Frage an Dagmar Freitag von Ulf D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Freitag!
Erneut kommt es durch den von Cockpit vom Zaun gebrochenen Streik zu einer Blockade des Personen- und Frachtverkehrs und es entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden, also eine Beeinträchtigung des Gemeinwohls.
Warum kann der Bundestag nicht per Gesetz die Bildung von Tarifgemeinschaften auf der Arbeitgeberseite und von Verhandlungsgemeinschaften auf Gewerkschaftsseite beschließen anstatt auf die umstrittene Stärke einer Gewerkschaft in einem Betrieb abzustellen?
Ich bin überzeugt, dass wegen der Beeinträchtigung des Gemeinwohls durch Spartengewerkschaften eine solche gesetzliche Formulierung gerichtsfest wäre.
Mit freundlichen Grüßen Ulf Draack, 58644 Iserlohn 20.03.2015
Sehr geehrter Herr Draack,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Tarifautonomie und eine gute Sozialpartnerschaft sind Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft und tragen wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands bei. Wie Sie zutreffend bemerken, schwächen Konflikte von konkurrierenden Gewerkschaften (Tarifkollisionen) jedoch das solidarische Miteinander in Betrieben und können, wie im erwähnten Fall, auch eine Belastung der Allgemeinheit darstellen. Auf der einen Seite muss unverhältnismäßiger Schaden für Betriebe und das Gemeinwohl vermieden werden. Aus diesem Grund setzen wir uns in der Großen Koalition für ein Tarifeinheitsgesetz ein. Am 5. März 2015 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung erstmalig im Plenum des Deutschen Bundestag beraten. Anschließend wurde er den zuständigen Bundestagsausschüssen zugeleitet. Federführend ist der Ausschuss für Arbeit und Soziales. Im Zuge der Beratungen wird genau geprüft, ob die angedachten gesetzlichen Regelungen verfassungsrechtlich sicher sind. Hierzu werden auch Sachverständige angehört. Bereits im Vorfeld des parlamentarischen Prozesses argumentierten ausgewiesene Experten, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber der Gefahr unbegrenzter Tarifpluralität begegnet. Diese wird darin gesehen, dass ein Arbeitgeber mit ständigen Tarifvertragsverhandlungen und Arbeitskämpfen überzogen werden kann. Andererseits ist jedoch nicht im Sinne der SPD, in die Tarifautonomie einzugreifen und das Streikrecht einzuschränken. Kleine Gewerkschaften können auch weiterhin für die Interessen ihrer Mitglieder eintreten. Im Konfliktfall müssen sich konkurrierende Gewerkschaften zum Wohle der gesamten Belegschaft einigen. Nur wenn dies nicht gelingt, soll der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft angewendet werden, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. So wird sichergestellt, dass der Tarifvertrag mit der größten Akzeptanz gilt.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Freitag