Frage an Delara Burkhardt von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe
Sehr geehrte Frau Burkhardt,
ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meinen gewählten Abgeordneten mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann
Sehr geehrter Herr Wehrmann,
In den letzten Wochen und Monaten haben wir an verschiedenen Stellen der EU-Außengrenzen erschreckende Entwicklungen mit gewalttätigen Übergriffen erlebt, Aufmerksamkeit erreichte in den letzten Tagen und Wochen vor allen Dingen die Situation an der griechisch-türkischen Grenze. Die Berichte über Gewalt gegen die lokale Bevölkerung, NGOs, Journalist*innen und vor allen Dingen Schutzsuchende, stehen im krassen Gegensatz zu den Grundwerten der Europäischen Union. Hinzu kommen zum Teil unsägliche Bedingungen, in denen Geflüchtete seit Jahren untergebracht sind. Dies gilt insbesondere für die unhaltbar überfüllten Lager auf den griechischen Inseln. In diesen verschlechtern sich die Umstände immer weiter, auch weil die anderen EU-Mitgliedstaaten Griechenland sträflich im Stich lassen. Diese Bedingungen könnten in der jetzigen Situation den perfekten Nährboden für eine Verbreitung des Coronavirus bieten. Ein großer Teil der Geflüchteten hat zudem keinen Zugang zum griechischen Gesundheitssystem und bekommt damit keine grundlegende medizinische Versorgung, die stattdessen NGOs notdürftig anbieten.
Die EU muss ihrer humanen und menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden: Kommission und Rat müssen sicherstellen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und das EU-Recht in der gesamten Europäischen Union angewendet werden.
Viel zu lange haben die EU-Mitgliedstaaten Griechenland allein gelassen und Vorschläge des Parlamentes und der Kommission zur Verteilung Geflüchteter blockiert. Der Hass und die Überforderung, die wir in den letzten Wochen erleben konnten, sind eine Folge europäischen Nichthandelns. Und sie stehen im Widerspruch zu der Bereitschaft der vielen Städte und Gemeinden, die bereit sind Geflüchtete aufzunehmen. Allein in Deutschland gibt es 140 Städte, die ihre Hilfe angeboten haben. Diese Hilfe umzusetzen muss ihnen unbürokratisch ermöglicht werden.
Wir brauchen eine Europäische Union, die ihre Verantwortung nicht an Drittstaaten abwälzt und Menschen zum Spielball von Despoten macht. Wir haben die Staaten an den EU-Außengrenzen allein gelassen. Wir müssen jetzt handeln und die Solidarität in Europa nutzen, um den Menschen schnell zu helfen. Deshalb fordere ich die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission auf, eine unverzügliche Evakuierung der Lager einzuleiten.
Auch die griechische Regierung muss zur Verbesserung der Situation beitragen. Anfangen sollte dies bei der sofortigen Wiedereinführung des Asylsystems, das Schutzsuchenden Zugang zu einem geregelten Verfahren garantiert. Ich erwarte, dass die Europäische Kommission dazu endlich Stellung bezieht und auf die Umsetzung von geltendem europäischem und internationalem Recht drängt. Stattdessen hat sich Kommissionspräsidentin von der Leyen bisher leider bei Griechenland als „Schild“ Europas bedankt. Das verurteile ich, denn solche Äußerungen rütteln an den Grundpfeilern unserer demokratischen Werte. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass ich mich für diese Werte und für tausende schutzsuchende, gefährdete Menschen weiterhin einsetze.
Mit freundlichen Grüßen
Delara Burkhardt