Frage an Daniel Kerekes von Handren H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Was halten Sie von der momentanen Türkei Politik? Welche Rolle kann Deutschland übernehmen?
Die Momentane Politik der Türkei ist untragbar. Das heißt jedoch nicht, das sie es in der Vergangenheit nicht schon häufiger war oder andere Länder bessere Politik machen. Die Bundesregierung gibt sich besorgt über den zunehmend autokratischen Kurs Erdogans. Nach dem Referendum forderte sie eine Wiederaufnahme des Dialogs mit der Türkei. »Die Türkei ist und bleibt für uns ein wichtiger Partner. Sie ist Nato-Mitglied«, begründete Innenminister Thomas de Maizière die zurückhaltende Kritik der Bundesregierung. Und auch Außenminister Sigmar Gabriel argumentiert, die Türkei sei »selbst zur Zeit der Militärdiktatur Anfang der achtziger Jahre nicht aus der Nato ausgeschlossen« worden. »Und auch heute wollen wir die Türkei bei uns halten und nicht in die außenpolitische Isolation oder gar Richtung Russland drängen.«
Auch, wenn manchen Politikerinnen und Politikern in Deutschland die Politik Erdoğans teilweise ein Dorn im Auge ist, halten sie an seiner Unterstützung fest. Die Türkei ist für die EU und Deutschland ein wichtiger strategischer Partner. Mit seinen 78 Millionen Einwohnern liegt das Land am Schnittpunkt zwischen Europa und Asien und ist ein Schlüsselmitglied des imperialistischen Nato-Bündnisses. Innerhalb der Nato verfügt die Türkei über das zweitstärkste Militär nach den USA. Sie ist die sechstgrößte Volkswirtschaft in Europa. Das Land ist zwar kein Mitglied der Europäischen Union, aber es ist eng in die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der EU integriert. Dementsprechend steht die Bundesregierung fest an der Seite ihres Nato-Partners. Ohne die politische und militärische Unterstützung durch westliche Staaten wie Deutschland, Frankreich und die USA wäre die jahrelange Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung überhaupt nicht möglich gewesen. Die Bundesregierung unterstützt die Türkei militärisch, indem sie eine Raketenstaffel der Bundeswehr (die »Patriots«) im Land unterhält und im großen Stil Waffen exportiert. Zudem unterstützt sie die türkische Regierung politisch, indem sie die in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden stigmatisiert und kriminalisiert.
Wenn es der Bundesregierung tatsächlich um die Demokratie in der Türkei ginge, müsste sie, anstatt mit hohlen Phrasen an Erdogan zu appellieren: die Waffenexporte in die Türkei stoppen, den menschenverachtenden »Flüchtlingsdeal« mit Erdogan aufkündigen, die Bundeswehr überall aus der Türkei abziehen, in der Türkei politisch Verfolgten Asyl in Deutschland gewähren, sich für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen, das PKK-Verbot muss diskutiert sowie der Rassismus gegen Türken und Muslime in Deutschland bekämpft werden.
Zugleich muss sie in Deutschland endlich dafür sorgen, dass Türkeistämmige Menschen als Teil der deutschen Gesellschaft anerkannt werden. Das sie nicht als „Deutschtürken“ oder Menschen mit Migrationshintergrund in die zweite Reihe gedrückt werden. Türkische Familien leben bereits seit teilweise vier Generationen in Deutschland. Sie gehören zu diesem Land, sie sind Deutsche und keine Deutschtürken. Erst wenn sie von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert sind, wird sich das Verhältnis ändern, erst wenn wir aktiv gegen den Rassismus vorgehen, nicht mehr von „Türken“ sprechen usw., sondern von Deutschen Staatsbürgerinnen, erst dann können wir darauf hoffen, dass die Überidentifikation mit dem Herkunftsland ihrer Ur-, Groß- oder Eltern aufhört. Das kann ich als Mensch mit „Migrationshintergrund“ nur bekräftigen.