Frage an Dagmar Schmidt von Hildegard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schmidt,
leider habe ich Ihre digitale Veranstaltung am 16.06.21 versäumt, in der auch folgende Frage zur Sprache kommen sollte: Was müssen wir noch erledigen, damit in allen Bereichen echte Gleichstellung zwischen Männern und Frauen gewährleistet ist?
Ich sehe eine grundlegende Problematik darin, dass es in unserem Rechtsstaat in Deutschland möglich ist, dass Frauen gegen Geld von Männern sexuell benutzt, bzw. vergewaltigt werden (Rachel Moran: Was vom Menschen übrigbleibt) können.
In Schweden, Norwegen, Island, Kanada, Nordirland, Frankreich, Irland und in Israel ist Sexkauf inzwischen verboten. Die Kinder dort dürfen in dem Bewusssein aufwachsen, dass kein Mensch gegen Geld sexuell benutzt werden darf. Wie die UN und die EU es formuliert haben, ist es dort als Menschenrechtsverletzung geächtet.
Meine Frage an Sie lautet, wie Sie zu dem dem Aufruf der Europäischen Union vom 26.02.2014 stehen:
Die EU-Staaten sollen die Nachfrage nach Prostitution eindämmen, indem sie die Freier bestrafen und nicht die Prostituierten, fordert das Europäische Parlament in einer am Mittwoch verabschiedeten nicht bindenden Resolution. Die Abgeordneten betonen, dass nicht nur Zwangsprostitution, sondern auch freiwillige sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung die Menschenrechte und die Würde des Menschen verletzen.
Herzliche Grüße
Hildegard Rebholz
Sehr geehrte Frau Rebholz,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zum Nordischen Modell.
Wie Sie vielleicht wissen, befürworte ich das Nordische Modell, wie es etwa in Schweden, Norwegen, Irland oder Frankreich praktiziert wird und den Sexkauf verbietet, also den Freier bestraft, die Prostituierten jedoch entkriminalisiert. Gleichzeitig findet in diesen Ländern eine gesellschaftliche und schulische Aufklärungsarbeit zu Sexualität statt, die ich sehr begrüße und mir auch für Deutschland wünsche.
Seit ihrer Liberalisierung 2001 wurde Prostitution in Deutschland salonfähig. Damals hatte der Gesetzgeber die selbstbestimmte, unabhängige, Steuern zahlende, sozialversicherte Prostituierte im Kopf. Das mag damals ein gut gemeinter, maßgeblich von den Grünen vorangetriebener Feldversuch gewesen sein, der aber jetzt zwanzig Jahre andauert und gescheitert ist. Das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz hat daran leider nur wenig geändert. Inzwischen ist zunehmend der Blick geschärft für Zwangs- und Armutsprostitution sowie Menschenhandel - sprich Sklaverei mitten in Deutschland.
In den Bordellen und auf dem Straßenstrich sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Das können alle spätestens seit dem Stuttgarter Paradise-Prozess 2019 wissen, in dem Jürgen Rudloff, der Saubermann der deutschen Bordelle, der lange durch die Medien tingelte und Bordelle als Wellness-Oasen der Männer weichzeichnete, u.a. wegen Beihilfe zum schweren Menschenhandel verurteilt wurde.
Durch die Corona-Pandemie findet eine unfreiwillige Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes statt. Nicht zuletzt hat sich im Zusammenhang mit der Schließung der Bordelle bestätigt, dass viele Frauen offenbar keine unabhängige, private Existenz mit Wohnung, Anmeldung, Sozialversicherung etc. haben. Viele sind nach der Schließung in ihre Heimatländer zurück verbracht worden, andere sind in den Bordellen verblieben und fürchten nun, die "Mietkosten" zusätzlich "abarbeiten" zu müssen.
Jedoch werden wir in Deutschland noch einige Baustellen abzuarbeiten haben, bis wir zur Einführung des Nordischen Modells kommen. Zwar konnten wir in dieser Legislaturperiode einige Verbesserungen erzielen, doch vom großen Wurf sind wir leider noch weit entfernt. Meine Unterstützung für das Nordische Modell ist auf jeden Fall auch in der kommenden Wahlperiode sicher.
Sollten Sie Fragen haben oder zusätzliche Informationen benötigen, können Sie sich jederzeit auch direkt unter dagmar.schmidt@bundestag.de an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB