Frage an Dagmar Freitag von Klaus B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Freitag,
bitte erklären sie mir, warum SPD und CDU den Gesetzentwurf zur Beendigung der Ferkelkastration per 1.1.2019 nicht umgesetzt haben. Zeit zur Umsetzung wäre in den letzten 5 Jahren ja durchaus gewesen, Alternativen vorhanden.
In diesem Zusammenhang wäre mir auch wichtig warum in Sachen Tierlangstreckentransport keine Entscheidung seitens der Bundesregierung gefällt wird.
Meine persönliche Meinung: es kann doch nicht angehen, das wir Tiere die Schmerzen, Durst und Emotionen spüren, fühlen und haben, behandeln wie ein Stück Dreck. Ich kann mich nur fremdschämen, das ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, in der Baugrossprojekte zeitlich verzögert, teilweise sogar gekippt werden, weil eine Armeisenkolonie im Baugebiet beheimatet ist, oder eine seltene Vogelart dort brütet, keine Einigung oder klare Vorgabe in der EU in Sachen Nutztiertranport, hier speziell in den Nachen Osten und Osteuropa, vorgibt.
In Erwartung ihrer Antwort.
K. B.
Sehr geehrter Herr Becker,
vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich der Themen Ferkelkastration und Tierlangstreckentransporte.
In der vergangenen Woche hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 19/5522) beraten. Ich teile ausdrücklich Ihr Unverständnis über die Tatsache, dass es in der fünfjährigen Übergangszeit offensichtlich nicht gelungen ist (vielleicht auch gar nicht gewollt war), Alternativen zu der betäubungslosen Ferkelkastration verbindlich umzusetzen. Tiere sind für mich Lebewesen, die ebenso wie wir Schmerzen und Angst empfinden. Daher bin ich mit einer Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration mehr als unzufrieden und kann dem Gesetzentwurf in der aktuell vorliegenden Fassung auch nicht zustimmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion verhandelt derzeit noch mit der Union die weiteren Details zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Dabei wollen wir durchsetzen, dass rechtssicher festgelegt wird, dass die betäubungslose Kastration spätestens zum 31. Dezember 2020 endgültig ausläuft.
Für den Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes hat die SPD-Bundestagsfraktion bereits folgende Regelungen durchgesetzt:
- Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) muss spätestens zum 31. Mai 2019 dem Bundestag eine Verordnung zuleiten, die geschulten Landwirten die Durchführung der Isoflurannarkose ermöglicht. Damit wird das Ministerium endlich zum Handeln verpflichtet und schafft Rechtsicherheit für die Ferkelzüchtenden.
- Der hohe Tierschutz-Standard von NEULAND (Inhalationsnarkose mit Isofluran mittels Masken) steht zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung. Durch entsprechende Verpflichtungen gibt es in der Übergangszeit notwendige arzneimittelrechtliche Zulassungen für Narkosemittel und entsprechende Schulungen für Landwirte.
- Es werden eine Informationskampagne und ein Förderprogramm für die Anschaffung der Narkosegeräte aufgelegt, um v.a. kleine und mittlere Betriebe zu unterstützen. Auch werden die Ferkelzüchtenden bei der Umstellung auf alternative Verfahren unterstützt.
- Es wird eine Informationskampagne durchgeführt, damit auch Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen.
Zudem setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion derzeit dafür ein, dass die Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag festhalten, dass auch das Kupieren von Schwänzen sowie das Enthornen von Tieren beendet wird. Um sicherzustellen, dass das BMEL die Zeit bis Ende 2020 tatsächlich für eine Umsetzung nutzen wird, enthält der Gesetzentwurf detaillierte und verbindliche Vorgaben für das Ministerium.
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes soll voraussichtlich Ende November in 2. und 3. Lesung vom Parlament verabschiedet werden. Die anschließend noch notwendige Abstimmung im Bundesrat ist für Mitte Dezember 2018 geplant.
Als zweiten Punkt sprechen Sie das Thema Tierlangstreckentransporte an. Ich stimme Ihnen zu, dass die derzeitige Praxis von Tiertransporten schrecklich ist und dringend einer Änderung bedarf. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass für sämtliche Tiertransporte eine Maximaldauer von 4 Stunden festgelegt wird. Zusätzlich hat der aktuelle Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes als Nebenziel, dass keine zusätzlichen Tiere langen, quälenden Tiertransporten ausgesetzt werden: Vermutlich hätte eine Verschlechterung für Ferkelzüchtende zur Folge, dass zusätzliche Millionen von Ferkeln über Tausende von Kilometern aus europäischen Nachbarländern, in denen Ferkel überwiegend ohne Betäubung kastriert werden, nach Deutschland importiert würden. Auch das wollen wir durch die geplante Änderung des Tierschutzgesetzes vermeiden.
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich seit langem Mitglied im Deutschen Tierschutzbund sowie im Tierschutzverein Iserlohn bin und dass Sie sicher sein können, dass ich mein persönliches Abstimmungsverhalten in Angelegenheiten des Tierschutzes äußerst sorgfältig abwäge.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Freitag