Sollte das Rentensystem "bereinigt" werden?
Sehr geehrte Frau Schmidt,
obwohl ich politisch sehr interessiert bin und ich weiß, wie sich ein Rentenpunkt berechnet, stellt das Rentensystem in Deutschland für mich insgesamt eine "Blackbox" dar. Dies liegt vor allem auch daran, dass die DRV abgesehen von den Rentenzahlungen für die Versicherten noch zahlreiche weitere Aufgaben zu tragen hat. Gerade auch, weil nur ein Teil der Bevölkerung in die DRV einzahlt, würde ich mir wünschen, dass die Rente von zusätzlichen Aufgaben befreit wird und der Anspruch auf bzw. die Höhe der Rente ausschließlich von der Höhe und Dauer der Einzahlungen, sowie der demographischen Entwicklung abhängig ist. Zuwendungen an die potentielle Wählerschaft wie die Mütterrente oder die Rente mit 63 sollten (unabhängig von ihrer Sinnhaftigkeit) m. E. ausschließlich über Steuern finanziert werden. Wie sehen Sie das?
Sehr geehrter Herr R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre interessante Frage zur Lage und Zukunft des Rentensystems in Deutschland.
Beinah alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland müssen sich früher oder später mit der eigenen Alterssicherung beschäftigen und haben dabei mit der Rentenversicherung Kontakt. Spätestens wenn die erste und dann jährlich übersandte Renteninformation ins Haus kommt, ergeben sich Fragen und manchmal auch Sorgen, ob die eigene Rente nach dem Berufsleben ausreichen wird.
Die gesetzliche Rentenversicherung verfolgt neben den Versicherungs- und Äquivalenzprinzipien (das Prinzip beschreibt die Gleichwertigkeit von Leistung: Den von Ihnen gezahlten Beiträgen, und der dafür erhaltenen Gegenleistung, Ihrer späteren monatlichen Rentenzahlung) als Sozialversicherung auch das Solidarprinzip. Dadurch wird das reine versicherungsförmige Äquivalenzprinzip durch Elemente des Solidarausgleichs durchbrochen. Das heißt, dass unter bestimmten Bedingungen auch Zeiten berücksichtigt werden, in denen keine oder nur geringe Beiträge entrichtet werden konnten, wie z.B. Krieg, Gefangenschaft, Krankheit oder Berufsausbildung. In bestimmten Lebensphasen, in denen keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wird, wie z.B. während der Kindererziehung oder familiären Pflege übernimmt der Staat die Beiträge. Oder unter bestimmten Bedingungen werden niedrige Entgeltpunkte rechnerisch angehoben, z.B. durch die Grundrente. Der soziale Ausgleich in der Rentenversicherung mindert gesellschaftlich bedingte Risiken der Versicherten. So sorgt der soziale Ausgleich beispielsweise dafür, dass die Rentenunterschiede zwischen Männern und Frauen verringert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion und auch ich, sprechen uns deshalb klar für den Erhalt des Solidarprinzips in der gesetzlichen Rentenversicherung aus!
Die reine Äquivalenzbeziehung zwischen Beitrag und Rente wird durch den sozialen Ausgleich also ein Stück weit aufgebrochen. Hier kommen nun auch die steuerfinanzierten Bundeszuschüsse ins Spiel, die eben zur Abdeckung der allgemeinen gesellschaftspolitischen Aufgaben der Rentenversicherung dienen. Im Falle der Kindererziehungszeiten, die Sie angesprochen haben, leistet der Staat aus Steuermitteln eigene Beiträge für die Versicherten. Denn eine ausschließliche Finanzierung allein durch den Kreis der Beitragszahler wäre verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen wird auch die Rente nach 45 Versicherungsjahren somit über Steuermittel querfinanziert. Mit aktuell rund 100 Milliarden Euro decken die aus dem Bundeshaushalt gezahlten Mittel gut 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Bundeszuschüsse dienen zudem auch der Gewährleistung der dauerhaften Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung auch unter sich verändernden ökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen. Die Zuschüsse schützen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler vor übermäßiger Belastung. An diesem Prinzip wollen wir festhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB