einzige Charge aus dem Verkehr gezogen werden musste. Das nimmt der Anfrage doch stark die Luft aus den Segeln. Hier wird eher gemunkelt als tatsächlich kritisch gefragt. Nebenbei erklärt die Antwort ausführlich, wie Impfstoffe in Deutschland nach ihrer Zulassung weiter geprüft werden. Eine (leider nur auf Englisch verfügbare) Übersicht der Prüfungsschritte finden Sie auf der Seite des EU-Rates: https://www.edqm.eu/en/human-ocabr-guidelines.

Außerdem erwähnen Sie die Verunreinigung von Impfstoffen durch Graphenoxid. Diese Behauptung hält sich hartnäckig in deutschen Impfgegner*innenblogs, beruht aber auf einer Studie, die so an sich keine ist, weil die Herkunft der Probe unbekannt und der Abgleich zur Feststellung von Graphenoxid durch Bilder erfolgte, was wissenschaftlich nicht haltbar ist. Die Universität von Almería in Spanien, an der der Verfasser der Studie, Pablo Cambra Madrid, lehrt – übrigens nicht wie in der Studie behauptet in Chemie und Biologie, sondern in Landwirtschaftswissenschaften – distanziert sich öffentlich von der Studie. Auch eine Komission aus Forscher*innen kritisiert sie stark. Weitere Hintergründe finden Sie im Faktencheck dazu: https://correctiv.org/faktencheck/2021/08/24/nein-zugelassene-covid-19-impfstoffe-enthalten-kein-graphenoxid/. Graphenoxid ist in hohen Dosen gesundheitsschädlich für den Menschen, in so geringen Dosen, wie man sie in Impfstoffen auffinden würde, allerdings nicht. Deswegen wird gerade tatsächlich an Tieren erforscht, ob Graphenoxid für Impstoffe verwendet werden kann. Diese Forschungen stehen allerdings noch am Anfang ihrer Entwicklung.

Seit 2012 gilt die neueste Änderung der pharmazeutischen Gesetzgebung in der EU. Nachfolgend möchte ich, sicherlich in Ihrem Sinne, ausschließlich auf die Pharmakovigilanz nach der Zulassung eingehen. Die Übersicht über die gesamte Pharmakovigilanz der EU finden Sie auf der Website der Europäischen Medizin-Agentur (EMA): https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/pharmacovigilance-overview

Zunächst können sowohl Ärzt*innen als auch Privatpersonen die nach der Impfung auftretenden Nebenwirkungen online auf der Seite des Bundes melden: https://nebenwirkungen.bund.de/SiteGlobals/Forms/nebenwirkungen/covid-19-impfstoff/01-person/person-node.html;jsessionid=7558C428282D841E628DD99445017DC7.intranet181 Aus der Natur von Impfungen, die eine sofortige Immunreaktion hervorrufen, ergibt sich übrigens, dass durch Impfungen keine Langzeitfolgen ausgelöst werden können: https://www.swr.de/wissen/corona-impfung-langzeitfolgen-100.html.

Die gemeldeten Nebenwirkungen werden in einer für Zulassungsstellen und Gesundheitsbehörden zugänglichen Datenbank namens EudraVigilance gesammelt, die für die gesamte EU gilt, gesammelt. So können in Verdachtsfällen Zahlen aus anderen Ländern zum Vergleich hergezogen werden, um zu prüfen, ob die Verdächtsfälle im Kausalzusammenhang mit den Impfungen stehen. Ferner werden die Impfstoffe regelmäßig standardisierten Tests unterzogen. Die Kriterien dafür stellt der EU-Rat. Sollten sich aus den Daten in der Datenbank zu Nebenwirkungen Verdachtsfälle ergeben, kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, also die in Deutschland nach der Zulassung zuständige Behörde, eingreifen. Eine der Sicherheitsmaßnahmen, welche das BfArM dann durchführen kann, ist die Information an Verbraucher*innen. Dies ist zwingend nötig, um eine gut informierte Entscheidung treffen zu können. Ist die wissenschaftliche Erkenntnis aus den Verdachtsfällen so weitreichend, dass eine neue Risikobewertung des Arzneimittels nötig ist, so gestaltet das ebenfalls die BfArM. Ihre Schritte werden veröffentlicht, sodass Ärtz*innen und Patient*innen Bescheid wissen. Mehr dazu finden Sie auf der Seite des BfArM: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/aufgaben.html?nn=471274

Zur Pharmakovigilanz nach der Zulassung gehört auch, dass regelmäßige Sicherheitsberichte (Periodic Safety Update Reports, PSURs) durch zuständige Behörden (also NICHT Pharmakonzerne, sondern unabhängige Behörden im jeweiligen Mitgliedsstaat) durchgeführt werden. Je nach Bedarf kann zusätzlich durch die EMA (European Medicines Agency – die Zulassung von Medizinprodukten in Deutschland kann nur erfolgen, wenn diese von der EMA empfohlen wurden. Sie gibt den Rahmen für die deutsche Gesetzgebung in Sachen Arzneimittelzulassung vor.) verordnet werden, dass weitere Studien stattfinden (Post-Authorisation Safety Studies, PASS). Speziell für die Impfstoffe gegen SARS-Cov-2 hat die EMA einen weiteren speziellen Pharmakovigilienzplan erstellt, der hier einzusehen ist: https://www.ema.europa.eu/en/documents/other/pharmacovigilance-plan-eu-regulatory-network-covid-19-vaccines_en.pdf. Er sieht vor, dass auch die Herstellenden regelmäßige Sicherheitsberichte über ihre Impfstoffe bei der EMA vorlegen müssen. Dieser Ansatz hat zum Ziel, Arzneimittelherstellende mehr in die Pflicht zu nehmen, und Steuerzahler*innen zu entlasten. Wichtig für die Zulassung, die Prüfung nach der Zulassung und den Status dieser ist die Abwägung: Ist der Nutzen einer Arznei größer als ihr Risiko? Deswegen wird das Risiko oft geprüft, um ggf. getroffenen Evaluationen zu verändern und notfalls Zulassungen zu revidieren. Soland der Nutzen aber höher ist als das Risiko, ist eine Zulassung sinnig.

Sie fragten eingangs, ob so verhindert werden könne, dass verunreinigte Proben in den Umlauf geraten. An all Ihren Beispielen merken Sie ja: Sobald es auffällt, wird die Verbreitung der betroffenen Chargen gestoppt. Also ja, der Mechanismus wirkt. Nirgends ist die Pharamkovigilienz so effektiv wie innerhalb der EU. Darauf können wir echt stolz sein.

Mit freundlichen Grüßen

Delara Burkhardt

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Delara Burkhardt
Delara Burkhardt
SPD