Christopher Leineweber
SPD
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Frage von clemens b. •

Frage an Christopher Leineweber von clemens b. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Nr.1 Gewissensfrage
Die Möglichkeit, einzelne Personen direkt in die Bürgerschaft zu wählen oder wenigstens deren Entsendung zu unterstützen ist erfreulich, wirft aber auch die Frage auf, ob parteigebundenen Kandidaten überhaupt je Entscheidungen treffen, die nicht vom Konsens der Fraktion diktiert werden.
Wie halten Sie es mit der Freiheit Ihrer Entscheidung in Abstimmungsfragen und mit Ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern, die Ihnen ihre Stimme als direkte Personenwahlstimme gegeben haben?

Nr.2 Stadtentwicklungspolitik
Wie wollen Sie sich persönlich und im Rahmen Ihrer Fraktion für die Bereitstellung sozialen Wohnraumes, d.h. für die gesetzliche Verankerung einer Quote für mietpreisgebundenen Wohnraum in allen Hamburger Stadtteilen einsetzen?
Können Sie sich vorstellen, auch gesetzliche Grundlagen für die Bereitstellung sozialer Gewerberäume zu schaffen, also für ausgewiesene Gewerberaumkontingente, in denen für bestimmte soziale Zwecke und Mietergruppen die freien Marktbedingungen für Gewerberaum reglementiert werden?

Nr.3 Arbeits- und Bildungspolitik
Welche Instrumente und Gesetzesgrundlagen werden Sie in der Bürgerschaft vorschlagen, um die Ausbildungs- und Fortbildungsperspektiven für erwerbstätige und arbeitslose Erwachsene stärker zu fördern und auch finanziell zu unterstützen?

Nr.4 Studiengebühren
Wie sehen Sie die Möglichkeiten, die Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen wieder abzuschaffen oder wenigstens deutlich zu senken? Und wie transparent werden Studierende eigentlich über die konkrete Verwendung der Studiengebühren für Zwecke und Mehrwerte in Ihrem eigenen Studium informiert? Müssten die Bildungseinrichtungen, denen die Studiengebühren zukommen hierüber nicht viel intensiver Auskunft geben?

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Beyrich,

vielen Dank für Fragen, die ich gerne versuche zu beantworten.

Zu 1.)

Als Angeordneter, der für eine Partei und nicht als Einzelkandidat antritt, steht man grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis. Die unabhängige Ausübung des Mandats ist unverückbarer Bestandteil in einer Demokratie. Insofern ist jeder Abgeordnete seinem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich und frei in seiner Entscheidung. Der Wähler der einer bestimmten Partei seine Stimmen und damit auch sein Vertrauen gegeben hat, hat aber auch einen Anspruch darauf, dass sich die Abgeordneten dieser Partei für die Durchsetzung der im Wahlprogramm versprochenen Ziele einsetzen und nicht jeder Abgeordnete der Fraktion nach Gutdünken abstimmt. Anders wäre verantwortungsvolles Regieren mit tragfähigen Mehrheiten auch nicht möglich und würde zu einem Glücksspiel verkommen.
Insofern werde ich als Abgeordneter sicher keine Entscheidung mittragen, die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Ich kann und will aber nicht ausschließen, dass ich in einzelnen Sachfragen meine Entscheidung im Sinne meiner Partei und Ihres Programms fällen werde, auch wenn ich persönlich im Detail möglicherweise eine abweichende Meinung vertrete.

Zu 2.)

An dieser Stelle werde ich mich aus voller Überzeugung für die Umsetzung unseres Regierungsprogramms einsetzen. Mit dem Regierungswechsel vor zehn Jahren ist der Neubau von Wohnungen eingebrochen. Seitdem wird der Mangel an bezahlbarem Wohnraum von Jahr zu Jahr immer deutlicher, die Mieten steigen. Deshalb braucht Hamburg wieder eine aktive Wohnungsbaupolitik und mehr Wohnungsneubau.
Deshalb wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass jedes Jahr 6.000 neue Wohnungen in Hamburg entstehen. Dazu muss der öffentlich geförderte Wohnungsbau wieder gestärkt werden, damit gerade dort, wo Grundstückspreise Neubaumieten in die Höhe treiben, Wohnungen für Normalverdiener gebaut werden können. Das bedeutet auch, dass städtische Grundstücke nicht mehr im Höchstpreisverfahren verkauft werden dürfen, sondern bei der Vergabe auch soziale Bestandteile der Angebote entsprechend berücksichtigt werden müssen. Dafür habe ich mich gemeinsam mit der Bezirksfraktion der SPD in Hamburg-Nord bereits in der Vergangenheit eingesetzt, und werde dies auch weiterhin tun.

Zu 3.)

Bei dieser Frage möchte ich gerne etwas weiter Ausholen.

Seit viele Jahren gelingt es vielen Hamburger Jugendlichen nicht, nach der Schule eine Berufsausbildung zu beginnen. Insbesondere fehlen duale Ausbildungsplätze in denen die Azubis neben der Berufsschule vor allem auch im Betrieb praktisch Ausgebildet werden. Doch nicht nur die private Wirtschaft bildet zu wenig aus. Auch bei den staatlichen Ausbildungsberufen in der Pflege oder dem Erziehungssektor, die an staatlichen Fachschulen gelehrt werden, gibt es zu wenig Ausbildungsplätze. Damit alle Jugendlichen klare Perspektiven nach der Schule haben, muss zum einen die Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen flächendeckend ausgebaut werden. Für die vollzeitschulischen Ausbildungen (bspw. in der Pflege) müssen die Ausbildungsplätze bedarfsgerecht ausgebaut werden. Im dualen System wird man intensive Gespräche mit der Wirtschaft führen müssen, damit mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. Als Abgeordneter werde ich dafür aber nicht nur mit Vertretern der Wirtschaftsverbände Kontakt aufnehmen, sondern vor allem den direkten Kontakt vor Ort bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern suchen um diese von der Notwendigkeit weiterer Stellenschaffung zu überzeugen. Bereits jetzt macht sich der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.
Zudem muss für Jugendliche, die trotz ausreichender Kompetenzen keinen Ausbildungsplatz finden, eine öffentlich geförderte Ausbildung geschaffen werden. Jugendliche, die Aufgrund fehlender Kompetenzen oder aufgrund sozialer Schwächen keinen Ausbildungsplatz bekommen, müssen individuell gefördert werden. Auch hier müssen die Angebote, die sich an der Berufsausbildung orientieren und einen schnellen Übergang in eine Berufsausbildung gewährleisten weiter ausgebaut werden.

Im Bereich der Aus- und Fortbildungsperspektiven für erwerbstätige und arbeitslose Erwachsene ist die Situation noch schwieriger. Falsche Entscheidungen in der Arbeitsmarktpolitik des Bundes können in Hamburg nicht vollständig kompensiert werden. Die Einsparungen der schwarz-gelben Bundesregierung bedeuten allein in Hamburg einen Wegfall von über 50 Mio. Euro allein in 2011. Bald stehen in Hamburg fast nur noch die Hälfte der Mittel zur Verfügung, die im vergangenen Jahr verfügbar waren. Dennoch werde ich mich dafür einsetzen, dass wir den geringen, aber vorhandenen Spielraum eines Stadtstaates in der Arbeitsmarktpolitik nutzen werden um die Qualität der Vermittlung weiter zu steigern. Hier werde ich auch meine beruflichen Erfahrungen als Arbeitsvermittler einbringen können.
Darüber hinaus werde ich mich - im Falle meiner Wahl - mit den dann
gegebenen Einflussmöglichkeiten weiterhin für faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen, einen gesetzlichen, einheitlichen Mindestlohn und gegen den Missbrauch von Leiharbeit einsetzen. Insbesondere werde ich mich für eine Änderung der Hamburger Vergabepraxis bei öffentlichen Ausschreibungen einsetzen. Gute Arbeitsbedingungen müssen bei Zuwendungsempfängern und bei Unternehmen, welche Aufträge von der Stadt erhalten, selbstverständlich sein und Maßstab für Förderung und Auftragsvergabe werden. Gleiches gilt für die Freie und Hansestadt Hamburg und die städtischen Unternehmen. Hier hat Hamburg eine Vorbildfunktion zu erfüllen.

Zu 4.)

Bereits als Jungsozialist habe ich mich für die Abschaffung der Studiengebühren ausgesprochen. Studiengebühren sind unsozial! Sie erhöhen Barrieren und verhindern so die dringend notwendige Erhöhung der Studierendenzahlen. Deshalb werde ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Studiengebühren innerhalb dieser Legislaturperiode abgeschafft werden und das Studium in Hamburg bis zum Masterabschluss gebührenfrei wird.
Solange Bildungseinrichtungen Studiengebühren erhalten, stimme ich Ihnen zu, dass die Mittelverwendung unbedingt transparent gemacht werden muss.
Wahrscheinlich würde man dann erkennen, das ein Großteil des Geldes im vermehrten Verwaltungsaufwand verloren geht.

Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen Ihre Fragen weitgehend beantworten konnte und würde mich freuen, wenn Sie mir bei dieser Wahl Ihr Vertrauen schenken würden.

Mit freundlichen Grüßen
Christopher Leineweber