Frage an Daniel Bahr von Hans-Günter G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Bahr,
auf Ihren Vorschlag hin, will die FDP mit der Forderung nach einer umfassenden Neuordnung der Krankenversicherung in den Bundestagswahlkampf ziehen. Die Partei strebt eine Pflicht zur Versicherung für alle Bürger bei privaten Anbietern an. Die umlagefinanzierte gesetzliche Krankenversicherung sei in heutiger Form nicht zukunftsfähig.
Halten Sie und Ihre Partei immer noch an dem Privatisierungsdogma fest, obwohl Ihnen die Finanz-und Wirtschaftskrise als Negativbeispiel eine Lehre sein müsste?
In den USA hat Barack Obama die gesetzliche Absicherung soeben erst für vier Millionen Kinder mittelständischer Eltern ermöglicht, da diese sich bisher eine gesundheitliche Versorgung nicht leisten konnten.
Ist es Zufall, dass der Vorschlag der Neuordnung der Krankenversicherung ausgerechnet von Ihnen kommt?
Sie sind Mitglied des Beirats der ERGO Versicherungsgruppe und des privaten Versorgungsunternehmen DUK.e.V..
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Günter Glaser
Sehr geehrter Herr Glaser,
vielen Dank für Ihre Reaktion auf unseren Antrag und die zugehörige Berichterstattung in der Presse.
Bei dem Punkt, den Sie in Ihrem Schreiben schildern, handelt es sich meines Erachtens um ein Missverständnis, das wohl teilweise auch auf die verkürzte Darstellung unserer Zielsetzung in der Presse zurück zu führen ist. Lassen Sie mich Ihnen deshalb einige wesentliche Punkte unseres Antrages vorstellen.
Mich haben in letzter Zeit viele Anfragen von besorgten Bürgern erreicht, die nicht mehr verstehen konnten, was im Gesundheitswesen vor sich geht. Sie erhalten nicht mehr das gewohnte Arzneimittel oder Hilfsmittel, müssen bei Notfällen im Krankenhaus lange auf Hilfe warten und werden in ein Schema gepresst, das nicht dem entspricht, wie sie gerne behandelt werden möchten. Andererseits müssen sie aber miterleben, dass der Beitragssatz, wie zum Jahreswechsel, auf 15,5 Prozent angehoben worden ist, was für viele teilweise erhebliche zusätzliche Beitragsbelastungen zur Folge hatte. Seit den letzten Reformen unter der schwarz-roten Bundesregierung ist das deutsche Gesundheitswesen mit für die Bürger spürbaren Auswirkungen in Richtung eines staatlich gelenkten, zentralistischen Einheitskassensystems verschoben worden. Die schwarz-rote Koalition schiebt die Verantwortung von sich, dabei hat sie den gesetzlichen Rahmen gesetzt, der genau zu den jetzt beobachtbaren Folgen geführt hat.
Genau gegen diese Entwicklung möchte die FDP-Bundestagsfraktion mit dem Antrag, den wir in dieser Woche beschlossen haben, einen entschlossenen Gegenentwurf setzen.
Die liberale Gesundheitsversorgung fußt auf den Fundamenten Versorgungssicherheit, Transparenz, Vielfalt, Wahlfreiheit der Tarife, der Therapeuten und der Therapie, Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Eigenverantwortung und Leistungsgerechtigkeit.
In unserem Modell muss jeder Bürger eine als unbedingt notwendig erachtete Grundversorgung absichern. Ob er diesen Schutz bei einer gesetzlichen oder einer private Krankenversicherung abschließen möchte, ist ihm freigestellt. Gesetzliche und private Krankenkassen müssen aber unter gleichen Wettbewerbsbedingungen agieren können. Die FDP-Bundestagsfraktion ist keineswegs dafür, dass ältere Versicherte oder Versicherte mit Vorerkrankungen von einem Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Für die Grundversorgung soll deshalb ein Kontrahierungszwang gelten, eine Versicherung soll Interessierte bei der Absicherung der Grundversorgung nicht ablehnen können.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist es auch vollkommen unstrittig, dass diejenigen, die Finanzierung des Versicherungsschutzes aus eigenen Kräften nicht schultern können, unterstützt werden müssen. Dieser soziale Ausgleich soll jedoch nicht, wie bisher, in der gesetzlichen Krankenversicherung selbst erfolgen, sondern in das Steuer- und Transfersystem verlagert werden. Dort ist er nach unserer Auffassung transparenter und auch treffsicherer. Über das Steuer- und Transfersystem wird nämlich nicht nur das Erwerbseinkommen bis zur Höhe der Beitragsbemessung berücksichtigt, also bis derzeit 3.675 Euro im Monat, sondern das gesamte Einkommen eines Versicherten. Ungerechtigkeiten, wie etwa wenn die alleinstehende Verkäuferin die Familie des in der gesetzlichen Krankenversicherung verbliebenen Generaldirektors subventioniert, können so vermieden werden.
Wir fordern den Systemwechsel zu einem kapitalgedeckten Modell mit leistungsgrechten Prämien. Der bisherige Arbeitgeberbeitrag soll als Lohnbestandteil ausgezahlt werden. Vor dem Hintergrund einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung halten wir ein kapitalgedecktes Modell für die zukunftsfestere und generationengerechtere Finanzierungsform. Ein Finanzierungsmodell wie das bisher in der gesetzlichen Krankenversicherung angewandte Umlageverfahren lebt davon, dass stets genügend jüngere Beitragszahler vorhanden sind, um die aktuellen Leistungsausgaben finanzieren zu können. Genau die Grundvoraussetzung wird in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft wie der unseren jedoch durchbrochen. Vorsorge getroffen für die demografische Entwicklung kann nach Auffassung der FDP-Bundestagsfraktion nur über den Aufbau von zugriffssicheren Kapitalreserven. In der Alterssicherung ist dies bereits erkannt und unter anderem mit der Einführung der Riester-Rente ein Schritt in diese Richtung gemacht worden. Dabei ist eine Versicherung, also auch eine kapitalgedeckte Krankenversicherung, für Liberale per se eine Solidargemeinschaft: Hier stehen Menschen für Menschen, Gesunde für Kranke, ein.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist es auch wichtig, dass der Versicherte wieder zum mündigen Versicherten wird, und nicht weiterhin staatlicher Gängelung unterworfen ist. Die Versicherten sollen zwischen verschiedene Versicherungstarifen, Therapeuten und Therapien nach ihren Bedürfnissen wählen können. Ist die gewünschte Therapie teurer als der Betrag, den die Krankenkasse übernimmt, soll diese Therapie nicht von Vornherein ausgeschlossen werden. Über eine Mehrkostenregelung kann hier Wahlfreiheit auch tatsächlich umgesetzt werden.
Sowohl auf Seiten der Versicherer als auch auf Seiten der Leistungserbringer muss fairer Wettbewerb zugelassen werden. Er muss durch konsistente wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen ermöglicht werden. Die überbordende Regulierung im Gesundheitswesen ist auf das notwendige Mindestmaß zurück zu drängen. Die Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung zu setzen, nicht jedoch jedes Detail bis ins Kleinste zu regeln. Die Ärzte und Krankenhäuser brauchen Planungssicherheit und leistungsgerechte Vergütungen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten zu können.
Ich hoffe, dass ich durch meine Antwort die entstandenen Missverständnisse aufklären konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Bahr, MdB