Frage an Christoph Ozasek von Christian F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Herr Ozasek,
ich bin ein Wähler des Wahlbezirks "Stuttgart I" und habe einige Fragen an Sie:
1) Sollen Studiengebühren auch weiterhin erhoben werden und sind Sie der Meinung, dass diese die Ausbildung an Universitäten verbessert haben und weiter verbessern?
2) Setzen Sie sich im neuen Landtag für mehr Geld für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universität ein oder sind Sie der Meinung, dass im Moment genügend Geld für diese Einrichtungen zur Verfügung steht? Sollte der Etat gekürzt werden?
Weitere Fragen, die nicht zum Thema "Bildung und Forschung" gehören:
3) Wie stehen Sie zum Thema Bürgerbeteiligung und Volksentscheide auf Landesebene? Soll es in Zukunft zu wichtigen Themen Bürgerbefragungen und Volksentscheide geben? Sollen dazu die hohen Barrieren zur Initiierung einer Befragung oder eines Entscheids gesenkt werden?
4) Finden Sie die aktuelle Atompolitik der Bundesregierung richtig? Wie würden Sie auf Landesebene, sofern dies durch den Landtag entschieden werden würde, über eine vorzeitige Abschaltung des AKW Neckarwestheim stimmen?
5) Finden Sie, dass die aktuellen Datenschutzrichtlinien zur Terrorbekämpfung im Sinne der Vorratsdatenspeicherung angepasst werden sollen? Oder sollen die Richtlinien verschärft werden, so dass der Zugang und die Speicherung zu persönlichen Daten erschwert wird?
6) Wie stehen Sie zum Thema Überwachung öffentlicher Plätze? Soll diese Überwachung beibehalten, verschärft oder entschärft werden?
7) Wie stehen Sie zum Bahnprojekt "Stuttgart21"? Halten Sie das Projekt für sinnvoll oder nicht? Soll es weitergebaut oder gestoppt werden? Soll es zu diesem Projekt eine Bürgerbefragung oder einen Volksentscheid geben?
Ich bedanke mich im voraus für die Beantwortung meiner Fragen. Ihre Antwort hilft mir bei der Entscheidungsfindung für die Landtagswahl. Bitte geben Sie zu den Themen klare Antworten und beschränken Sie sich bei der Beantwortung möglichst auf wenige Worte.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Fritzmann
Sehr geehrter Herr Fritzmann,
gerne nehme ich zu allen Fragen ausführlich Stellung.
1) Sollen Studiengebühren auch weiterhin erhoben werden und sind Sie der
Meinung, dass diese die Ausbildung an Universitäten verbessert haben und
weiter verbessern?
Die Studiengebühren verschärfen die soziale Auslese im Übergang von der Schule an die Hochschule und treiben die Studierenden in die soziale Not. Bereits heute müssen 2/3 der StudentInnen neben dem Studium arbeiten, um überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Lernerfolg verschlechtert sich dadurch, während der Druck durch Verschulung und Regelstudienzeit weiter zunimmt. Zahlreiche Studierende mussten deshalb seit 2007 ihr Studium abbrechen, oder in ein anderes Bundesland wechseln. Im Saldo verlassen jährlich 4.000 Studienwillige Baden-Württemberg aufgrund der schlechten Bedingungen an den Hochschulen. Viele Absolventen gehen mit der Last eines Schuldenbergs auf den umkämpften Arbeitsmarkt. Die Studiengebühren (ca. 130 Mio Euro/Jahr) dienen einzig und allein dazu, die Haushaltslöcher in der Hochschulfinanzierung zu stopfen. Wir LINKE sagen, Bildung ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht und eine öffentliche Zukunftsaufgabe. Die Abschaffung aller Bildungsgebühren hat für uns oberste Priorität. Zudem fordern wir ein elternunabhängiges und rückzahlungsfreies BaföG als selbstverständlicher Bestandteil unseres Sozialsystems.
2) Setzen Sie sich im neuen Landtag für mehr Geld für
Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universität ein oder sind Sie der
Meinung, dass im Moment genügend Geld für diese Einrichtungen zur
Verfügung steht? Sollte der Etat gekürzt werden?
Die Landesregierung drückt sich seit Jahrzehnten um eine angemessene Finanzierung der Bildungsinfrastruktur im Südwesten. Im akademischen Mittelbau gibt es quasi nur befristete Anstellungen. Nachwuchswissenschaftler haben im staatlichen Hochschulwesen kaum eine Perspektive. Die Forschung beruht zu einem immer größeren Teil auf Drittmitteln aus der Wirtschaft. Das gefährdet Freiheit und Selbstbestimmung der Hochschulen. Im Schulwesen spricht es Bände, dass Mappus 6.500 Lehrerstellen streichen möchte, anstatt den demografischen Wandel für eine Qualitätsoffensive in der Bildung zu nutzen. Lieber setzt man sich milliardenschwere Denkmäler wie Stuttgart 21, oder stützt den strauchelnden „global player“ LBBW mit Milliarden, anstatt für Chancengleichheit in der Bildung zu sorgen. DIE LINKE fordert eine angemessene Finanzierung der Hochschulen und des Ausstieg aus dem teuren und unnützen Exzellenzwahn.
3) Wie stehen Sie zum Thema Bürgerbeteiligung und Volksentscheide auf
Landesebene? Soll es in Zukunft zu wichtigen Themen Bürgerbefragungen und
Volksentscheide geben? Sollen dazu die hohen Barrieren zur Initiierung
einer Befragung oder eines Entscheids gesenkt werden?
Mehr direktdemokratische Beteiligung ist dringend notwendig, um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Sie ist aber auch ein Bekenntnis zur Volkssouveränität. Die Bürger müssen, gerade durch die wachsende Macht der Wirtschaft, stets den Willensbildungsprozess aus der Hand der Parlamente an sich nehmen können. In zentralen Fragen entscheiden die Parlamente fortlaufend gegen die Interessen der Mehrheit: Rente mit 67, der Afghanistankrieg, Gesundheitsreformen, Laufzeiten von Atomkraftwerken oder bei der Anwendung der gefährlichen Gentechnik. Direkte Demokratie ist also ein Kontrollinstrument der Bürgerinnen und Bürger gegenüber ihren gewählten Vertretern. Wir LINKE wollen Bürgerbegehren und Volksentscheide deutlich ausweiten und erleichtern. Dabei orientieren wir uns an den Forderungen von Mehr Demokratie e.V.
4) Finden Sie die aktuelle Atompolitik der Bundesregierung richtig? Wie
würden Sie auf Landesebene, sofern dies durch den Landtag entschieden
werden würde, über eine vorzeitige Abschaltung des AKW Neckarwestheim
stimmen?
Ich halte die Atompolitik von Bundes- und Landesregierung für hoch gefährlich, gefährdet sie doch den Umbau unserer Energiewirtschaft hin zu regionalen Erzeugung auf Basis erneuerbarer Energien. Längere Laufzeiten sind eine Gelddruckmaschine für das Energiekartell der großen Stromversorger, die in den Staatskanzleien von CDU und FDP hofiert werden.
Dort wo DIE LINKE in Regierungsverantwortung steht und stand wurde der Anteil regenerativ erzeugten Stroms innerhalb kürzester Zeit massiv ausgebaut und zehntausende Jobs geschaffen. Baden-Württemberg hinkt diesem Prozess deutlich hinterher. So wurde beispielsweise der Ausbau der Windkraft im Land nach allen Regeln der Kunst unterbunden.
Deutschland ist einer der größten Stromexporteure Europas. Die sofortige Abschaltung der AKWs in Neckarwestheim und Phillipsburg ist jederzeit möglich und muss unserer Auffassung auch umgehend erfolgen. Der Neubau von Kraftwerken die auf fossilen Energieträgern basieren ist zu untersagen.
5) Finden Sie, dass die aktuellen Datenschutzrichtlinien zur
Terrorbekämpfung im Sinne der Vorratsdatenspeicherung angepasst werden
sollen? Oder sollen die Richtlinien verschärft werden, so dass der Zugang
und die Speicherung zu persönlichen Daten erschwert wird?
Die Bundes- und Landesregierung schürt Terror-Ängste in der Bevölkerung, um Einschnitte in Bürger- und Freiheitsrechte leichter durchsetzen zu können. Dies galt aber auch schon für die rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer. Diese Entwicklung ist gefährlich, führt sich doch zur Aushöhlung unserer Demokratie, beispielsweise durch Eingriffe in das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung. Diesen Angriffen auf Verfassungsrecht stemmt sich DIE LINKE nach Kräften entgegen. Es ist schlimm, dass die Regierungen nur noch durch das Verfassungsgericht in ihren Bestrebungen ausgebremst werden können. Wir akzeptieren auch nicht, dass Innenminister de Maizière monatelang PolizistInnen mit Maschinenpistolen auf unseren Straßen patrollieren lässt, ohne dass eine konkrete Bedrohung nachgewiesen werden kann.
DIE LINKE wird den Datenschutz und die Selbstbestimmung der BürgerInnen über ihre Daten stärken, sowohl im öffentlichen als auch im betrieblichen Bereich.
6) Wie stehen Sie zum Thema Überwachung öffentlicher Plätze? Soll diese
Überwachung beibehalten, verschärft oder entschärft werden?
Videoüberwachung löst keine Probleme und verhindert keine Kriminalität. Diese wird höchstens an andere Orte verdrängt. Wir wollen, dass gerade im öffentliche Verkehr endlich wieder Personal eingestellt wird, damit das Sicherheitsempfinden der Menschen verbessert wird. Es kann doch nicht sein, dass Bahnhöfe und Züge videoüberwacht werden, aber nachts kein Zugbegleiter mehr anzutreffen ist.
7) Wie stehen Sie zum Bahnprojekt "Stuttgart21"? Halten Sie das Projekt
für sinnvoll oder nicht? Soll es weitergebaut oder gestoppt werden? Soll
es zu diesem Projekt eine Bürgerbefragung oder einen Volksentscheid geben?
Stuttgart 21 bringt keinen verkehrlichen Nutzen und kostet viele Steuermilliarden die für sinnvolle Ausbauvorhaben im Schienenverkehr fehlen. Das Projekt dient einzig dazu, in Stuttgart einen milliardenschweren Immobilienmarkt auf dem ökologisch und klimatisch
wertvollen Gleisvorfeld zu schaffen. Die Faktengespräche haben genau dies bestätigt. DIE LINKE unterstützt hingegen weiterhin das ökologische Alternativprojekt Kopfbahnhof 21.
Im Landtag werden wir alle Mittel ausschöpfen, um das Projekt zu stoppen. Die Verträge wurden unter falschen Annahmen ausgefertigt und die versprochene Mehrleistung nicht erwiesen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christoph Ozasek