Frage an Daniel Mühlner von Grit M. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Mühlner,
meine Frage bezieht sich auf die Bildungspolitik.
Ich bin Mutter von zwei Kindern, war bereits 2 Jahre Elternvertreter und musste mich mit dieser Problematik lange Zeit herumärgern. Es geht um Folgendes:
Während vergangener Plenarsitzungen wurde von verschiedenen Abgeordneten immer wieder behauptet, dass die Lehrerzahl an den Schulen ausreichend sei und Unterrichtsstunden nicht ausfallen würden. In der Praxis hat sich mir gezeigt, dass ansich wenig Unterrichtsstunden ausgefallen sind. Die Frage ist nur, zu welchem Preis.
Speziell die Klasse meiner Tochter ist sehr stark gebeutelt. Den Kindern der Klasse steht im laufenden Schuljahr (5. Klasse) bereits der 6. Klassenlehrerwechsel bevor. Schon in den ersten zwei Schuljahren fehlte den Kindern die wichtige Bezugsperson. Der Förderlehrer konnte selten bis gar nicht seiner eigentlichen Aufgabe nachgehen. Der Förderunterricht für die leistungsschwachen wie auch der leistungsstarken Schüler blieb teilweise mehrere Monate am Stück auf der Strecke. Auch andere Fachlehrer haben das Fehlen von Langzeiterkrankten kompensiert und haben durch die deutliche Mehrbelastung selbst gesundheitliche Probleme davongetragen. Dieser ständige Kreislauf macht beiden Seiten das Leben schwer: den Lehrern und den Schülern.
Des Weiteren empfinde ich das Thema "Inklusion" ansich für eine gute Sache. Bei dem Lehrermangel stehe ich dem Thema jedoch sehr skeptisch gegenüber. Wer soll die weiteren Fehlstunden, die durch Schulungen von vorhandenem Lehrpersonal entstehen, abdecken? Bleibt die zulässige Klassenstärke nach dem Brandenburgischen Schulgesetz bei 30 Schülern pro Klasse? Natürlich bin ich als Mutter daran interessiert, dass meine Kinder im Land Brandenburg die bestmögliche Bildung/Ausbildung erhalten.
Nun zu meiner Frage:
Wie schätzen Sie insgesamt die Bildungspolitik in Brandenburg ein und wofür würden Sie sich einsetzen?
Sehr geehrte Frau Maaß,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Erfahrungen entsprechen voll und ganz meiner Wahrnehmung. Wir sind uns wahrscheinlich in dem Fazit einig, dass die Bildungspolitik der amtierenden Landesregierung so nicht weitergehen kann, wenn wir unseren Kindern eine gute Bildung und damit die beste Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben mitgeben wollen. Wie Sie richtigerweise ansprechen, ist dafür der Lehrer als Pädagoge, Erzieher und soziale Bezugsperson von besonderer Bedeutung.
Seit Beginn der rot-roten Regierung 2009 hat Brandenburg 2859 Lehrer eingestellt, davon alleine 900 zum neuen Schuljahr. Im gleichen Zeitraum schieden jedoch 2908 Lehrer aus. Das heißt nichts anderes, dass wir bei etwa gleich bleibenden Schülerzahlen bis heute ein Fehl von etwa 850 Lehrer hatten. Gegenwärtig fallen 10% der geplanten Unterrichtsstunden zur Vertretung an, das ist der höchste Wert seit 15 Jahren. Nur 50% kann mit der sogenannten Vertretungsreserve abgesichert werden, d.h. wir reden an dieser Stelle von mehr als einer Million ausgefallenen Unterrichtsstunden in Brandenburg.
Da die beste Unterrichtsgestaltung sinnlos ist, wenn der Unterricht erst gar nicht stattfindet, müssen wir für eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften an unseren Schulen sorgen. In den kommenden Jahren werden immer mehr Lehrkräfte altersbedingt ausscheiden. Oberstes Ziel ist damit, mindestens die ausgeschiedenen Lehrkräfte mit neuen Lehrkräften der gesuchten Fächerkombinationen zu ersetzen. Dazu muss u.a. die Uni Potsdam ihre Lehramtsfächer an der Nachfrage des Landes ausrichten. Überdies setze ich mich für den Erhalt unseres Schulsystems und damit des Gymnasiums ein. Die Einführung einer Einheitsschule lehne ich entschieden ab. Fehlgeleitete Strukturdebatten führen nur zu einer Ungewissheit für unsere Schüler und Lehrkräfte. Deshalb mache ich mich für einen Erhalt des jetzigen Schulsystems stark. Unser Schulsystem berücksichtigt, dass nicht alle Kinder gleich sind, sich durchaus in anderen Entwicklungsstadien befinden können und unterschiedliche Fähigkeiten und Vorlieben haben. Darüber hinaus gewährleistet es mit seiner Durchlässigkeit klare Qualitäts- und Leistungsstandards. Für erfolgreiche inklusive Bildung gibt es für mich im Wesentlichen vier Voraussetzungen. Zunächst muss das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und der Elternwille beachtet werden. Zudem darf Inklusion das Leistungsniveau der Schüler nicht senken. Insbesondere darf Inklusion nicht zu Lasten der Kinder mit Behinderung / Lernbeeinträchtigungen gehen. Die rot-rote Landesregierung ist weit davon entfernt, diese Voraussetzungen im Blick zu haben oder gar umzusetzen. Sie verkündet stattdessen lapidar, zum Schuljahr 2015/2016 Inklusion flächendeckend einzuführen und bis 2019 alle Förderschulen abzuschaffen. Sollte die Inklusion so von Rot-Rot umgesetzt werden, müssen zusätzliche Mittel für besonders ausgebildeten Lehrer, Sozialarbeiter, Einzelfallhelfer sowie zusätzliche Investitionen in den Schulen, z.B. zur Herstellung der Barrierefreiheit, bereitgestellt werden. Sonst leidet das Bildungsniveau der Schüler insgesamt. Ich plädiere für den Erhalt der Förderschulen. Diese bieten die wichtige Möglichkeit, den besonderen Bildungs- und Betreuungsbedarf der Kinder mit Behinderungen und/oder Lernbeeinträchtigungen in besonderem Maße zu entsprechen. Deshalb sind sie für mich integraler Bestandteil unseres Schulsystems. Diese Wahlmöglichkeit darf den Kindern und Eltern nicht genommen werden.
Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet habe. Sollten Sie weitere Fragen haben, sprechen Sie mich bitte an.
Viele Grüße
Daniel Mühlner