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Delara Burkhardt
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Frage von Oliver S. •

Frage an Delara Burkhardt von Oliver S. bezüglich Recht

Was werden Sie als MdEP dafür tun um Viktor Orbans homophobe Gesetzgebung zu kontern? Ich verlange nicht dass die legislative Autonomie Ungarns angegriffen wird, aber ich will nicht dass Steuergelder die ich in D bezahle an eine ungarische Diktatur fließen.

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Sehr geehrter Herr Scheel,

im jüngst erschienenen Bericht zur jährlichen Bewertung der Rechtsstaatlichkeit in der EU ist erkennbar, dass in allen EU-Mitgliedsstaaten Defizite bei der Rechtstaatlichkeit vorliegen. Gerade aber in Polen und Ungarn wird die Gewaltenteilung und unabhängige Kontrolle der Macht der Regierenden abgeleht. Die Kommission hat auf die Aufforderung des Parlaments hin nicht gehandelt und zögert weiterhin, Schritte gegen Ungarn einzuleiten. Die USA hat Anfang Juni Sanktionen gegen Politiker*innen und Oligarchen in Bulgarien, weil sie ihnen Korruption und Verbindungen zur Mafia vorwerfen. Am problematischsten ist die Lage in Ungarn und Polen.

Bereits 2018 hat das EU-Parlament Sanktionen gegen Victor Orbán verhängt. Damals stellte ein Bericht des EU-Parlaments eine „systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn“ fest. Damals galt noch ein Verfahren für mögliche Verletzungen des Rechtsstaates, das in Art. 7 des EU-Vertrages festgeschrieben ist. 2018 leitet man dieses Verfahren gegen Ungarn und Polen ein. Leider stützen sich diese beiden Länder gegenseitig, und da es für die Wirksamkeit des Verfahrens die Zustimmung aller anderen Länder abseits des jeweils angeklagten Landes braucht, konnten sich Ungarn und Polen gegenseitig vor dem Verfahren bewahren. Seitdem hat sich die politische Lage in beiden Ländern weiter zugespitzt. Aber auch das Europa-Parlament war nicht untätig. Nach der Entscheidung gegen Orbán haben wir außerdem einen Mechanismus auf den Weg gebracht, der Rechtsstaatlichkeit und Subventionen verbindet: Den Rechtsstaatsmechanismus. Er gilt seit dem Januar 2021. Ziel des Mechanismus ist es, dass die Kommission die Kürzung von Fördergeldern beantragen kann, wenn in dem geförderten Mitgliedsstaat Grundwerte verletzt werden oder ein Missbrauch von EU-Mitteln droht.

Ungarn erhält viele Gelder aus der EU, auch wenn Orbán die Grundsätze der EU missachtet und über sie spottet, wo er nur kann. Die Kommissarin für Werte und Transparenz der EU, Vera Jourová, bezeichnete Ungarn selbst als „kranke Demokratie“. Europa ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern vor allem auch eine Werteunion. Dass Mitgliedsstaaten mit Gesetzen wie denen gegen das freie Ausleben von Sexualität gegen diese Werte verstoßen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wer „ideale Familien“ in der Verfassung verankert, Homosexuellen die Adoption von Kindern verbietet, Darstellungen von Regenbogen-Paaren und -Familien in der Öffentlichkeit verbietet und Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzt, um Adressen und Namen von Homosexuellen in Datenbanken zu sammeln, verstößt eindeutig gegen die europäische Idee „In Vielfalt geeint“. Diese Gesetzgebung in Ungarn schränkt die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Entfaltung massiv ein.

Fraktionsübergreifend wurde dieses Gesetz im Europaparlament aufs Stärkste verurteilt. Unter dem Vorwand, Kinder zu schützen, diskriminiert und kriminalisiert dieses Gesetz Homosexuelle und Transsexuelle. Die EU-Kommissionschefin selbst, Ursula von der Leyen, bezeichnete das Gesetz als „Schande“, und forderte die Regierung Orbán zur sofortigen Rücknahme dessen auf. Dennoch sind ihren Worten keine Taten gefolgt – weder in Ungarn noch seitens der Kommission. Das Europäische Parlament hat die Kommission bereits im März mit einem Ultimatum zum Handeln aufgefordert.
Denn es ist außerdem zu befürchten, dass die Fördergelder der EU in Ungarn durch Orbán an seine Nahstehenden verteilt werden. Der Korrupte Umgang mit EU-Geldern negiert deren solidarischen Anspruch komplett. Da die Kommission darauf nicht entsprechend handelte, hat das europäische Parlament im Juni diesen Jahres eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission eingeleitet. Zunäcst wendet sich der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, an die Komission und fordert sie im Namen des gesamten Parlaments zum Handeln auf. Sollte die Kommission nicht innerhalb von zwei Monaten angemessen reagieren, kann die Klage an den Europäischen Gerichtshof gehen. Mit der Klage möchten wir bewirken, dass Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit unverzüglich geahndet werden. Das Thema wird noch mal drängender im Licht der Enthüllungen, dass ungarische Journalist*innen mit dem Überwachungsprogramm „Pegasus“ ausspioniert wurden.

Die Kommission handelt aktuell nicht gegen Ungarn und Polen, weil beide Länder den EU-Haushalt und die EU-Corona-Wiederaufbaufonds blockiert hatten, weil sie die Rechtsstaatskonditionalität ablehnten. Was wie ein Eingeständnis wirkt, weil man ja nur Dinge ablehnt, gegen die man selbst verstößt und die einem selbst dann wohl schaden würden, hat sich für beide gelohnt – damit die Gelder für die Corona-Fonds fließen konnten, musste man einräumen, dass die Richtigkeit des Rechtsstaatsmechanimus durch den Europäischen Gerichtshof geprüft wird. Damit setzen sich aktiv über das Parlament als Gestzgeberin hinweg, was uns als Abgeordnete sehr frustriert. Die Kommission verteidigt sich damit, dass man gerade beim ersten Anwenden des neuen Mechanismus optimal vorbereitet sein möchte, um mögliche Streitfälle am EuGH zu gewinnen. Der angekündigte Entwurf für die Anwendungsleitlinien enttäuschte das Parlament in vollem Maße, weil er deutlich zeigt, dass er nicht nötig gewesen wäre. Diese Zeitaufschiebung ärgert uns. Wir möchten, dass die EU-Kommission, die ja versprochen hatte, dass kein Fall verloren gehen würde, sich an ihr Versprechen hält und endlich handelt. Wir als Europa-Parlament können gerade nur abwarten, ob sie rechtzeitig reagiert, oder ob wir mit der Klage vor den EuGH gehen müssen. Das ist auch für uns eine mehr als frustrierende Position.

Mit freundlichen Grüßen
Delara Burkhardt

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