Frage an Christine Engelschall von Jürgen M. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Guten Tag Frau Engelschall,
durch die Erweiterung der EU ist diese auch immer mehr multikulturell aufgestellt. Das Thema "Schächten von Tieren" gewinnt an Brisanz. Ihre Partei geht in dieser Frage auf Distanz zu Moslems und Juden, deren Religionen das Schächten vorschreiben.
Andererseits ist Ihrer Partei die Schoah aber immer wieder für einen Vergleich mit der gegenwärtigen Tierhaltung gut genug.
Zitat aus der ZEITENWENDE, Nr. 32/2008, S. 15:
"...Der Verzehr von Fleisch war schon immer mehr Kult als Kultur - angeblich gottgewollt !.....Nach dieser einfachen Formel wäre es - hätte Hitler den II. Weltkrieg gewonnen - heute wahrscheinlich Tradition, ....unsere jüdischen Mitbürger in die Gaskammern zu schicken ! ..." (Autor Stefan B. Eck)
Die Bedenklichkeit des Zitates mal ausser Acht lassend,
meine Frage:
Welches Verhältnis will Ihre Partei wie zu Juden und Moslems in Europa gestalten ?
Danke für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Jürgen Matthes
Sehr geehrter Herr Matthes,
gerne beantworte ich Ihre Fragen.
Das betäubungslose Schächten von Tieren ist - wie jede andere Schlachtmethode von Tieren - natürlich ein brisantes Thema, dem wir uns stellen müssen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir gegenüber unseren muslimischen und jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf Distanz gehen oder diese oder ihren Glauben in irgendeiner Art und Weise diskreditieren. Unsere Partei steht für ein friedvolles, multikulturelles Zusammenleben aller Menschen in unserem Land. Im Gegenteil - wir suchen den Dialog zu unseren muslimischen und jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, um gemeinsam - auf gleicher Augenhöhe - eine Lösung zu finden. Und es gibt Ansätze für eine Lösung, denn gerade der traditionelle Tierschutz im Judentum bietet die Möglichkeit einen Konsens zu erreichen, da schon in der schriftlichen Tora, den Fünf Büchern Mose und der mündlichen Tora Gebote für einen schonenden Umgang und für ein schonendes Töten von Tieren enthalten sind. Ziel dieser Gebote ist es, gerade nicht, dem Menschen das Töten von Tieren zu erleichtern, sondern im Gegenteil, durch eine Vielzahl von Reglementierungen das Töten, Schlachten, Jagen und Verzehren von Tieren zu minimieren.
Was ich an Ihrer Frage kritisiere, ja als Unredlichkeit empfinde, ist, dass Sie eine kurze Passage aus einem Kontext herausreißen, um damit belegen zu wollen, dass sich unsere Partei der Tragweite der Schoah nicht bewusst wäre.
An dieser Stelle also das vollständige Zitat:
"Es ist ein unantastbarer Glaubensgrundsatz in unserer „Fraßkultur“, dass Fleischessen dazugehört, was vom christlichen Dogma noch zusätzlich legitimiert wird: Tiere haben dem Menschen als Nahrung zu dienen! Der Verzehr von Fleisch war schon immer mehr Kult als Kultur - angeblich gottgewollt. Und überdies verweist man auf die Tradition, der Mensch habe ja schon immer Fleisch gegessen, als ob Tradition ein Garant für Wahrheit und Gerechtigkeit sei. Nach dieser einfachen Formel wäre es - hätte Hitler den II. Weltkrieg gewonnen - heute wahrscheinlich Tradition, so schockierend es auch klingen mag, unsere jüdischen MitbürgerInnen in die Gaskammern zu schicken."
Wir haben die menschenverachtenden Verbrechen an unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Nazi-Deutschland begangen hat, nicht vergessen! Wir sind uns der Schuld bewusst, die wir zu tragen haben. Massenmord verjährt nicht und Massenmord darf auch nicht vergessen werden! Wir sind uns der geschichtlichen Verantwortung deshalb sehr bewusst und haben schon immer den latenten Antisemistismus in unserer Gesellschaft verurteilt. Dass rechtslastige Parteien heute wieder in Landesparlamenten sitzen, ist für uns ein Zeichen, dass Antisemitismus und Rassismus in unserem Lande zunehmen. Es ist unerträglich, es ist eine Schande, dass gerade in Deutschland diese Entwicklung zu verzeichnen ist. Wir treten dafür ein, dass Antisemitismus und Rassismus in unserem Land entschlossener bekämpft werden muss, als dies bisher der Fall ist.
Zu Ihrer Schlussfrage: Allein diese Fragestellung zeigt Ihre persönliche Befangenheit gegenüber unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Wir müssen kein "Verhältnis" zu ihnen in Europa gestalten; sie sind ein Teil Europas und seiner Kultur, Menschen, die Europa mitgeprägt haben, Menschen, denen wir große zivilisatorische Fortschritte verdanken. So wenig unsere Partei ein "Verhältnis" zu Franzosen, Spaniern, Niederländern oder Engländern gestalten muss, so wenig unsere Partei ein "Verhältnis" zu Katholiken, Protestanten oder Atheisten gestalten muss, so wenig müssen wir ein "Verhältnis" zu Muslimen und Juden in Europa neu gestalten. Was Ihnen, Herr Matthes, "fremd" erscheint, wollen Sie integrieren, wollen ein "Verhältnis" schaffen (das beinhaltet ja schon eine Ausgrenzung bzw. Abgrenzung). Der Umgang unserer Partei mit unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unterscheidet sich in nichts mit dem Umgang mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern anderer Glaubensbekenntnisse; es bedarf unsererseits deshalb keiner Neugestaltung.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Engelschall