Frage an Daniel Wesener von Mischa O. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Wesener!
Seitens der CDU-Fraktion soll der Versuch unternommen worden sein, analog zum "Konsens gegen rechts" vom 01.07.2016 eine gemeinsame Stellungnahme aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses gegen linksextremistische Gewalt herbeizuführen.
Herr Saleh soll auf ein entsprechendes Schreiben von Herrn Graf (CDU) nicht geantwortet haben.
Auch zwei Einladungen zu einem diesbezüglichen Treffen zum 11.08. bzw. 20.08. von Herrn Wegner (CDU) blieb durch Sie unbeantwortet.
Hierbei entsteht der Eindruck, als hätten Sie respektive Ihre Fraktion/Partei ein inhaltliches Problem, linksextremistische Gewalt ohne "wenn und aber" zu verurteilen.
Da ich mir das kaum vorstellen kann - denn Gewalt ist Gewalt und kann niemals Mittel einer legitimen politischen Auseinandersetzung sein - möchte ich gern Ihre Beweggründe erfahren.
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter M. O.,
vielen Dank für Ihre Frage, ihre Vorstellung trügt sie nicht! Bündnis 90/Die Grünen haben wiederholt und unmissverständlich jede Form von Gewalt verurteilt. Denn Gewalt kann niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, ganz egal von wem sie ausgeht. Unsere letzte Pressemitteilung zu diesem Thema liegt erst wenige Wochen (19. August) zurück. In der heißt es anlässlich diverser gewalttätiger Übergriffe im Berliner Wahlkampf:
"+ Eine offene Gesellschaft braucht einen offenen und demokratischen Diskurs. Wir sehen mit Sorge auf die steigende Anzahl von Angriffen auf Menschen, die sich im Rahmen des Wahlkampfes demokratisch engagieren.
+ Gewalt kann niemals ein Mittel der Auseinandersetzung in unserer offenen und freien Stadt sein. Es liegt an uns, diese Werte zu verteidigen – auf der Straße, am Infostand und im Internet. Wir müssen gerade dann gegenhalten, wenn es schwierig wird, denn nur so kann der demokratische Konsens in unserer Stadt funktionieren. Konflikte in der Stadt gilt es friedlich zu regulieren.
+ Wir erleben in diesen Tagen eine Radikalisierung der Sprache und der Taten. Wir treten dieser Spirale der Radikalisierung entschlossen entgegen.
+ Eine Spaltung der Gesellschaft hat Berlin nie gut getan. Es liegt deshalb an uns, den respektvollen Diskurs – gerade in Wahlkampfzeiten – aufrechtzuerhalten. Dazu gehört es, Einschüchterungsversuche z.B. an Infoständen zu unterlassen. Aber auch die Zerstörungen von Wahlplakaten und die gewalttätigen Angriffe auf die Büros oder sogar Wohnhäuser von gewählten Volksvertretern sind Angriffe auf unsere demokratische Grundordnung, gegen die wir uns zur Wehr setzen.
+ Es gibt keine „bessere und schlechtere“ Gewalt. Wer Gewalt ausübt, kann für die Politik niemals Verhandlungspartner sein. Das gilt völlig unabhängig davon, unter welchem Deckmantel einer politischer Ausrichtung – ob links, rechts oder religiös – sie ausgeübt wird.“
Umso ärgerlicher ist es in den Augen von uns Grünen, dass CDU und FDP das ernste und wichtige Thema der linksextremistischen Gewalt für ihre Wahlkampfzwecke zu missbrauchen versuchen. Offenbar möchte Innensenator Henkel kurz vor der Wahl von seinem langjährigen Versagen bei der Bekämpfung der Kriminalität und seiner mangelnden Fürsorge für die Polizei ablenken, indem er einen „Konsens gegen linke Gewalt“ einfordert – ein Konsens, den es zwischen allen demokratischen Parteien längst gibt.
Die Bilanz von fünf Jahren CDU-Regierungsverantwortung ist in der Tat verheerend: Immer mehr Wohnungseinbrüche und Alltagskriminalität, eine starker Anstieg der rechten Gewalt und eine sinkende Aufklärungsquote. Anstatt als CDU-Spitzenkandidat mit der Inneren Sicherheit Wahlkampf zu machen, sollte er als zuständiger Innensenator die Probleme in Berlin endlich angehen! Zum Beispiel durch mobile Wachen und mehr Polizei auf der Straße, aber auch durch eine bessere Ausstattung der Beamt*innen und eine moderne Ermittlungsarbeit. Symbolträchtige Razzien oder markige Worte helfen da wenig, geschweige denn Einsätze wie in der Rigaer Straße oder beim Bordell Artemis, die von den Gerichten im Nachhinein für rechtswidrig erklärt wurden.
Vor diesem Hintergrund haben nicht nur wir, sondern auch alle anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien davon abgesehen, der Aufforderung der CDU und FDP nachzukommen. Wer den bestehenden Konsens der Demokrat*innen aus durchsichtigen wahltaktischen Motiven für seine Zwecke zu instrumentalisieren versucht, tut damit weder sich selbst noch der Sache einen Gefallen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Wesener