Frage an Christina Schulze Föcking von Erwin M. bezüglich Soziale Sicherung
Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Alter – alles Lebensrisiken, für die der Sozialstaat vor über 100 Jahren (Zwangs-)Versicherungen eingeführt hat. Nun wird immer deutlicher, dass ein Lebensrisiko neu hinzu gekommen ist, für das es keine gesetzliche Absicherung gibt: der Pflegefall.
Neu an dieser bedrohlichen Entwicklung ist, dass
- der Pflegefall jahre- oder auch jahrzehntelang andauern kann
- die gesellschaftlichen und familiären Strukturen sich so verändert haben, dass einzelne Familien damit überfordert sind.
Die Politik reagiert mit kleinteiligem Handeln, das manche Missstände abmildert. Der große Wurf aber, nämlich die Einführung einer Vollversicherung für den Pflegefall, wird nicht einmal diskutiert.
Ich meine: Wenn Menschen zum Pflegefall werden, ist der Sozialstaat genau so gefordert wie bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Bei keinem anderen Lebensrisiko droht der finanzielle Ruin, bei keinem anderen Schicksalsschlag werden Kinder gesetzlich so in die Pflicht genommen wie bei der Pflege.
Meine Forderung: In unserer ständig reicher werdenden Gesellschaft muss auf diese neue Herausforderung reagiert werden. Ein Teil des gesellschaftlichen Zugewinns muss umgeleitet werden - entweder über eine echte Vollversicherung für die Pflege oder über Steuern, um diese existentielle Bedrohungen abzumildern.
Mit Herrn Laumann haben wir den wichtigsten Interessenvertreter für diesen Bereich direkt vor Ort. Leider kann ich nicht erkennen, dass er meine Meinung teilt. Vielleicht ist im ländlichen Raum das Thema nicht ganz so gravierend, weil Familien noch funktionieren.
Wie sehen Sie das?
Sehr geehrter Herr M.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
In der Tat wird uns das Thema Pflege auch zukünftig weiter beschäftigten. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf 3,3 Mio. ansteigen, bis zum Jahr 2050 sogar auf 4, 4 Mio.
Gleichwohl muss es jetzt und zukünftig unser Ziel sein, gute Rahmenbedingungen für eine gute Versorgung und Betreuung der zu Pflegenden zu erreichen.
Sie haben recht, die beste Pflege ist die, die in den Familien erfolgt – 2/3 der zu Pflegenden wird dort betreut – und das ist gut so.
Die Pflegeversicherung war bei Ihrer Einführung 1995 ein Meilenstein. Die Einführung erfolgte gegen zahlreihe Widerstände. Vieles hat sich seitdem verbessert. Waren damals beispielsweise damals 2/3 der Pflegebedürftigen auf Sozialhilfe angewiesen, so kommen heute 2/3 ohne aus. Die Leistungen haben sich um 20% erhöht.
Durch die am Jahresanfang in Kraft getretene Pflegereform konnten 80.000 Menschen mehr Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, da die Pflegebedürftigen nach einem anderen Maßstab begutachtet werden.
Die Pflegversicherung ist bewusst als „Teilleistungsversicherung“ konzipiert, die die Grundversorgung gewährleistet. Der fehlende Teil muss durch private Vorsorge abgesichert werden. Ein ähnliches Prinzip verfolgt mittlerweile ja auch die gesetzliche Rentenversicherung. Auch dort ist ein gewisses Maß an Eigenvorsorge vorgesehen.
Nur so kann dauerhaft die Finanzierung gesichert bleiben.
Die Pflegeversicherung wird sicherlich an der ein oder anderen Stelle Veränderungen erfahren, Aussichten auf die von Ihnen angeregte Systemumstellung sehe ich jedoch nicht.
Gerne aber leite ich Ihre Anregungen an Herrn Laumann weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Christina Schulze Föcking MdL