Frage an Cornelia Möhring von Gudrun J. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Möhring,
ich bin seit Jahren innerhalb der Selbsthilfe engagiert und habe ein paar Fragen die mir am Herzen liegen!
Alle Abgeordneten aus dem Gesundheitsausschuss haben die gleichen Fragen auch bekommen.
Warum gibt es im Bundesgesundheitsausschuss keine-n Beauftragte-n für die Kindergesundheit?
Warum schließen immer mehr Kinderkliniken?
Warum haben wir den Ärzte-Hebammen-Fach und Pflegepersonalmangel?
Warum verdienen Ärzte-Kliniken nur an Folgeschäden und nicht an Gesundheits-Prävention?
Warum wird gezielte Ernährungsmedizin-intervention nicht gefördert?
Warum kriegen Typ 2 Diabetiker erst BLZ Testtreifen oder den Libre (BLZ Scannen) wenn Sie Insulinpflichtig werden und nicht sofort nach der Diagnose?
Warum steht die Diabetes-Selbsthilfe nicht im DMP und wird von Haus und Fach Ärzten nicht anerkannt?
Warum wird Diabetes im DRG nicht berücksichtigt?
Warum kriegen Krankenkassen über den Risikostrukturausgleich noch mal extra Geld sobald Typ 2 Diabetiker Insulinpflichtig werden?
Diabetes ist die meiste Nebendiagnose und verursacht die meisten Folgeschäden!
Selbstkontrolle stärkt die Eigenverantwortung und nur durch Gewichtsreduktion könnte man die Insulintherapie bei Typ 2 Diabetikern vermeiden und Folgeschäden verhindern!
Mit früher Diabetes-Prävention und Rehabilitation könnte man Im Gesundheitswesen Milliarden einsparen!
Meine Vorschläge zur Diabetes-Prävention und Rehabilitation finden Sie auf unserer Internetseite!
https://www.shg-hilfe-zur-selbsthilfe.de/diabetes-pr%C3%A4vention-und-rehabilitation/
Würde mich freuen wenn Sie meine Vorschläge „als nur Betroffene und Fachfrau in eigener Sache“ in Ihre Arbeit mit einfließen lassen?
Was gibt es wichtigeres als die Bildung und Gesundheit unserer Kinder?
Überall wo es am wichtigsten ist fehlt das Personal z.B: Erzieher, Pädagogen, Sozialarbeiter, Streetworker, Ärzte, med. Fach und Pflegepersonal.
Gesunde Kinder gesunde Zukunft!
Mit freundlichen Grüßen
G. J.
Sehr geehrte Frau John,
entschuldigen Sie vielmals die viel zu späte Antwort. Vielen Dank für Ihre Nachricht. Und vor allem vielen Dank auch für Ihr Engagement in der Selbsthilfe sowie Ihre Vorschläge!
Sie sprechen mit Ihren Fragen ja verschiedene Missstände in der Gesundheitsversorgung an. Dass immer mehr Kinderkliniken schließen, bewerten meine Fraktion und ich als eine Folge der zunehmenden Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung. Bundesweit wurden seit dem Jahr 1991 jede fünfte Kinderabteilung geschlossen und vier von zehn Betten in der stationären Kinder- und Jugendmedizin abgebaut. Diese Entwicklung bei gleichzeitiger Erhöhung der Patientenzahlen und einem starken Anstieg der chronischen Erkrankungen bei Kindern hat dazu geführt, dass behandlungsbedürftige Kinder in Krankenhäusern abgewiesen und oftmals kilometerweit zu einer anderen Klinik transportiert werden oder nicht fachgerecht in Abteilungen für Erwachsene versorgt werden müssen. Die Bundesregierung haben wir mit einer Kleinen Anfrage auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht, deren – das Problem relativierende – Reaktion können Sie der Antwort entnehmen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/072/1907270.pdf
Der Personalmangel in Krankenhäusern ist ein zentrales Thema unserer gesundheitspolitischen Arbeit der letzten Jahre sowohl im Bundestag als auch in Zusammenarbeit mit Pflegekräften und Gewerkschaften. Wir fordern ein bundesweit einheitliches verbindliches Personalbemessungssystem für die Gesundheitsberufe. Internationale Beispiele einer solchen gesetzlichen Personalvorgabe zeigen positive Effekte: Die Pflegekräfte werden durch mehr Personal entlastet und die Patientinnen und Patienten können mit mehr Zeit besser versorgt werden. Der Pflegeberuf selbst wird so wieder attraktiver, denn es ist vor allem die hohe Arbeitsbelastung, die viele davon abhält, diesen wichtigen und eigentlich schönen Beruf zu ergreifen oder die viele so auslaugt, dass sie sich einen anderen Beruf suchen. Perspektivisch fordern wir eine andere Krankenhausfinanzierung, die den tatsächlichen Bedarf abdeckt und keine Anreize setzt, auf Kosten des Personals zu sparen. Nicht zuletzt in den aktuellen Fallpauschalen liegt eine wesentliche Ursache des Personalmangels, da es sich für die Krankenhäuser wirtschaftlich rentiert, die Ausgaben beim Personal zu drücken.
Gerne möchte ich Ihnen schließlich unsere Position zu Diabetes darlegen. Im Gegensatz zu vielen anderen vieldiskutierten Erkrankungen (Herzinfarkte, Demenz, Krebs etc.) haben wir bei Diabetes tatsächlich ein wachsendes Problem. Mittlerweile gibt es rund 7 Millionen Diabetes-Betroffene in Deutschland. Eine Erkrankung, die eine erhebliche Abhängigkeit vom Sozialstatus aufweist: Arme Menschen sind deutlich häufiger betroffen als wohlhabende Menschen.
Sehr schwerwiegend sind die direkten Folgeerkrankungen, u.a. Nephropathien, Erblindung, Amputationen, kardiovaskuläre Erkrankungen. Zudem ist Diabetes ein unabhängiger wichtiger Risikofaktor für sehr viele andere schwerwiegende und tödliche Erkrankungen. Man geht davon aus, dass Diabetes direkt oder indirekt für ein Fünftel der vorzeitigen Todesfälle verantwortlich ist.
Die Datenlage zu Diabetes ist insgesamt nicht gut. Deutschland hinkt in der epidemiologischen und der Versorgungsforschung anderen Ländern erheblich hinterher. Als LINKE begrüßen den Aufbau eines Diabetes-Surveillance-Systems am Robert Koch-Institut (RKI), siehe: https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/955860/unklare-datenlage-epidemiologischer-blindflug-diabetes.html . Dafür wäre es notwendig, eine datenschutzrechtlich unbedenkliche anonymisierter Zusammenfügung unterschiedlicher Datenquellen endlich zu ermöglichen.
Die Entstehung von Diabetes ist multifaktoriell (Biologie, Umwelt, Stress, Verhalten). Eine einseitige (!) Verhaltensfokussierung ist diskriminierend und wir lehnen solche als LINKE ab. Trotzdem ist festzuhalten, dass Verhaltensänderungen insbesondere bei Menschen mit Prädisposition wirksam sind. Die bisherigen Studien sprechen dafür, dass sich Diabetes durch Änderungen des Lebensstils aber eher aufschieben als völlig vermeiden lässt. Ob Abnehmen und Änderungen des Lebensstils auch helfen, Folgeerkrankungen zu vermeiden, ist derzeit unklar.
Verhältnisprävention ist hier besonders wichtig: z.B. die Bedeutung von Bewegung im Arbeitsleben. Wer hier den verhältnispräventiven Ansatz weiterdenkt, muss sich fragen, ob es ok ist, dass so viele Menschen den ganzen Tag praktisch bewegungslos vor dem Bildschirm sitzen müssen, während sie gleichzeitig unter enormem Stress und Leistungsdruck stehen.
Das Präventionsgesetz brachte mehr Geld in die Präventionsarbeit, das aber weiterhin auf niedrigem Niveau. Die Finanzierung durch die Krankenkassen ist nicht ideal; wir wollen stattdessen einen steuerfinanzierten Präventionsfonds, mit dem v.a. die Kommunen vor Ort echte gesundheitsförderliche Lebenswelt-Gestaltung vornehmen können.
De facto hilft für die Veränderung der Sozialstatus-abhängigen Schieflage bei Diabetes natürlich vor allem, die soziale Schieflage an sich zu verändern. Alles andere ist bestenfalls Symptomtherapie und meist auch wenig wirkungsvoll. Wir als LINKE fordern klar definierte Ziele, deren Erreichung entsprechend evaluiert und öffentlich diskutiert werden.
Falls Sie weitere Informationen zu unseren Positionen und Einschätzungen wünschen, melden Sie sich gerne direkt bei mir: cornelia.moehring@bundestag.de
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Möhring