Frage an Dagmar Freitag von Sarah P. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Freitag,
Seit dem Amoklauf von Erfurt beobachte ich zunehmend besorgt die Haltung der Politik und Öffentlichkeit im Hinblick auf Computer-/Konsolenspiele (ich weigere mich "Killerspiele" zu sagen oder zu schreiben).
Die Medien polarisieren die Öffentlichkeit, die Politik folgt. Das geht so weit, dass nun sogar Paintball im Visier ist und verboten werden soll. Städte sind so verunsichert wegen Computerspielen, dass sogar Nürnberg die Electronic Sports League abgesagt hat, weil das wegen Winnenden nicht vertretbar sei. Eine Woche zuvor darf aber noch die große Waffenmesse stattfinden (schizophren?).
Ein CSU-Politiker setzt "Killerspiele" sogar mit Kinderpornografie gleich.
Dieses Jahr darf ich das erste Mal wählen und habe gleich drei Wahlen vor mir und obwohl ich mich seit Jahren für Politik interessiere weiß ich doch nicht wen ich wählen soll. Ich hatte Favoriten, ich weiß genau wen ich niemals wählen würde und doch scheint das momentan egal, wegen dieser Computerspieldebatte. Keine Partei als Ganzes scheint sich rational mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ihr SPD-Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz geht sogar noch weiter und behauptet sogar sarkastisch, dass er nicht wisse was Internet bzw. ein Computer ist (hier auf abgeordnetenwatch abgedruckt, also nachweisbar).
Nun interessiert mich natürlich ihre Haltung zu diesem Thema. Bereits ein Jahr zuvor habe ich versucht eine ähnliche Frage hier zu stellen, diese wurde von den Moderatoren nicht zugelassen. "Sie beeinflusse schon zu sehr die Meinung und sei zu wertend". Jedoch was sind die Fragen zu HartzIV? Diese Menschen sind direkt betroffen, sie müssen wertend sein und sind es auch. Ich bin direkt als Computerspieler betroffen und bin daher auch wertend und doch werden wir als Minderheit in unserer unumschränkten Meinungsäußerung behindert (unumschränkt im Sinne des GG).
Wie betrachten Sie das Thema? Inwieweit sind Sie über Computerspiele informiert und welche Ansicht vertreten Sie in der Öffentlichkeit?
Sehr geehrte Frau Petereit,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Computerspielen.
Wir haben in der Vergangenheit wiederholt politische Debatten über Computerspiele geführt. Anlass waren dabei tragische Amokläufe von jungen Menschen, die große gesellschaftliche Betroffenheit und entsetzliches Leid bei den Angehörigen ausgelöst haben.
Es muss in diesem Zusammenhang jedoch um mehrere Themenkomplexe gehen: um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der Schule, um die notwendige Anerkennung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, um ihre Perspektiven, um Prävention und Bekämpfung von Jugendgewalt, um die Verantwortung von Eltern und Pädagogen, um Fragen von Medienkompetenz und Jugendmedienschutz sowie um den Zusammenhang zwischen schlechten Schulleistungen und Medienkonsum.
Ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, dass die mancherorts geführte Debatte bezüglich eines Verbotes von „Killerspielen“ problematisch ist, weil sie zu kurz greift. Der Begriff „Killerspiel“ bemüht eine Terminologie, die juristisch kaum zu fassen ist; vielmehr wird der Begriff „Killerspiel“ bislang als Begriff in der zugespitzten politischen Auseinandersetzung genutzt. Gewaltverherrlichende Computerspiele fallen bereits heute unter das Verbot des § 131 StGB. Im Jahr 2003 wurde der Tatbestand des § 131 Abs. 1 StGB übrigens auf die Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erweitert und damit das Strafrecht an dieser Stelle auch in Bezug auf Computerspiele verbessert.
Das Jugendmedienschutzgesetz wurde im Mai 2008 weiter verschärft. Er gilt international als vorbildlich.
Festzuhalten bleibt daher, dass Verbotsdiskussionen allein zu kurz greifen.
Im Vordergrund unserer Bemühungen zur Umsetzung eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes bleibt daher die Förderung und Stärkung von Medienkompetenz in Familien, aber auch in Kindergärten, Schulen und in der Jugendarbeit. In diesem Zusammenhang ist auch der Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen wichtig, um sinnloser Gewalt vorzubeugen. In Kitas und Schulen können Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und wertvolle Erfahrungen machen, die sie vor Vereinsamung und Gewalt schützen.
Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit der Diskussion jedoch eine ganz persönliche Anmerkung:
Die von mir geschilderte Rechtslage ist das eine: Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Thematik frage ich mich jedoch mehr denn je, welchen Spaß Menschen daran finden können, in Computerspielen das Töten von Menschen zu simulieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Killerspiele der seelischen Entwicklung von jungen Menschen förderlich sind. Im Zweifel ist wohl eher das Gegenteil richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Freitag