Frage an Daniel Bahr von Gregor W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Bahr,
in diesem Monat wurde die "Wiener Erklärung" als offizielle Erklärung der 18. internationalen AIDS-Konferenz in Wien veröffentlicht, die von vielen international angesehenen Experten verfasst und unterzeichnet wurde.
Siehe:
http://www.diewienererklarung.com/ (deutsch)
http://www.viennadeclaration.com/ (englisch)
Kernaussage der Wiener Erklärung ist, dass die gegenwärtige Repressionspolitik für illegalisierte Drogen mehr Schaden als Nutzen verursacht, insbesondere in Bezug auf AIDS, und umgehend zu ändern ist.
Würden Sie dir Erklärung auch unterzeichnen, und wird sich die Drogenpolitik des Bundesministeriums für Gesundheit, sowie die von Ihnen auf internationalen Konferenzen und Abstimmungen vertretenen Standpunkte jetzt endlich an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren und damit grundlegend ändern?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Wenkelewsky,
vielen Dank für die Frage.
Die von Ihnen genannte "Wiener Erklärung" zur XVIII. Welt-Aids-Konferenz wurde von Forschern und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft verfasst. Die in der Erklärung formulierten Forderungen richten sich an Regierungen und internationale Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen. Als Adressaten der Erklärung konnten die bei der Konferenz anwesenden Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit die Resolution auf der AIDS-Konferenz also nicht unterzeichnen.
Das Bundesministerium für Gesundheit vertritt seit langem eine substanzübergreifende Sucht- und Drogenpolitik, die sich an evidenzbasierten Forschungsergebnissen ausrichtet. Neben Prävention, Beratung und Behandlung sowie Maßnahmen zur Eindämmung der Verfügbarkeit illegaler Suchtmittel zählen zu den vier Säulen der Drogenpolitik auch überlebenssichernde Maßnahmen, wie sie in der Erklärung gefordert werden.
Über Deutschland hinaus werden die in der genannten Erklärung erhobenen Forderungen im internationalen Bereich seit langem diskutiert. Wie von der Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache 16/12628 erläutert, wurde beispielsweise im März 2009 im Rahmen der 52. Sitzung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (CND) Bilanz über die Entwicklung des weltweiten Drogenproblems in der vergangenen Dekade gezogen und die Grundlagen für die künftige internationale Zusammenarbeit in der Drogenpolitik gelegt. Dieser Sitzung ging ein Jahr intensiver Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen aus der Vergangenheit und den daraus abzuleitenden Empfehlungen für die Zukunft voraus. Ergebnis dieses Prozesses war die vom Hochrangigen Treffen am 11. und 12. März 2009 verabschiedete Politische Erklärung sowie ein Aktionsplan, der diese Erklärung umsetzen soll. Deutschland hat sich an dem gesamten Prozess aktiv beteiligt, um dazu beizutragen, dass die Politische Erklärung einerseits eine realistische Bilanz zieht und andererseits auch einige neue Elemente und drogenpolitische Ansätze enthält. Auch wenn eine umfassende Verankerung von schadensminimierenden Ansätzen in der internationalen Drogenpolitik damals nicht erreicht werden konnte, gelang es der deutschen Delegation sowie 25 weiteren vorwiegend europäischen Staaten jedoch, durch eine Protokollnotiz zur Abschlusserklärung der 52. Session der CND schadensmindernde Maßnahmen unter dem Begriff "drug related support services" zu interpretieren.
Die Gestaltung und Ausrichtung der deutschen Drogenpolitik im nationalen und internationalen Rahmen, die die Zusammenhänge von Drogenpolitik und HIV/AIDS sehr genau im Blickfeld hat, wird von mir auch in der Zukunft weiterhin unterstützt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Bahr