Frage an Dagmar Freitag von Julian K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Freitag!
Mich würde sehr interessieren, warum Sie der sogenannten Schuldenbremse zugestimmt haben, im Gegensatz zu einem Teil ihrer Fraktion.
Meiner Meinung nach (und anscheinend auch nach Meinung diverser Fachleute) entstünde bei Beachtung der "Schuldenbremse" eine fatale Situation, in deren Folge Bund und Länder sich gezwungen sähen, noch weniger Geld für Bildung, Soziales, Gesundheit, Infrastruktur etc. bereitzustellen. Der Staatshaushalt ist doch kein Familienhaushalt, der per se keine Schulden machen darf, selbst wenn es gesamtwirtschaftlich notwendig ist.
Mal ganz abgesehen von der Frage, ob man die Verfassung mit "politischen Tagesentscheidungen" belasten sollte.
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen!
Julian Köster-Eiserfunke
Sehr geehrter Herr Köster-Eiserfunke,
vielen Dank für Ihren Eintrag zur Schuldenbremse.
Vorab ein Hinweis: die SPD-Bundestagsfraktion besteht aus 222 Mitgliedern; lediglich 19 Abgeordnete meiner Fraktion haben nicht zugestimmt. Der Entscheidung der einzelnen Kolleginnen und Kollegen war ein intensiver Meinungsbildungsprozess in den Wochen zuvor vorausgegangen. Ich habe mich aus meiner Sicht aus guten Gründen der großen Mehrheit innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion angeschlossen.
Die SPD steht für einen handlungsfähigen Staat. Wir sind der Auffassung - und wenn ich Ihre Mail richtig verstehe, sind wir an dieser Stelle einer Meinung - , dass es Aufgaben gibt, die nur der Staat erfüllen kann: soziale Sicherung, Bildung, Infrastruktur. Hierfür sind genügend Mittel - auch langfristig - notwendig. Doch seit Jahrzehnten gibt der Staat auf allen Ebenen mehr Geld aus, als er einnimmt. Die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen betragen derzeit rund 1,5 Billionen Euro, 18.000 Euro pro Einwohner.
Ein Fortsetzen dieser Politik würde künftige Generationen doppelt bestrafen: ihre finanziellen Spielräume werden eingeschränkt, zugleich wird zu wenig in den vorsorgenden Sozialstaat investiert. Jeder fünfte Euro der Steuereinnahmen muss allein für Zinsen verwendet werden - so viel wie die Etats des Bildungs-, Verkehrs- und Familienministeriums zusammen.
Meine Kollegen und ich sind daher der Überzeugung, dass eine weitere permanente Verschuldung in dieser Form nicht mehr akzeptabel ist. Dem Bund wird daher ab 2016 eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts erlaubt. In konjunkturell normalen Zeiten sind dies jährlich rund 8,5 Milliarden Euro statt derzeit etwa 25 Milliarden.
Wichtig: es gibt Ausnahmen; bei Naturkatastrophen oder wirtschaftlichen Extremsituationen kann eine höhere Verschuldung beschlossen werden.
Nur ein "Weiter so" wird und darf es nicht mehr geben. Die neue Schuldenregel orientiert sich an den Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts (Maastricht-Regeln).
Mit herzlichen Grüßen
Dagmar Freitag