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Delara Burkhardt
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Frage von Lothar M. •

Frage an Delara Burkhardt von Lothar M. bezüglich Recht

Wie Sie vielleicht wissen, wurde ein “Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite” eingebracht und wird heute (6.11.2020) von 9 bis 10 Uhr vom Bundestag beraten und soll danach in den Gesundheitsausschuß überwiesen werden.

Art. 1 Nr. 18 hat es in sich:

Menschen, die nach Deutschland einreisen und eventuell “einem erhöhten Infektionsrisiko” für COVID-19 ausgesetzt waren, sollen in Zukunft verpflichtet werden können, eine Impfdokumentation bezüglich SARS-CoV-2 vorzulegen. (Zuvor war in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b noch von einer “Impf- oder Prophylaxebescheinigung” die Rede!)
Das Infektionsrisiko gilt als erhöht, wenn man sich in einem ausländischen Risikogebiet (und zwar ab dem Tag nach Veröffentlichung auf der RKI-Webseite) aufhält.

Mit Bahn, Bus, Schiff und Flugzeug sollen Betroffene nur noch nach Deutschland reisen dürfen, wenn sie die Impfung vor der Beförderung nachweisen!
Das bedeutet: Man soll keine Auslandsreise mit diesen Verkehrsmitteln mehr antreten können, ohne sich vorher impfen zu lassen – denn das Zielgebiet kann von einem Tag auf den anderen zum Risikogebiet erklärt werden.
Damit wird die Rückreise unmöglich, es sei denn, man lässt sich noch vor Rückreise im Ausland impfen!

Die Impfdokumentation soll übrigens bei Grenzübertritt stichprobenartig polizeilich kontrolliert und mit den Reisedokumenten abgeglichen werden. Das soll auch für ein ebenfalls notwendiges ärztliches Zeugnis “oder Testergebnis”, dass COVID-19 nicht vorliegt, gelten.

Es wird explizit erwähnt, dass das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 GG) durch diese und weitere Regelungen eingeschränkt wird.

Wie stehen Sie zur geplanten Änderung und den damit einhergehenden Grundrechtseinschränkungen?
Ist aus Ihrer Sicht diese Änderung verfassungswidrig?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.

LM

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

da ich nicht Abgeordnete des Bundestags bin, habe ich nicht an der Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz teilgenommen.

Meine Kolleg*innen der SPD-Fraktion haben sich allerdings für ein ausgewogenes Gesetz eingesetzt, dass die staatliche Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zum Schutz von Gesundheit und Leben mit der zeitlich befristeten Einschränkung anderer Grundrechte genau abwägt.

Zur Erfüllung der grundgesetzlichen Pflicht zum Schutz von Gesundheit und Leben ergreifen die Landesregierungen derzeit umfangreiche Schutzmaßnahmen, die eine unkontrollierte Weiterverbreitung des Coronavirus verhindern sollen. Diese sind notwendig, um die zweite Infektionswelle zu brechen, die trotz des erheblich ausgeweiteten Schutzes vulnerabler Gruppen zu einer Zunahme der schweren Verläufe und Todesfälle geführt hat und unser Gesundheitssystem an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit treibt. Darüber hinaus beeinträchtigen die mit den Infektionen verbundenen hohen Krankenstände und vielen Quarantänefälle auch die Wirtschaft und gefährden die Aufrechterhaltung der Infrastruktur.

Ziel der Änderungen am Infektionsschutzgesetz ist es, einen effektiveren Grundrechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger, eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Exekutive und mehr Rechtssicherheit im Corona-Krisenmanagement zu erreichen. Hierzu wird in dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz in einem neuen § 28a IfSG konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen, welche Grundrechte wie lange und zu welchem Zweck im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeschränkt werden dürfen. Bislang sah das Gesetz eine sehr weite Generalklausel vor. Dieser Spielraum wird nun durch den Deutschen Bundestag auf Drängen der SPD inhaltlich und prozessual eingeengt und die Bundesregierung dem Bundestag gegenüber einer regelmäßigen Berichtspflicht über die Entwicklung der Pandemie unterworfen.
Darüber hinaus werden Anpassungen im Infektionsschutzgesetz vorgenommen, um die Länder, die Gesundheitsämter, die Krankenhäuser oder die Pflege-, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen bei der Bekämpfung der Pandemie weiter zu unterstützen. Vorbereitet wird außerdem der Start der Impfstrategie zum 16. Dezember, die Testkapazitäten werden erhöht, beispielsweise durch die Einbeziehung der veterinärmedizinischen Labore, und die Überwachung der Impfungen in den Impfzentren wird sichergestellt. Außerdem werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Krankenhäuser noch im Dezember weitere finanzielle Hilfe erhalten können. Das ist wichtig, weil Krankenhäuser zunehmend COVID-19-Patienten zu behandeln haben und dafür die notwendigen personellen und sachlichen Kapazitäten bereithalten müssen.

Eine Verbesserung des Grundrechtsschutzes wird auch durch neue Verfahrensvorschriften erreicht. So müssen die Rechtsverordnungen der Länder, mit denen Corona-Schutzmaßnahmen angeordnet werden, in Zukunft begründet werden. Dies hat nicht nur den großen Vorteil, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Erwägungsgründe besser nachvollziehen können. Es führt auch dazu, dass die jeweilige Landesregierung bei Erlass der Verordnung die Erforderlichkeit der Maßnahmen nochmals eingehend prüfen muss. Die Maßnahmen sind in Zukunft auch grundsätzlich auf zunächst vier Wochen zu befristen und können nur mit einer erneuten Entscheidung der Landesregierung verlängert werden. Befristungen lösen einen neuen Handlungs- und politischen Rechtfertigungsbedarf bei Gesetz- und Verordnungsgeber aus und frischen damit die Legitimation der getroffenen Maßnahmen auf. Diese Verbesserungen des Grundrechtsschutzes sind entscheidend auf die Initiative der SPD zurückzuführen.

Der in den letzten Wochen von einigen Menschen gezogene Vergleich zum Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten ist für uns Sozialdemokratinnen und -demokraten unerträglich. Mit dem Ermächtigungsgesetz begann die Nazi-Diktatur, die im Holocaust endete. Dieser Vergleich ist ein Hohn für alle Opfer des Nationalsozialismus. Er ist auch inhaltlich falsch: Das Parlament macht den Landesregierungen mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz strengere Vorgaben, als dies bislang der Fall war. Es handelt sich also eher um ein Begrenzungsgesetz. Auch hat das Parlament in den Verhandlungen auf eine Streichung des viel zu weiten § 5 Abs. 2 Nr. 3 IfSG gedrungen, der bislang dem Bundesgesundheitsminister weitreichende Befugnisse eingeräumt hatte. Die Befugnisse der Regierung werden also deutlich reduziert.

Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen helfen konnte, Ziel und Inhalt der Reform etwas besser einzuordnen und einige Bedenken ausräumen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Delara Burkhardt

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