Frage an Dagmar Freitag von Jannis K. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Frau Freitag,
ich würde gerne Ihre Meinung zum dreigliedrigen Schulsystem hören.
Wiederholt sind in letzter Zeit Berichte aufgetaucht, die andeuten, dass es zu einem, wie auch immer gearteten, Wechsel des Schulsystems kommen könnte.
Ich persönlich will nicht, dass das derzeitige System geändert wird, denn meiner Meinung nach liegt der Fehler nicht im Schulsystem, sondern viel tiefer, nämlich in der Mentalität der Schulen. Mit dem System der Aufteilung in Gymnasium, Haupt-und Realschulen bin ich sehr zufrieden und für Leute, die damit nicht zurecht kommen, gibt es immer noch Gesamtschulen.
Aber einem "High-School"-System stehe ich skeptisch gegenüber.
Ich weiß, Sie können sich nicht in die Landespolitik einmischen, aber Ihre Meinung interessiert mich trotzdem und vielleicht wissen Sie Genaueres.
Viel Glück und Erfolg bei der Bundestagswahl!
Mit freundlichen Grüßen
Jannis Krampe (15/ 10. Klasse, Walburgisgymnasium)
Hemer, 18. 07.09
Lieber Jannis,
vielen Dank für deinen Eintrag vom 18.7.2009.
Wie du selbst ganz richtig schreibst, liegt die Bildungspolitik in der Verantwortung der Länder. Als Bundestagsabgeordnete habe ich keine Einflussmöglichkeiten.
Trotzdem will ich dir gerne meine persönliche Meinung erläutern:
Ich entnehme deinem Schreiben, dass du dich in unserem dreigliedrigen Schulsystem gut zurecht findest. Zweifelsohne gibt es viele Kinder, die in diesem System eine gute Förderung und Bildung erhalten. Dennoch bin ich schon der Meinung, dass das dreigliedrige Schulsystem Defizite aufweist und eben nicht für alle Kinder die optimalen Rahmenbedingungen bietet.
Ich denke vor allen Dingen an die frühzeitige Selektierung der Schülerinnen und Schüler sowie die bindende Empfehlung für eine der weiterführenden Schulformen nach der 4. Klasse. Psychologische und pädagogische Fakten über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zeigen, dass ein Alter von 9 oder 10 Jahren zu jung ist, um über den gesamten weiteren schulischen Weg eines jungen Menschen zu entscheiden. Einige entwickeln sich verzögert, dadurch wird ihnen nach der 4. Klasse der Weg verbaut oder unnötig erschwert, indem sie sich von der Hauptschule oder Realschule „hocharbeiten“ müssen. Anderen wird eine erfolglose Schulkarriere zugemutet, die möglicherweise bei einer späteren Entscheidung hätte vermieden werden können.
Ich bin dafür, die Debatte um unser Schulsystem ideologiefrei und stattdessen sachlich zu führen. Der Blick in andere Länder, z.B. Skandinavien, zeigt, dass längeres gemeinsames Lernen – bei individueller Förderung jedes einzelnen Kindes – bessere Bedingungen für alle Kinder bieten kann.
Herzliche Grüße
Dagmar Freitag