Frage an Cornelius Dehm von Matthias C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dehm,
Als Mitglied von Amnesty International Wiesbaden möchte ich meine Wahl-Entscheidung im September vor Allem von der Haltung der Kandidatinnen und Kandidaten zu menschenrechtlichen Fragen und Problemen abhängig machen.
Deshalb würde mich Ihre Meinung zu folgenden aktuellen Forderungen von Amnesty International interessieren. Dankbar wäre ich für eine Stellungnahme, die zeigt, welche Schritte Sie konkret unternehmen würden auf dem Weg zur Durchsetzung der Anliegen von Amnesty International.
* Deutschland muss sich für den Zugang zu fairen Asylverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten einsetzen. Rücküberstellungen von Asylsuchenden dürfen solange nicht durchgeführt werden, wie kein Zugang zu einem fairen Asylverfahren ? wie derzeit in Griechenland ? besteht.
* Die Aufnahme von Flüchtlingen darf nicht auf Staaten außerhalb der EU verlagert werden, insbesondere nicht auf Länder, deren Flüchtlingsschutz völlig ungenügend ist.
* Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Ende 2011 eingerichtete Resettlement-Programm für Flüchtlinge in Deutschland zu verlängern und zugleich das Kontingent zu erhöhen. Dringend bedarf es einer Gesetzesänderung, damit neu angesiedelte Flüchtlinge rechtlich mit den hier anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt sind. Nur so können Schwierigkeiten insbesondere bei der Familienzusammenführung vermieden werden.
* Für den umfassenden Schutz von Flüchtlingen muss die neue Bundesregierung wirksamen Eilrechtsschutz gegen Abschiebungen in andere EU-Mitgliedsstaaten gewähren. Das sogenannte "Flughafenverfahren" ist abzuschaffen, da die Betroffenen (auch Minderjährige) faktisch inhaftiert und Rechtsmittelfristen unangemessen verkürzt werden.
Abschiebungshaft darf immer nur als letztes Mittel angeordnet werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Chalmovsky
Lieber Herr Chalmovsky,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich setze mich für einen europäischen einheitlichen Schutzraum für Flüchtlinge ein. Leider verschlechtert die Reform des europaparlaments vom Juni diesen Jahrs teilweise die Situation der Flüchtlinge, statt sie zu verbessern.
Mit unterschiedlichen Schutzstandards und Verschiebebahnhof von Flüchtlingen in Europa muss endlich Schluss sein. Wir GRÜNE wollen das Dublin-System abschaffen und durch ein solidarisches Asylsystem ersetzen, das auf drei Grundpfeilern steht:
• Effektiver Zugang: Menschen die Schutz suchen, dürfen nicht an den Außengrenzen abgewiesen werden. Über Asylanträge sollen nicht GrenzpolizistInnen entscheiden, sondern Asylbehörden.
• Solidarität: Gegenseitige Unterstützung der Mitgliedsländer, finanziell und personell
• Wahlfreiheit: Flüchtlinge können selbst entscheiden, in welchem EU Land sie Asyl beantra-gen, sie können dorthin wo sie Familie und Freunde haben, wo sie die Sprache sprechen
Die bedeutet, dass die Flüchtlinge dezentral untergebracht werden. Nicht in Lagern sondern in ganz normalen Wohnungen. Sie bekommen die gleiche Grundversorgung für wie für EU BürgerInnen und Bürger und es gibt keine Schikane wie Auszahlung in Sachmitteln. Ich möchte Integration statt Ausgrenzung, Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Integrationsangeboten für Flüchtlinge. Nur so wird ihnen die Möglichkeit eröffnet am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Zudem brauchen wir eine Roadmap für ein solidarisches europäisches Flüchtlingssystem, in dem alle Mitgliedstaaten gleichermaßen Verantwortung übernehmen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelius Dehm