Frage an Christoph Hartmann von Gerhard G. bezüglich Bildung und Erziehung
Bildungsmisere der Jungen
Sehr geehrter Herr Hartmann,
seit den 80er Jahren fallen die Jungen in der Schule immer mehr hinter den Mädchen zurück. Es ist davon auszugehen, dass es im Saarland nicht wesentlich anders aussieht als im Bundesgebiet oder in Rheinland-Pfalz: betrachtet man den Anteil der Jungen und Mädchen an einem Jahrgang, so machen fast die Hälfte mehr Mädchen als Jungen Abitur; die Jungen schneiden dabei im Schnitt um eine Note schlechter ab. Die Leseleistungen hinken deutlich hinterher. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Jungen, die keinen Schulabschluss erreichen, weit mehr als die Hälfte größer als der Anteil der Mädchen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Bei den unter 25-Jährigen sind im Saarland absolut und prozentual deutlich mehr junge Männer als junge Frauen arbeitslos. Allgemein ist Bildung ein wesentlicher Schlüssel für Aufstieg und den Spielraum für die eigene Lebensplanung.
Es liegt nahe, die Erfolge der Mädchen mit der seit den 70er Jahren praktizierten nachhaltigen Mädchenförderung in Verbindung zu bringen, die auch heute eine weit größere Dimension besitzt als die nur ganz vereinzelt anzutreffende Jungenförderung. Erst im November 2008 verkündete Bildungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass Mädchen in Mathematik gefördert werden sollten. Von Förderung der Lesekompetenz für Jungen war keine Rede.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Bildungssituation der Jungen, welche Maßnahmen betrachten Sie als notwendig, für welche Maßnahmen werden Sie konkret eintreten und auf welche Weise beabsichtigen Sie das zu tun?
Vielen Dank.
Generell müssen wir meiner Meinung nach im Bildungssystem vieles politisch neu bewegen. Für die FDP steht die Chancengleichheit im Bildungssystem im Vordergrund. Es darf niemand auf Grund seines Geschlechtes benachteiligt werden.
Die angesprochene Problematik hat die FDP bereits in ihrem "Wechsel-Lexikon" zur Bundestagswahl 2005 aufgegriffen. Dort finden Sie die Passage:
"Besonderes Augenmerk ist auf eine gendersensible Pädagogik zu legen, die auf die unterschiedlichen Lernweisen und Interessen von Mädchen und Jungen adäquat eingeht. ….Der frühkindlichen Bildung kommt darüber hinaus, wie anderen Bildungsinstanzen, die Aufgabe zu, gleichberechtigte Lebensmuster für Mädchen und Jungen zu vermitteln. Dazu gehört, dass mehr Männer für dieses Arbeitsfeld gewonnen werden, damit Jungen in Kindergärten männliche Identifikationsfiguren erleben.
Schüler müssen individuell entsprechend ihrer Bedürfnisse gefördert werden, z.B. durch zusätzliche Angebote über die Grenzen von Klassen und Stufen hinweg. Dabei ist nicht das Geschlecht ausschlaggebend, ob eine Förderung stattfindet oder nicht, sondern der Schwerpunkt liegt auf der Beseitigung individueller Defizite. Durch solch spezifische Förderung können die Verfestigung von Defiziten und die daraus folgende Nichtversetzung vermieden werden. Grundsätzlich gilt, je früher individuelle Förderung beginnt, desto nachhaltiger wirkt sie. Individuelle Förderung darf sich aber nicht auf Schwächere oder auf ein Geschlecht beschränken, sondern sollte als das Eingehen auf unterschiedliche Begabungen verstanden werden.. Unser Ziel ist die weitreichende Integration Schwächerer sowie Hochbegabter in ihrem Altersumfeld an Regelschulen, ohne sie dort in ihrem Intellekt zu über- oder zu unterfordern.